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FIA-Generalversammlung 3.6.2008

Die Entscheidung naht...

Am Dienstag entscheiden die FIA-Delegierten über das weitere Schicksal von Präsident Max Mosley. Eine seriöse Prognose ist so gut wie unmöglich...

Michael Noir Trawniczek

Am Dienstagvormittag um 10 Uhr beginnt im Pariser FIA-Gebäude auf dem Place de la Concorde jene außerordentliche Generalversammlung, bei der mittels einer anonymen Vertrauensabstimmung über den Verbleib von Max Mosley als FIA-Präsident abgestimmt wird.

Mosley selbst hat die Versammlung einberufen, nachdem ein britisches Boulevardblatt auf dessen Website ein versteckt gefilmtes Video veröffentlicht hatte, auf dem Mosley und fünf Prostituierte beim Praktizieren von Sadomasosex zu sehen sind. Weil die Szenarien an ein Gefangenenlager der Nationalsozialisten erinnerten, bezeichnete die betreffende Zeitung die Aktivitäten als "Nazi-Orgie" - Beweise wie Nazi-Abzeichen und ähnliches wurden nicht gesichtet. Eine der Prostituierten erklärte, Mosley habe ein "Nazi-Szenario" bestellt, der Präsident bezeichnete diese Aussage als Lüge und dementierte den Nazi-Zusammenhang. Mosley war in jungen Jahren Mitglied einer von seinem Vater, dem britischen Faschistenführer Oswald Mosley gegründeten Bewegung.

Ein klares Statement zu seiner Gesinnung hat Mosley bislang jedoch vermissen lassen, wenngleich er nach Zwischenfällen bei Testfahrten in Spanien, wo Fans Lewis Hamilton beschimpft hatten, eine Anti-Rassismus-Kampagne gestartet hat. Auf der everyrace-Website der FIA werden gesammelte Zitate von F1-Entscheidungsträgern und Piloten präsentiert - jenes von Mosley lautet : "Was mich am Motorsport am meisten fasziniert hat war, dass sich niemand um deinen Background, deine Rasse, dein Geschlecht oder deine Religion kümmert - es ging nur darum, wie schnell du bist."

Seit Bekanntwerden der Affäre mehrten sich jedenfalls die Rücktrittsforderungen. Veranstalter und Entscheidungsträger der Formel 1 haben großteils den Kontakt zu Mosley gemieden - der schon vor der Videoveröffentlichung wegen seiner Entscheidungen (sündteure Sparmaßnahmen, Kompliziertheit der Regeln) und seines autoritären Führungsstils umstrittene Präsident wurde zur "Persona non grata". Selbst wenn viele Menschen der Meinung waren und sind, dass die sexuellen Praktiken des Präsidenten seine Privatangelegenheit seien und er nichts Verbotenes getan habe, betrachtet ein Großteil als nicht mehr einsatzfähig, nicht mehr tragbar.

180 bis 190 Stimmberechtigte

Unlängst haben 24 Automobilklubs und der Russische Auto-, Sport- und Tourismusverband in einem gemeinsamen Brief erklärt, dass sie gegen einen Verbleib von Mosley stimmen werden. Allerdings repräsentieren diese Klubs nur 13 Prozent der stimmberechtigten Klubs respektive Delegierten. Prinzipiell wären 222 Mitglieder stimmberechtigt - allerdings erhalten jene Klubs kein Stimmrecht, welche mit ihren Zahlungen an die FIA im Rückstand sind - zu ihnen gehört auch der russische Klub, in der britischen Times wird die Anzahl der effektiv stimmberechtigten Mitglieder zwischen 180 und 190 geschätzt. Am vergangenen Wochenende hat Formel 1-Drahtzieher Bernie Ecclestone seinem früheren Rechtsanwalt öffentlich den freiwilligen Rücktritt nahegelegt...

Liefert Mosley weiteren Zündstoff?

