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Jochen Rindt Memorial

100 Objekte - vom Drahtgeflecht zum Vulkanstein

In Graz wurde die Ausstellung "Jochen Rindt Memorial" eröffnet - Kunst trifft auf Motorsport, 100 unterschiedlichste Objekte sind zu bestaunen. motorline.cc war vor Ort.

von Michael Noir Trawniczek
Fotos: Othmar Behr (Salzburger Nachrichten)

Am 1. November eines jeden Jahres ist das Grab von Jochen Rindt, auf dem Grazer Zentralfriedhof, von zahllosen, im kalten Herbstwind flackernden Kerzen umgeben - daran hat sich seit 1970 nichts geändert. 37 Jahre nach seinem tragischen Unfalltod auf der Hochgeschwindigkeitsbahn von Monza zieht der erste österreichische Formel 1-Pilot, der erste heimische Weltmeister noch immer die Menschen in seinen Bann.

Jochen Rindt war ein Pionier, ein Wegbereiter und er ist eine Ikone geblieben. Seine Fans stammen nicht nur aus seiner Generation - auch bei der Eröffnung der bis zum 24. Februar 2008 laufenden Ausstellung "Jochen Rindt Memorial" im Grazer Stadtmuseum findet man ein bunt gemischtes Publikum sämtlicher Alters- und Bevölkerungsgruppen.

In seiner Eröffnungsrede erzählt Stadtrat Werner Miedl von jenem 5. September 1970, an dem ganz Österreich einen kollektiven Schock erlitten hat: "In einem Gasthaus kam plötzlich der kochende Chef aus der Küche gerannt und stammelte aufgeregt: 'Der Jochen Rindt ist tot.' Sofort war es mucksmäuschenstill im Lokal, einige Gäste haben zu weinen begonnen, ich war noch jung und kämpfte ebenfalls mit den Tränen."

Jochenmania

Jochen Rindt hat das kleine Alpenland mit dem Motorsportvirus infiziert - jeder Bub wollte so sein wie er. Kurator Joachim Baur, der als Leiter des Kulturinstituts "Werkstatt Graz" die Rindt-Ausstellung initiierte, erzählt im Gespräch mit motorline.cc: "Ich bin Obersteirer und ich habe den Jochen Rindt in den Sechzigerjahren am Flugplatz in Zeltweg als kleiner Bub fahren gesehen und war schwer beeindruckt. Auf einer Urkunde habe ich 1968 den Namen 'Jochen Baur' eintragen lassen - denn ich war damals so ein starker Fan, dass ich nicht mehr Joachim heißen wollte. Ich wollte nur noch 'Jochen' genannt werden, denn auch ich wollte ein Rennfahrer werden. Ich wollte davon rauschen - vor diesem ganzen Blödsinn, den man schon als Kind mitbekommt." Aber auch Erwachsene orientierten sich an Jochen Rindt - viele Eltern tauften ihre Söhne 'Jochen'.

Joachim Baur erklärt, warum er sich als Vertreter der Kunst mit dem Phänomen Jochen Rindt auseinandersetzte - schon vor vier Jahren begann Baur mit einer intensiven Recherchearbeit, 2005 produzierte die "Werkstatt Graz" eine DVD zum Thema, welche auch in der Ausstellung zu sehen ist: "Der Jochen Rindt war wie ein Künstler - er überstieg wie ein Schamane die Grenzen und sagte: 'An mir selbst probiere ich jetzt etwas aus.' Und dieser Selbstversuch - das ist das Große, in der Wissenschaft wie auch in der Kunst. Es hat natürlich viele Rennfahrer gegeben - aber beim Jochen Rindt wollten die Leute wissen: 'Was ist mit diesem Burschen los?' Da war plötzlich ein Charisma da, sodass man das Gefühl hatte, dass bei dem irgendetwas anders ist. Und das hat uns fasziniert."

100 Objekte

Baur fügt hinzu: "Und dann haben wir bemerkt: Hoppla, da gibt es ja Künstler, die genauso fasziniert sind vom Jochen Rindt. Und das habe ich versucht, mit dieser Ausstellung zusammenzutragen." Dabei entstand eine breit gefächerte Mischung aus allerlei Kunstrichtungen - rund hundert verschiedene Ausstellungsobjekte sind zu bewundern: Ein von Jack Bauer aus Blitzableitern geflochtener Brabham, vom Künstler "Mumienflitzer" genannt - ein Skelett, das nicht einmal die für ein Auto obligaten Räder benötigt - allein die Form reicht aus, um das Geflecht als einen Formel 1-Boliden der Sechzigerjahre zu identifizieren. Die lebensgroße Metallskulptur von Gustav Troger, aus der Sammlung von Dr. Helmut Marko, wirkt befremdlich und erinnert an "Akte X" respektive den Besuch von Außerirdischen.

