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Die blütenweiße Weste gibt es nicht - weder für McLaren, noch für Ferrari, noch für die FIA

Schon vor dem Hearing am Donnerstag bekundeten sowohl Ferrari als auch McLaren, man werde Berufung einlegen. Damit wird die bislang so spannende WM zerstört.

Michael Noir Trawniczek, noir@motorline.cc

"Wir wollen die Wahrheit erfahren, das ist für alle Investoren in der Formel 1 wichtig. Wir müssen reinen Tisch machen. Wenn jemand etwas Falsches getan hat, muss er dafür bezahlen. Wenn da nichts war, dann muss es die FIA sagen - und dann müssen sich alle bei demjenigen entschuldigen, der fälschlich verdächtigt wurde."

Flavio Briatore bringt es auf den Punkt (Nachtrag: Mittlerweile wurde er selbst von der Wahrheit eingeholt - siehe die Anschuldigungen, den Spionageverdacht gegen Renault, d. red.).

Die Wahrheit muss ans Tageslicht, so schnell wie möglich. Der Fall muss dringend abgeschlossen werden, denn er überschattet den Sport. Die Leidtragenden sind, wie so oft, die Fans, die Piloten - aber auch die Sponsoren wenden sich ab. Sie wollen auf der Bühne des Sports glänzen - sie wollen nicht mit einem Sport in Verbindung gebracht werden, der nur noch Negativschlagzeilen produziert.

An diesem Donnerstag ist also der "Tag der Entscheidung". Was wird passieren? Welche Konsequenzen wären wünschenswert? Welche Konsequenzen sind unvermeidbar? Niemand wagt eine Voraussage - denn es ist alles möglich. Die Meinungen divergieren...

Sollte bei dem Hearing tatsächlich nachgewiesen werden, dass McLaren-Mercedes illegale Informationen des Mitbewerbers Ferrari zum eigenen Vorteil genutzt hat, bleibt der FIA gar nichts anderes übrig, als eine drakonische Strafe auszusprechen. Die Streichung der Konstrukteurspunkte wäre dann noch eine milde Variante - in einem solchen Fall, bei klaren und eindeutigen Beweisen, könnten auch härtere Strafen die Folge sein. Auch eine Sperre wäre dann nicht undenkbar.

Dass es die Spionage in der Formel 1 schon immer gab, dass es natürlich auch im Rahmen der Personalfluktuation zum Informationsaustausch kommt - all das ist richtig, aber zugleich kein Grund dafür, McLaren im Falle eines klaren Beweises straffrei davonkommen zu lassen. Bestraft wird derjenige, der sich erwischen ließ - so war das schon in der Schule, so ist es immer.

Dass es andere auch tun - dieses Argument gilt nicht. Die FIA wäre vollkommen unglaubwürdig, würde sie bei klaren Beweisen ein Auge oder gleich zwei zudrücken, denn das wäre nur vermeintlich zum Wohle des Sports. Im Gegenteil: Bei einer klaren Beweislage muss die Sportbehörde eisern strafen, um die längst schon schwer angeschlagene Reputation der Formel 1 halbwegs gerade zu rücken.

Mitschuld der Fahrer?

Und die Fahrer? Hier gilt das Gleiche: Sollte es eindeutige Beweise geben, können auch die Piloten nicht völlig ungeschoren davonkommen. Sollten tatsächlich Emails vorhanden sein, in welchen die McLaren-Piloten über Details aus dem Ferrari-Dossier kommunizieren, sie gar um nähere Details bitten, hätten sich die Piloten mit schuldig gemacht. Sollte aber nur dem Team eine Schuld nachgewiesen werden, müssten die Fahrer verschont bleiben.

Hier stellt sich die Frage: Welche Daten aus dem 750 Seiten umfassenden Dossier hätten eigentlich nützlich für die Piloten sein können? Was bringt es, Setupeinstellungen des F2007 zu wissen? Oder sind es eher die Abläufe, Strategien, die McLaren geholfen haben könnten? All das ist im Grunde unmöglich abzuschätzen. Eines aber ist klar: Alleine zu wissen, was der Gegner weiß und was er nicht weiß, verschafft einem Team einen Vorteil.

Nicht zu vergessen sind die "Leichen im Keller". Dass McLaren um den flexiblen Unterboden von Ferrari Bescheid wusste und dies bei der FIA deponierte, zum Beispiel. Eine Fleißaufgabe für Moralapostel: Was ist verwerflicher - einen flexiblen Unterboden einzusetzen oder über illegale Quellen über diesen Bescheid zu wissen und zu petzen?

Wie auch immer: Das Image der Formel 1 ist durch diese Affäre weiter beschmutzt worden, es ergeht der Formel 1 wie dem Radsport. Dort hieß es auch, dass ohnehin alle Doping betreiben würden, nachdem jemand erwischt wurde. Jetzt erfahren wir täglich aus den Medien, dass Spionage schon immer in der Formel 1 betrieben wurde und es sowieso nicht mit rechten Dingen zugeht. Selbst bei einem neuerlichen Freispruch würde diese Aussage im Raum stehenbleiben.

Einmal muss Ruhe sein!

Und wenn es tatsächlich wieder keine eindeutigen Beweise dafür gibt, dass McLaren-Mercedes die von Mike Coughlan angenommenen Informationen zum Vorteil des Teams genutzt hat, wie das bereits bei der ersten Verhandlung der Fall war?

Dann sollte auch endlich Schluss sein, dann sollte die Affäre zu den Akten gelegt werden! Damit wieder der Sport in den Vordergrund rücken, damit diese Weltmeisterschaft vielleicht doch noch einen würdigen Ausklang finden kann.

