Formel 1: Team Superfund | 04.06.2009
Der Neo-Teamchef und die Fragen der Reporter
Der künftige Superfund-Teamchef Alex Wurz stellte sich in Wien den Fragen der heimischen Journalisten, motorline.cc war dabei.
Text und Fotos: Michael Noir Trawniczek
Im Wiener Stadtpark, im kreisrunden Lokal „Pavillino“ gleich neben dem Wienfluss gaben Vater Franz und Sohn Alex Wurz gemeinsam mit dem Direktor des ägyptischen Fremdenverkehrsamtes eine Pressekonferenz – die von der Familie Wurz geleitete Firma „Test & Training“ baut in Ägypten das weltweit größte Verkehrssicherheitszentrum. Nicht nur dort, sondern quer durch alle Länder würden die Verkehrsunfälle stark zunehmen, Alex Wurz sprach von einer „besorgniserregenden Weltepidemie“, die es aufzuhalten gelte…[lesen Sie dazu am Montag einen gesonderten Bericht auf motorline.cc/Autowelt, d. Red.].
Freilich war auch Wurz klar, dass im österreichischen Medienwald das neue Projekt „Team Superfund“, dessen Bewerbung um einen Formel 1-Slot für die Saison 2010 und natürlich dessen künftiger Teamchef Alex Wurz die heißen Themen sind. Mehrmals erinnerte Wurz die kleine Reporterrunde daran, dass es zahlreiche Mitbewerber gibt und daher sämtliche Fragen im Grunde so lange Makulatur seien, bis die FIA die freien Startplätze vergeben hat und das Reglement für 2010 fixiert ist.
“Nicht nur dabei sein“
Nur, was wäre wenn das Team Superfund den Zuschlag erhalten sollte? Wie lauten dann die Ziele? Wurz sagt: „Grundsätzlich mache ich im Leben nichts, um nur dabei zu sein - wir wollen auch langfristig ein profitables, etabliertes Team erschaffen. Der Hauptgrund ist, dass Christian Baha als Investor seine eigene Marke Superfund promoten möchte, ähnlich wie es Red Bull mit seinen Teams macht. Baha sieht das als Einstiegsmöglichkeit – und er hat mich gefragt, ob ich als Teamchef seine Interessen vertreten möchte.“
Dieses Angebot sei recht kurzfristig an ihn herangetragen worden – während Baha und seine Mitarbeiter schon seit längerer Zeit an dem Projekt gearbeitet hätten, verrät Wurz. Der Niederösterreicher erklärt: „Das Medienecho hat die Geschichte ein bisschen überholt, vor allem was meine Position als Teamchef anbelangt. Die kommt erst für 2010 zum Tragen und ist noch ganz neu. Das tägliche Geschäft ist nicht meine Aufgabe.“
Den aufstrebenden Investment-Geschäftsmann Christian Baha kennt Wurz schon seit vielen Jahren: „Eigentlich seit dem Beginn meiner Karriere. Wir haben eine Zeit lang gemeinsam in Monaco gewohnt und auch gemeinsam trainiert. Ich kann auch verraten, dass ich einen Teil meines Geldes bei Superfund investiert habe.“
“Aufgezwungene Rezession“
Das Thema Geld beherrscht die Formel 1, die weltweite Wirtschaftskrise zwingt auch die „Königsklasse“ zu Sparmaßnahmen – doch noch immer sträuben sich Teams wie Ferrari gegen ein Budgetlimit. Wurz winkt ab: „Wir haben die Budgetobergrenze – das ist ein Fakt und das ist auch der Grund, warum sich die neuen Teams bewerben. Ich verfolge das quasi als Formel 1-Fan – und es ist sehr interessant, was hier passiert. Die Formel 1 untergeht einer aufgezwungenen Rezession. Man versucht, die Kosten unter Kontrolle zu bekommen. Ob das dann aufgrund einer natürlichen Marktentscheidung oder mit der Budgetkappe passiert, wird sich in den nächsten Wochen herauskristallisieren.“
Wurz hat zuletzt gegenüber britischen Medien mehrmals betont, dass die Bewerbung von Superfund auf einer seriösen finanziellen Grundlage beruht. Wäre es also für das Team kein Problem, wenn sich FOTA und FIA für 2010 auf ein Budgetlimit von 100 Millionen Euro einigen würden, ehe 2011 die geplanten 45 Millionen eingeführt werden? Wurz überlegt recht lange und sagt dann: „Es kommt nicht auf die Höhe des Budgetlimits an – es kommt eher darauf an, ob und in welcher Art und Weise du als neues Team mit einem existierenden Team kooperieren darfst. Es geht darum, wie weit diese Zusammenarbeit gehen darf.“
Kundenkooperation ist der Schlüssel
Wenn man bedenkt, dass die Mannschaft rund um Ross Brawn bereits vor mehr als einem Jahr mit der Entwicklung des heute so erfolgreichen Boliden begonnen hat, kann man verstehen, dass diese Fragen rund um den Bau der Autos wesentlich sind. Für Wurz und Superfund geht es darum, ob das neue Team von Beginn an als unabhängiger Konstrukteur agieren muss oder ob, das andere Extrem, vielleicht auch Kundenautos erlaubt sind.
