Formel 1: Hintergrund | 31.08.2006
Ist das Red Bull-Junioren-Projekt aus österreichischer Sicht gescheitert?
Die löbliche Mission der Red Bull Junioren erntet zunehmend auch Kritik. Formel 1-Journalist Gerald Enzinger schrieb dazu einen interessanten Kommentar.
Michael Noir Trawniczek
Es gibt zahlreiche Sportler, die Red Bull Vieles oder gar Alles zu verdanken haben. Red Bull hat auch im Motorsport Großes geleistet, den Weg für viele Youngsters geebnet, das Werbegeld nicht ausschließlich in Werbung, sondern auch in den Sport investiert. Red Bull hat es vielen Sportausübenden überhaupt erst ermöglicht, ihren geliebten Sport auszuüben.
Die Intention ist lobenswert - der oberste Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz hat etwas Einzigartiges geschaffen, brachte auch neue Farben und Jugendlichkeit in die Formel 1. All das ist unbestritten - dennoch häuft sich in letzter Zeit auch Kritik - nämlich an der Art und Weise, wie all das durchgeführt wird.
Diese Kritik gibt es schon länger. Bereits 2002 erschien bei Racingpress ein bitterböser Artikel über die Red Bull Driver Search - als man noch Piloten für ein "All American Team" gesucht hat. Zwölf US-Boys wurden damals in Le Castellet auf dem Paul Ricard-Kurs aussortiert. In dem Bericht erzählen die Piloten von schmerzhaften Sitzpositionen in F3-Schulautos - einer der Fahrer, Rocky Moran, konnte nicht einmal eine komplette Lenkbewegung ausüben, weil er mit den Knien am Lenkrad anstieß: "Instruktor Danny Sullivan erzählte mir nur, wie er ebenfalls ein Shootout in unbequemer Haltung fahren musste." Die Jungpiloten mussten laut dem Bericht auf völlig unterschiedlichen und zum Teil mangelhaften Autos auf Zeit fahren, dabei kürzten sie die Strecke ab, was in Paul Ricard möglich ist. Kurzum, das Shootout wird als eine Farce beschrieben - und am Ende wurden die Schnellsten gar nicht genommen, steht in dem Bericht. Scott Speed war damals übrigens auch dabei - und aller Kritik zum Trotz muss festgestellt werden: Speed sitzt heute immerhin in einem Formel 1-Cockpit.
Nur noch ein Österreicher bei den RB-Junioren
Aber auch in Österreich wurde massiv Talent gefördert. Zahlreiche Landsmänner wurden unterstützt - Christian Klien war überhaupt der erste RB-Junior, der in der Formel 1 gelandet ist. Neben dem Hohenemser wurden zahlreiche Landsmänner in das Förderprogramm aufgenommen. Aber auch hierzu gibt es kritische Worte - der Formel 1-Journalist Gerald Enzinger schreibt in einem sportnet.at-Kommentar: "Seit Jahren hat Red Bull mit seinem Junior-Team beherzt österreichische Piloten gezüchtet – doch die Bilanz der Alpen-Sennas ist niederschmetternd: Klien am Abstellgleis; Auinger, Friesacher, Kofler, Lachinger – alle als Chauffeure arbeitslos. Mit Martin Ragginger hat vor wenigen Wochen der letzte Österreicher (abgesehen vom sehr jungen Phillip Eng) das Red Bull Junior Team verlassen."
Ragginger hat dies übrigens freiwillig getan, weil er mit dem Leistungsdruck bei den RB-Junioren nicht mehr klar kam, wie er erklärte. Auf dem Norisring habe er erstmals an einem Rennwochenende geweint, beschrieb er den für ihn unhaltbaren Zustand. Kurze Zeit nach dieser "Befreiung" hat Ragginger sein erstes Formel BMW ADAC-Rennen gewonnen...
Christian Klien wurde nun vor die Tatsache gestellt: Entweder Champ Car oder Ende der Zusammenarbeit. Wobei hinzuzufügen ist, dass viele Piloten ein Champ Car-Cockpit mit Handkuss nehmen würden. Eine gewisse Dominanz ist jedoch auch hier spürbar - im Gegensatz zur kolportierten "Leichtigkeit des Seins" wird dem Vernehmen nach doch sehr viel Druck aufgebaut. "Feldwebel" Dr. Helmut Marko ist quasi die Symbolfigur für diese harte Linie, vielleicht ist diese einfach ein bisschen zu hart? Braucht vielleicht doch alles was Flügel hat auch eine gewisse Nestwärme?
"Geklont, sympathisch, unmündig, erfolglos..."
Das Problem liege laut Enzinger aber auch an den Fahrern selbst respektive daran, dass sie von Beginn an zu einer gewissen Unmündigkeit erzogen würden: "Keiner der von Red Bull aussortierten Piloten hat ohne Red-Bull-Kohle bewiesen, dass es ein Fehler war, sich von ihm zu trennen. Alle diese Fahrer wirken wie geklont: Sie sind sehr sympathisch, aber erfolglos auf der Strecke und erst recht dabei, in der wirklichen Renn-Welt zurechtzukommen. Mit Ausnahme des etwas merkwürdigen Friesacher-Formel-1-Abenteuers von Haiders Gnaden konnte keiner Geld aufstellen oder sich eine Organisation aufbauen, die die Red Bull Familie ersetzen konnte."
Und: "Was die österreichischen Piloten betrifft ist das international so erfolgreiche Red-Bull-Juniorprojekt gescheitert. Während die Herren Speed, Liuzzi und Vettel die Formel 1 aufmischen (werden), hat die Züchtung der neuen Laudas in Österreich das Gegenteil ergeben: unselbständige Menschen, die höchst unversiert sind im Geld-Aufstellen. Piloten, denen von klein auf jedes Problem abgenommen wurde und die sich viel zu sehr auf einen Karrierelift made by Mateschitz verlassen haben."
Lichtblick Andreas Zuber
Einen Lichtblick erkennt Gerald Enzinger dann aber doch - erst am letzten Wochenende hat ein Österreicher, der zwar Red Bull als sein Lieblingsgetränk angibt, jedoch nicht von dem Energiegetränkehersteller unterstützt wird, einen internationalen Erfolg gefeiert - Andi Zuber konnte am letzten Sonntag das GP2-Sprintrennen gewinnen. Enzinger schreibt: "Er kommt zwar aus recht begütertem Hause, hat sich aber trotzdem jeden Sponsor-Euro gemeinsam mit seinem Vater selbst aufstellen müssen. Trotzdem hat er sich mit seinem Trident-Team und Beratern wie Ex-Villeneuve-Fitnessmanager Erwin Göllner und Rennsport-Profi Walter Penker ein top aufgestelltes Team zusammengesucht. Nicht zuletzt, da man in Dubai neue Geldquellen erschloss."
Und so sei dieser Sieg des Andi Zuber auch eine Art Zeichen für die jungen Piloten des Landes, meint Enzinger: "Zuber erklärt damit das Monopol von Red Bull zur Ausbildung von Austro-Piloten für beendet. Die Lehre heißt: Wer von Red Bull keine Flügel verliehen bekommt, muss sich halt selbst welche wachsen lassen."