Vulkanstein

Zu 99,99 Prozent irdisch ist jener Vulkanstein, den Erich Walitsch, der Betreiber der Website jochen-rindt.at zur Verfügung gestellt hat. Walitsch erzählt: "Im Freien Training in Clermont-Ferrand 1969 fuhr Jochen mit einem Halbvisierhelm, weil er sich im Vollvisierhelm nicht wohl gefühlt hat. Doch dann wurde eben dieser Stein aufgewirbelt und er traf ihn genau oberhalb der Lippe, er musste ins Spital fahren, wo die Wunde mit drei Stichen genäht wurde. Dann haben die Mechaniker das Auto gesäubert - im Cockpit, irgendwo bei den Pedalen lag dieser Stein. Ein Mechaniker hat ihn eingesteckt und zuhause aufbewahrt - den habe ich dann vor fünf oder sechs Jahren in Monza getroffen, da hat er mir den Stein mitgebracht." Kurator Baur ergänzt, dass sich dieser Stein bei einer Untersuchung durch einen Mineralogen verblüffender Weise als Edelstein erwiesen hat.

"Jochen lebt, ganz einfach!"

Erich Walitsch schreibt auf seiner Website, dass er mit Jochen Rindt einen "imaginären Freund verloren" habe. "Um diesen menschlichen Verlust irgendwie zu kompensieren, begann ich konsequent alles über Jochen Rindt zu sammeln. Ich wollte einfach alles über ihn erfahren, wollte wissen was für ein Mensch er war und wie er seinen Weg als Rennfahrer erlebte."

Im motorline.cc-Talk erklärt Walitsch: "Auf diese Art und Weise sind viele Freundschaften entstanden - mit Leuten, die mit Jochen Rindt gearbeitet haben, aus verschiedenen Teams, nicht nur vom Team Lotus. Ich kenne auch Leute aus dem Cooper-Rennstall oder von den Formel 2-Teams. Da sind viele verschiedene Verbindungen entstanden - und das macht eigentlich meine Arbeit aus. Und so bleibt der Jochen am Leben. Jochen Rindt lebt, ganz einfach."

Berührender Taschenkalender

Weil es so nah ans Leben des 1942 in Mainz geborenen, jedoch in Graz aufgewachsenen Charakterkopfs führt, berührt ein Ausstellungsstück in einem ganz besonderen Ausmaß: Ein Lotus-Taschenkalender des Jahres 1970, der ausgebreitet präsentiert wird, sodass man die handschriftlichen Einträge von Jochen Rindt großteils nachlesen kann. Natürlich sind sämtliche Rennwochenenden eingetragen, aber auch andere Termine, die wegen der verschnörkelten Schrift des Piloten nur zum Teil entziffert werden können. Der letzte Eintrag in diesem authentischen Zeitdokument erscheint bitter: Neben dem 5. Dezember steht geschrieben: "Paris?" Der Hintergrund: In Paris wird alljährlich die offizielle Kür des Weltmeisters vorgenommen - Rindt war bis zum Schluss nicht sicher, ob er es sein wird. Am Ende wurde Rindt bekanntlich postum zum Weltmeister gekürt...

Kein Styroporheini

Joachim Baur sagt dazu: "Angesichts des Todes ist es sicher nicht so, wie es der Thomas Bernhard gesagt hat, dass alles lächerlich ist. Sondern es bewahrheitet sich das, was du tust. Deshalb ist man auch heute noch so fasziniert von Jochen Rindt. So wie der Helmut Zwickl sagt: 'Die jetzigen Rennfahrer sind Styroporheinis' - und Rindt war eben ganz sicher kein Styroporheini."

Davon kann man sich seit letzter Woche im Grazer Stadtmuseum überzeugen. Im Foyer wartet jener legendäre Lotus 49, mit dem Rindt 1969 in Watkins Glen seinen ersten Grand Prix-Sieg erringen konnte. In der Grazer Sackstraße irritiert ein in luftiger Höhe quer von einer Häuserfront zur anderen gespanntes Transparent mit der simplen Aufschrift "AUTO". Kurator Joachim Baur erklärt: "Das ist wörtlich gemeint - 'auto', also 'selbst'. Jochen Rindt war ganz sicher er selbst, sein Handeln war von Selbstbestimmung geprägt. Er war für eine ganze Generation ein Vorbild, weil er loszog um den Erfolg zu suchen und weil er niemals aufgegeben hat."

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