Wurz sagt: „Zum Beispiel, so nehme ich an, hat ein Red Bull-Team wahrscheinlich großes Interesse daran, dass ein Konstrukteur weiterhin einem Kundenteam Autos geben darf. Weil Dietrich Mateschitz zwei Teams besitzt – und so müsste er bei einem Verbot von Kundenautos Toro Rosso mit einer wesentlich größeren und sehr teuren Infrastruktur ausstatten. Das gilt auch für neue Teams.“
Zwar streut Wurz seinem derzeitigen Teamchef Ross Brawn Rosen: „Ich kann mir bei ihm sehr viel abschauen, nicht nur als möglicher künftiger Teamchef sondern auch geschäftlich - das sind Leute, die wirklich voraussehend planen können.“ Dass Superfund mit Brawn GP kooperiert, möchte Wurz jedoch nicht bestätigen – er sagt lediglich: „Ich weiß, dass das Team Superfund eine Kooperation mit einem existierenden Team unterschrieben hat.“
Österreichische Lizenz
Bestätigen kann Wurz dafür die Frage, ob mit dem Team Superfund tatsächlich ein zweites österreichisches Formel 1-Team am Grid stehen würde: „Ich weiß, dass das Team Superfund die österreichische Lizenz gewählt und eine entsprechende Bewerbung abgegeben hat. Superfund ist eine österreichische Firma mit einem österreichischen Besitzer – da gibt es natürlich einen Österreich-Bezug.“
Klien als Kandidat?
So viel Österreich-Bezug, dass es auch einen Fahrer aus der Alpenrepublik geben könnte? Gerüchten zufolge soll Christian Klien ein heißer Kandidat für eines der Superfund-Cockpits sein. Wurz sagt dazu nur: „Für mich ist der Christian ein Teamkollege, wir treten für Peugeot gemeinsam in Le Mans an, auch wenn wir in unterschiedlichen Autos sitzen.“
Prinzipiell sei die Fahrerfrage derzeit kein Thema, sagt Wurz – auch wenn er im Scherz erzählt, dass seine Fahrerkollegen seit Bekanntgabe seines möglichen Teamchefjobs „viel freundlicher“ zu ihm seien. „Im Ernst: Die Fahrer wissen, dass es vor dem 12. Juni keinen Sinn macht, über solche Fragen nachzudenken.“
“Marketing nicht beschneiden“
Die Fahrergehälter sind von einer möglichen Budgetgrenze ausgeklammert – Wurz erzählt lachend: „Da haben wir uns extrem breit gemacht dafür, dass die Fahrergehälter ausgeklammert werden.“
Tatsächlich gibt es noch einen weiteren Grund für diesen Schritt: „Das Marketing wurde aus der Limitierung heraus genommen, denn man will natürlich das Produkt Formel 1 nicht beschneiden. Es tut der Formel 1 gut, wenn eine Firma dort Marketing betreibt und entsprechend Geld investiert. Und auch der Fahrer hat etwas mit dem Marketing zu tun – es gibt immer ein paar Fahrer, die den ‚Hot Topic’ darstellen und die werden nicht nur wegen dem schnellen Fahren mit viel Geld angelockt, sondern eben auch, weil sie ein Teil des Marketings darstellen.“
“Hoffentlich wieder mehr Tests“
Wenn die Kosten durch eine Budgetgrenze quasi „von oben“ abgeriegelt werden, könnten Maßnahmen wie eine rigorose Testbeschränkung wieder rückgängig gemacht werden. Wurz sagt: „Das diskutieren die Teams im Augenblick ziemlich heiß – ich würde hoffen, dass es wieder mehr Testfahrten gibt. Mein derzeitiger Beruf des Entwicklungspiloten ist ja vom Aussterben bedroht. Ich glaube, für junge und aber auch arrivierte Fahrer, die bereits über das Wissen verfügen, wäre es durchwegs gut, wenn wir wieder mehr Tests hätten.“ Und schließlich sollten auch die neuen Teams ausreichend Gelegenheit erhalten, ihre Fahrzeuge auszuloten.
