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Formel 1: Analyse

Spannendes Comeback – was passiert 2011?

Wird Michael Schumacher mit neuem Auto & Reifen wieder zu seiner alten Stärke zurückfinden? Kann er aus dem Schatten von Rosberg treten?

Michael Noir Trawniczek

Würde es einen eigenen Michael Schumacher-Kosmos geben, müsste man sagen, dass in der abgelaufenen Saison, in der er nach drei Jahren wieder in die Formel 1 zurückkehrte, alles komplett anders war als je zuvor. Und nicht nur auf der Piste…

Während die Journalisten früher nur selten mit dem siebenfachen Weltmeister sprechen durften und dabei auch darauf achten mussten, dass keine Frage ein zweites Mal gestellt wird, musste sich der 41-jährige in seiner Comeback-Saison bei den Presserunden seines Mercedes-Werksteams regelmäßig den Fragen der Reporter stellen.

Und es waren stets die gleichen, mitunter unangenehmen Fragen - im Grunde war es eine einziges „Warum?“ Und weil Schumacher bei seinen Interviews gar so entspannt wirkte, musste sich der Deutsche beispielsweise auch die Frage eines österreichischen Kollegen gefallen lassen: „Herr Schumacher, macht es wirklich noch Spaß?“

Dass Schumacher bei seiner Rückkehr autobedingt nicht um Siege kämpfen konnte, war dabei das geringste Übel. Völlig ungewohnt war, dass Schumacher bei Mercedes beinahe an jedem Grand Prix-Wochenende im Schatten seines jungen Teamkollegen Nico Rosberg stand. Selbst an vermeintlich guten Tagen waren es verlässliche drei bis vier Zehntelsekunden, die Rosberg dem Rekordweltmeister „aufbrannte“.

Warum war Rosberg schneller?

Auf Anfrage von motorline.cc hat Schumacher die Reifen als einer der Gründe genannt, welche seinem Fahrstil nicht entgegenkommen. Das Gesamtpaket hat zum Untersteuern tendiert, während Schumacher ein Auto mit Übersteuern bevorzugt.

Doch auch Nico Rosberg erklärte unlängst gegenüber Autobild Motorsport, dass ihm Untersteuern genauso wenig liegen würde.

Und auch Rosberg wusste keine Antwort auf die Frage, warum er schneller als Schumacher war: „Ich weiß es nicht. Es scheint, als sei ich mit dem Setup, mit dem ganzen Paket einfach besser zurechtgekommen. Eine Erklärung habe ich dafür aber auch nicht. Untersteuern liegt mir nicht, das ist klar. Mit der Zeit habe ich mich aber daran angepasst."

Zeitverlust in langsamen Kurven

Schumacher selbst hat seinem Naturell entsprechend ausgiebig die Telemetriedaten studiert. Während der laufenden Saison gab sich Schumacher locker und entspannt, ging aber auch nicht ins Detail.

Vor kurzem jedoch sprach Schumacher recht offenherzig über das Stallduell mit Nico Rosberg. Er sei in den schnellen Kurven schneller als Rosberg gewesen, die Zeit habe er vor allem in langsamen Kurven verloren.

Doch dies habe sich von einem Moment auf den anderen auch ändern können, dann sei Rosberg plötzlich auch in den schnellen Kurven flotter unterwegs gewesen. Schumacher nannte ein Beispiel: „Ich habe Übersteuern in der Kurve, schaue in die Daten und sehe, dass er keines hat, obwohl er vorn drei Grad mehr Flügel fährt."

Oft seien an seinem Auto Defekte aufgetreten, während jenes von Rosberg problemlos lief, verriet Schumacher. Der Auspuff sei zu heiß geworden und habe den Unterboden verbrannt, der F-Schacht habe nicht ordnungsgemäß funktioniert, immer nur seien diese Probleme an seinem Auto aufgetreten, sagte Schumacher.