Es wäre schade, müsste Mosley nach verlorener Abstimmung quasi als Verlierer seinen Schreibtisch räumen, sagte Ecclestone. Doch Mosley scheint sich seiner Sache sicher zu sein oder einfach alles auf eine Karte zu setzen - bislang gab es keine Anzeichen von einem freiwilligen Rücktritt. Am Beginn der Sitzung sei geplant, dass Mosley den Delegierten noch einmal seinen Standpunkt darstellen wird. Zudem wird kolportiert, dass Mosley auch die Ergebnisse jener Untersuchung präsentieren will, welche der bekannte Anwalt Anthony Scrivener, ein Mitglied des FIA Court Of Appeal, im Auftrag des Weltverbands in Bezug auf den angeblichen Nazi-Inhalt der Sadomaso-Aktion durchgeführt hat. Gerüchten zufolge könnte Mosley bei der Versammlung zudem weitere Details verlautbaren, was die Observation und auch deren Auftraggeber anbelangt. In der Gerüchteküche wird gemunkelt, dass Mosley noch prekären Zündstoff liefern könnte.

Mosley will auch bei knapper Mehrheit bleiben

Mosley möchte bei Gewinn der Wahl das Amt des FIA-Präsidenten bis zum Ablauf seiner regulären Amtszeit im Oktober 2009 bekleiden, würde jedoch weitgehend auf repräsentative Auftritte verzichten. Angeblich will er das auch bei einer Mehrheit von nur einer einzigen Stimme tun. Zugleich soll er versprochen haben, auch bei einer knappen Niederlage zurückzutreten. Einen Kompromissvorschlag, wonach er noch bis in den November sein Amt ausführen könne und dafür das Vertrauen ausgesprochen erhalte, lehnte Mosley ab.

Vor seinem ersten Auftritt im Formel 1-Zirkus, in Monaco, erklärte Mosley in einem Brief an die FIA-Delegierten, der Weltverband würde sich in harten Verhandlungen mit den kommerziellen Rechteinhabern der Formel 1 (die CVC respektive Bernie Ecclestone) befinden, diese würden der FIA quasi die sportliche Hoheit entziehen wollen. Ecclestone antwortete mit einem öffentlichen Schreiben an die Delegierten, in dem er ihnen versicherte, dass die CVC weiterhin die FIA als Sporthoheit anerkennen würde. Mosley wolle mit seinem Brief von seiner eigenen Affäre ablenken und sich als für die FIA unverzichtbar darstellen, meinte Ecclestone sinngemäß.

Testabstimmung zeigt: Alles ist möglich!

Obschon in der Formel 1 eine extrem starke Ablehnung gegenüber Max Mosley vorherrscht, ist das Abstimmungsergebnis völlig offen. Denn die Delegierten kommen aus aller Welt - die Motorsportklubs sind zudem in der Minderheit, hauptsächlich sind es Autofahrer/Tourismusklubs. Der Guardian hat unter 100 FIA-Delegierten eine Umfrage vorgenommen, quasi eine Testabstimmung: Von den 100 Delegierten haben 37 gegen Mosley gestimmt, 25 stimmten für ihn, 9 waren unentschlossen, 29 jedoch verweigerten eine Aussage. Auch diese Testabstimmung belegt, dass theoretisch alles möglich ist.

motorline.cc-Umfrage: 70 Prozent wollen Rücktritt

Bei der seit Wochen laufenden Abstimmung auf motorline.cc sind zurzeit 45 Prozent der LeserInnen derAnsicht, Mosley müsse zurücktreten und sei als Präsident untragbar geworden. 25 Prozent finden, dass Mosley zurücktreten sollte, jedoch nicht wegen dem veröffentlichten Sexvideo. 30 Prozent wollen Mosley weiter im Amt sehen, weil sie der Meinung sind, dass sein Privatleben nichts mit seiner Tätigkeit als FIA-Präsident zu tun habe.

Bei Niederlage übernimmt Interimspräsident

Sollte Mosley die Abstimmung gewinnen, wird er wohl eine "Sieger-Pressekonferenz" geben und wie geplant bis Oktober 2009 als FIA-Präsident mit stark eingeschränkter Repräsentiertätigkeit agieren. Sollte er unterliegen und sein Versprechen, zurückzutreten einhalten, würde vorübergehend der Direktor des FIA-Senats, Michel Boeri, seine Aufgaben übernehmen. Dann sollte laut FIA-Statuten in einem Zweitraum innerhalb von zwei und spätestens von vier Monaten bei einer neuerlichen Generalversammlung ein neuer Präsident gewählt werden.

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