Budgetkontrolle „selbstegulierend“
Ist es überhaupt möglich, eine Budgetgrenze respektive deren Einhaltung effektiv zu überwachen? Wurz: „Eine interessante Frage – aber das ist meistens selbst regulierend. Das ist ein Business, da sind so und so viele Leute drinnen, die wechseln auch sehr häufig. Natürlich sind deine Materialien und deine Zulieferfirmen sehr schwer zu überprüfen, beispielsweise wie viel du dort dafür bezahlst.“
Wurz bringt ein Beispiel: „Stell dir vor, du schummelst und einer deiner Mitarbeiter weiß das. Und der ist nicht happy und wechselt das Team, weil er dort mehr bezahlt bekommt. Und dort redet er dann – auf diese Weise erfährt es das andere Team. Das regelt sich also selbst. Diese ganzen Details kann man nicht in ein Reglement fassen, das reguliert sich immer selbst. Das ist auch das Schöne an diesem sehr exklusiven kleinen Zirkus – das funktioniert wirklich besser als jede Polizei das kontrollieren könnte.“
“Keiner wird aus dem Boot fallen“
Dass es am Ende zu einer Einigung zwischen FOTA und FIA kommen wird, davon ist Alex Wurz überzeugt: „Es ist eine FIA Formel 1-Weltmeisterschaft, die FIA gibt das Reglement vor. Natürlich gibt es unterschiedliche Interessen von Teams und FIA – doch zum Schluss werden sie sich einigen. Sie sitzen alle im selben Boot – zurzeit schwankt das Boot ein bisschen, aber es wird keiner aus diesem Boot herausfallen.“
Am 12. Juni soll die Entscheidung über die neuen Bewerber fallen. Mit der Firma „Test & Training“ errichtet Wurz mit seinem Vater weltweit Verkehrssicherheitszentren – dabei wird auch eng mit der FIA kooperiert. Ein Vorteil? Wurz schüttelt den Kopf: „Nein, ich glaube nicht, dass das einen Einfluss hat.“ Zudem erinnert Wurz daran, dass er im Team Superfund nicht für das Tagesgeschäft verantwortlich zeichnet. Und er sagt: „Die FIA hat mich zwar angesprochen und mich zum Thema Superfund und zum Thema Christian Baha befragt, aber das ist ein ganz normaler Prozess.“
Prozentuell könne man die Chancen auf einen der drei Startplätze für die WM 2010 nicht einschätzen, Wurz lacht: „Wenn du mich fragst, wie hoch die Chancen sind, in Le Mans zu gewinnen, dann sage ich: sie sind sehr hoch. Aber wie die FIA entscheiden wird, kann ich einfach nicht einschätzen.“
“Teamchef und Co-Kommentator unvereinbar“
Alex Wurz wäre wohl einer der jüngsten Teamchefs in der Geschichte der Formel 1 – sollte das Team Superfund den Zuschlag erhalten, würde man Wurz am Kommandostand finden. Für die ORF-Zuschauer würde das zugleich einen Verlust einbringen, denn als Co-Kommentator würde Wurz dann nicht mehr zur Verfügung stehen: „Ich glaube nicht, dass ein Teamchef seine Tätigkeit damit vereinbaren kann, dass er gleichzeitig im TV co-kommentiert.“
Dass er als Teamchef erneut selten bei seiner Familie in Monaco anzutreffen wäre, stellt für den dreifachen Vater Alex Wurz keinen Unterschied zur Gegenwart dar: „Es ist ja nicht so, dass ich sonst daheim sitzen und Nasen bohren würde – die Kinder sind es nicht anders gewöhnt und ich habe eine sehr effiziente und tolle Zeit, wenn ich zuhause bin. Natürlich ist mir das Familienleben am wichtigsten, aber ich kann auch nicht daheim sitzen und nichts tun.“