Doch nein - Ferrari würde ja auch bei einem neuerlichen Freispruch weiterkämpfen, wie man bereits jetzt verlautbart hat. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hat schon einmal vorauseilend in den Raum gestellt, dass ein WM-Titel aufgrund eines WM-Ausschlusses von McLaren-Mercedes "keinen Makel" darstellen würde. Ja, es wäre sogar ein "verdienter Sieg", weil dann ja bewiesen wäre, dass der Gegner mit unlauteren Mitteln gearbeitet habe.

Die Affäre schadet dem Sport - da sind sich Jean Todt und Montezemolo einig. Sie müsse schleunigst zum Abschluss gebracht werden, sagt man einhellig. Das widerspricht jedoch der Ankündigung, auch im Falle eines Freispruchs "die Ermittlungen weiter vorantreiben" zu wollen.

Einen unbefleckten Titel wird es nicht geben

Dabei sollte den Herren klar sein, dass es für Ferrari nur einen Weg gibt, 2007 einen völlig unbeschmutzten, makellos sauberen Konstrukteurstitel zu erringen: Mit dem ersten Platz in der WM-Tabelle und mit 16 Punkten Vorsprung auf McLaren.

Denn auch jene 15 Zähler, welche die FIA dem McLaren-Team aufgrund der Blödheiten im Ungarn-Qualifying gestrichen hatte, wurden nicht aus unlauteren Mitteln erzielt. In Ungarn hat McLaren sich selbst sabotiert - der Sieg von Hamilton und der vierte Platz von Alonso wurden jedoch unter sportlich korrekten Bedingungen errungen. Die Strafe wurde McLaren aufgebrummt, weil man dem Ansehen des Sports geschadet hat, nicht jedoch weil man sich gegenüber Ferrari einen Vorteil erschwindelt hat.

Ferrari liegt zurzeit mit 23 Punkten im Rückstand, mit den 15 Zählern wären es sogar 38. Auf der rein sportlichen Ebene ist die Scuderia zurzeit eindeutig die Nummer zwei. Sollte McLaren disqualifiziert werden, würde Ferrari zur neuen Nummer eins - doch welchen Wert hätte der geerbte Titel?

Was ist mit dem Maulwurf?

Was die reine, blütenweiße Weste anbelangt: Seit einigen dem Ungarn-Grand Prix untersucht die FIA auch, ob es in ihren Reihen einen Ferrari-"Maulwurf" gibt, da Felipe Massa in Budapest zu einem Zeitpunkt von der McLaren-Bestrafung Bescheid wusste, zu dem es noch keine offiziellen Informationen gab. Auch dieser Fall müsste erst geklärt werden, um an eine weiße Weste zu denken.

Fakt ist: Sowohl McLaren als auch Ferrari werden in nächster Zeit ihre Weste nicht blütenweiß waschen können - je nach Sympathie werden die Fans das eine oder das andere Team verdächtigen. Besonders kritische Geister werden zu dem Schluss kommen, dass ohnehin alle Dreck am Stecken haben. Inklusive der FIA. Zu verübeln ist es ihnen nicht.

Sport hat längst verloren

Je mehr man über diese Angelegenheit nachdenkt, desto eher wird klar: Der Sport, die Formel 1 als Ganzes, hat längst verloren. Die WM 2007 ist beschmutzt. Wird McLaren freigesprochen und Weltmeister, wird dennoch ein schaler Nebengeschmack bleiben. Wird McLaren verurteilt und Ferrari als Tabellenzweiter Weltmeister, wird es nicht anders sein. Findet man Emails von Alonso und Hamilton mit Ferrari-Informationen, ist die Katastrophe perfekt. Denn dann werden viele auch beim Fahrer-Weltmeister sagen, dass er nur deshalb WM wurde, weil er sich illegale Informationen beschafft hat. Aber: Was würde man zu einem Weltmeister Räikkönen oder Massa sagen, der in der Tabelle eigentlich nur Dritter war? Wie wertvoll wäre ein solcher Titel?

Die Spionageaffäre lag nach dem Freispruch schon bei den Akten, die von Mosley initiierte Berufung hätte verbliebene Zweifel beseitigen sollen - die Vorfreude auf einen spannenden WM-Showdown war groß, ja sogar ein WM-Finale mit vier Kandidaten stand im Raum, was es noch nie gegeben hat. Der faszinierende Kampf zwischen dem Sensationsrookie Lewis Hamilton und Doppelweltmeister Fernando Alonso, dazu die beiden ebenbürtigen Schumacher-Nachfolger bei Ferrari - auch wenn die Rennen an sich noch immer an dem Mangel an Überholmanövern laboriert haben, war die WM die spannendste seit Jahren.

Jetzt wird alles zerstört. Es geht fast nicht anders. Es ist klar, dass die Affäre im Verdachtsfall noch einmal aufgerollt wurde - man sollte meinen, dass die FIA das neuerliche Hearing nicht ohne triftigen Grund erwirkt hat. Es blieb also keine andere Wahl. Dass es jedoch eine "never ending story" sein muss, ist nicht verständlich.

Der polternde Machtkampf zwischen Ferrari und McLaren ruiniert die sportliche Ebene, sie schadet dem Ansehen des Sports. Das Traurige ist, dass beide Parteien schon vor der Anhörung erklärt haben, in jedem Fall Berufung einzulegen und weiterzustreiten. Sie wollen nicht erkennen, dass diese leidige Affäre dringend einen Schlusspunkt braucht - und zwar jetzt, und nicht nach dem WM-Finale!

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