Dennoch wolle er die Schuld für seine Niederlage gegenüber Rosberg nicht nur dem Team geben, fügte der erfolgreichste aller Formel 1-Piloten hinzu – die Gründe seien mannigfaltig gewesen: „Ich war drei Jahre weg. Ich bin nicht mehr 25, sondern 41. Das Auto ist ein Kompromiss. Zusammen mit der Struktur der Reifen fällt es mir schwer so zu fahren, wie ich es möchte.“

Und: „Ich bremse so spät wie möglich, versuche so viel Speed mit in die Kurve zu nehmen wie möglich. Mit diesen Reifen auf unserem Auto aber muss man Abstriche machen, und das ist nicht immer ganz einfach."

“Möchte nicht im Mittelfeld umherfahren“

Von Resignation ist aber keine Spur – bei einer Veranstaltung in der Schweiz zeigte sich Schumacher wieder extrem gut gelaunt und in höchstem Maße zuversichtlich. Der Moderator erklärte kumpelhaft: „Viele sagen es ist vorbei, der Schumi kommt nicht mehr – ich behaupte genau das Gegenteil.“ Woraufhin Schumacher lachend ein „Ich auch!“ einstreute.

Selbst die seltsam anmutende Frage „Wie wichtig ist es für Sie, mal wieder als Erster über die Ziellinie zu fahren?“ konnte Schumacher die gute Laune nicht verderben, er antwortete mit einem geduldigen Lächeln: „Was heißt wichtig? Das ist die Grundvoraussetzung, warum ich letztendlich wieder zurückgekommen bin. Ich möchte schon ganz vorne und nicht im Mittelfeld umherfahren.“

Worauf hofft Schumacher?

Worauf baut Schumacher seine Hoffnungen? Was gibt ihm die Zuversicht, dass er im nächsten Jahr mit seinem jungen Teamkollegen Nico Rosberg mithalten kann?

Prinzipiell versucht Mercedes, den neuen Wagen so zu bauen, dass er nicht mehr untersteuert, zumal beide Fahrer ein übersteuerndes Auto bevorzugen. Zudem kommt mit Pirelli ein neuer Reifenhersteller in die Formel 1.

Dass die neuen Pirelli-Reifen dem siebenfachen Weltmeister eher liegen werden, wie er hofft, ist jedoch nicht von vornherein vorauszusetzen. Letztendlich wird dies erst dann klar zu beantworten sein, wenn Schumacher und Rosberg den neuen Mercedes mit den Pirelli-Pneus zünden…

Zenit überschritten?

Kritische Gemüter sagen: Gerade dieses Einstellen auf neue Umstände war früher ein Markenzeichen von Michael Schumacher. Er gehörte zu jenen Piloten, die auch mit einem „schlechten“ oder weniger guten Auto vorne mitfahren konnten.

Dass Schumacher eine ganze Saison hinweg derart im Schatten seines Teamkollegen stand, hat es in der gesamten Karriere des Rekordpiloten nicht gegeben. Für die Kritiker ist das ein Zeichen dafür, dass Schumacher einfach bereits seinen Höhepunkt überschritten hat.

Andere wiederum erklären sich den Rückstand des Deutschen mit der heute vorherrschenden Testrestriktion. Früher hat sich Schumacher wie kein anderer mit Marathontestfahrten vorbereitet. Tausende einsame Runden auf dem Ferrari-Testgelände dienten dem Perfektionisten dazu, mit seinem Auto mehr oder weniger „zusammenzuwachsen“. Nur: Das wird er auch im kommenden Jahr nicht mehr tun können.

Prost: „Comeback nicht so schlecht“

Für sein mittelmäßiges Comeback-Jahr erntete Michael Schumacher die Kritik zahlreicher Experten. Ex-Weltmeister Alain Prost gehörte wiederum zu jenen, die weiter an Schumacher glauben.

Gegenüber dem sid erklärte der Franzose, das Comeback von Schumacher sei „nicht so schlecht“ gewesen. Und: „Ich habe immer, auch schon vor der Saison, gesagt, dass es sehr schwierig ist, nach drei Jahren Pause zurückzukommen. Für mich war es damals nach einem Jahr schon sehr schwer. Schauen wir mal, wie es im nächsten Jahr aussieht.“

Prost meinte auch, Schumacher hätte nicht schon im ersten Jahr den WM-Titel als Ziel angeben sollen, das habe die Erwartungen in die Höhe geschraubt.

Einen großen Kritiker findet Schumacher in Ex-Weltmeister Jackie Stewart. Der Schotte erklärte gegenüber ESPNF1: „Wenn er jetzt nach einem weiteren Jahr aufhört, dann muss er das als Weltmeister machen, sonst bleibt ihm nur der Abgang mit eingezogenem Schwanz."

Harte Manöver als Beweis?

Stewart übte heftige Kritik an der Fahrweise des 41-jährigen: „Dass er an jedem Wochenende von der Strecke fliegt, kann ich nicht gutheißen. Natürlich kann es hin und wieder passieren, dass man von der Strecke abkommt und nicht crasht, dennoch bedeutet es, dass er das Auto soweit überfährt, dass er eben abfliegt. Keinem der ganz großen Fahrer ist das jemals so regelmäßig passiert."

Zudem warf Stewart dem Deutschen vor, zu hart zu kämpfen. Das Manöver gegen Rubens Barrichello beim Grand Prix von Ungarn sei „gefährlich“ und ein „scheußliches Beispiel absichtlicher Schikane“ gewesen.

Die harte Art und Weise, Plätze erringen und auch verteidigen zu wollen, belegen wiederum für die treuen Schumacher-Fans, dass ihr Idol immer noch das Feuer in sich trägt und er lediglich das richtige Auto benötigt, um quasi wieder „ganz der alte“ zu werden. Seine Starts waren zudem heuer immer wieder spektakulär und kämpferisch, dabei konnte Schumacher immer wieder Plätze gutmachen.

“Wieder auf die Siegerstraße“

Schumacher selbst erklärte in der Schweiz: „Rom ist nicht an einem Tag gebaut worden. Bei Ferrari hat es fünf Jahre gebraucht, bis wir den ersten Titel eingefahren sind, bei Benetton hat es auch vier bis fünf Jahre gedauert.“

Der Mercedes-Werkspilot fügte hinzu: „Ich hoffe aber, dass wir es diesmal ein bisschen schneller hinkriegen und wir bald wieder auf der Siegerstraße sein werden. Ob wir gleich um die Meisterschaft fahren können, das steht auf einem anderen Blatt Papier.“

Auf einem anderen Blatt steht zudem auch, ob Schumacher künftig mit Rosberg mithalten respektive diesen überflügeln kann – was eine Grundvoraussetzung zur Erringung eines weiteren WM-Titels wäre.

Das große Fragezeichen

Doch auch Jackie Stewart ist sich in dieser Frage nicht hundertprozentig sicher: "Schumacher sagt, dass ihm das Auto nicht liegt. Es könnte aber sein, dass er mit den neuen Reifen nächstes Jahr schneller und besser ist. Es könnte aber auch sein, dass Rosberg wieder zuschlägt."

Eines ist jedenfalls sicher: Neben dem Kampf um die Spitze gehört das Comeback des Michael Schumacher zu den großen Spannungselementen der Formel 1-Weltmeisterschaft.

Alle fragen sich: Kann oder muss man den siebenfachen Champion bereits abschreiben? Wird er auch 2011 von Nico Rosberg vorgeführt werden? Oder kann er dank der neuen Reifen, dank des neuen Autos mit seinem jungen Stallkollegen mithalten? Wird er gar wieder zu seiner alten Stärke zurückfinden und Kreise um die Konkurrenz ziehen? Wird er seine zweite Karriere wie einst Niki Lauda mit einem weiteren Titel krönen können? Oder muss er am Ende doch einsehen, dass er keine Chance mehr gegen die junge Garde der „Königsklasse“ hat?

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