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Formel 1: Pirelli Motorsport Season 2013

Paul Hembery beantwortet die Fragen zu 2013 und 2014

Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery stellte sich in Mailand den Fragen der deutschsprachigen Medien, darunter auch motorline.cc.

Text & Fotos: Michael Noir Trawniczek

Über Paul Hembery, den Pirelli-Motorsportdirektor gibt es recht wenige Informationen zu seiner persönlichen Karriere im Internet zu finden – im Rahmen der Mediengesprächsrunde mit den deutschsprachigen Medien am Rande der großen Pressekonferenz in Mailand hat motorline.cc nachgefragt….

Gerüchten zufolge soll Hembery in frühen Tagen Rallyes absolviert haben. Doch das stimmt nicht, wie er betont: „Nein, ich war kein Rallyefahrer, ich war ein Rallyefan.“ Süffisanter Nachsatz: „Hätte ich in meiner Jugend Rallyeautos pilotiert, dann wäre ich heute gar nicht mehr hier…“

Dass es nur wenige Infos zu Hembery gibt, liegt daran, dass er seit rund 20 Jahren im Hause Pirelli tätig ist: „Ich hatte am Beginn ein paar Jahre in Frankreich und arbeitete im Bereich der Vulkanisierung und davor habe ich studiert. Doch ich bin schon mehr als 20 Jahre bei Pirelli, ich arbeite schon mehr als 20 Jahre mit Gummi, mein Leben war also geprägt von Autos und Reifen.“

Im Rahmen der Mediengesprächsrunde beantwortete Paul Hembery die Fragen der deutschsprachigen Medienvertreter, darunter auch motorline.cc

Das Ziel für die Reifengeneration 2013 ist zum einen, sie schneller auf Temperatur zu bringen, zugleich steigt der Reifenabbau – ist das die perfekte Formel für Kimi Räikkönen und Jenson Button?

Ich hoffe es. Wir wollten die Traktion in der Kurvenmitte erhöhen – wir haben schon bei unserem allerersten Test in Abu Dhabi festgestellt, dass das etwas ist, das noch fehlt. Denn das bedeutet, dass man die Struktur substantiell ändern muss. Man benötigt auch einen Test, um es evaluieren zu können.

Wenn man diese Richtung einschlägt, erhält man eine größere Auflagefläche und es wird in den Kurven mehr Energie in den Reifen geschickt – der Nebeneffekt ist, dass die Reifen mehr aufgeheizt werden. Das kann man kombinieren mit aggressiveren Komponenten und hoffentlich entsteht dabei auch ein schnellerer Reifenabbau, was es im Vorjahr nicht allzu oft gab.

Kommt das den oben genannten Piloten entgegen, die sehr gut im Reifenaufheizen sind, die einen Reifen sehr gut am Leben erhalten können?

Ich weiß nicht, ob man das solchermaßen verallgemeinern kann. Das hängt von verschiedenen Momenten ab, das hängt auch vom Entwicklungsstand ihrer Autos ab. Im Vorjahr kam es vor, dass sich jemand schwer tat, die Vorderreifen auf Temperatur zu bekommen, da gibt es keinen Zweifel.

Doch dann, im Laufe der Saison, wurde die Lage besser, weil man eine bessere Fahrzeugbalance zwischen Front und Heck gefunden hat. Am Ende des Jahres sahen wir, dass Kimi und Jenson sehr konkurrenzfähig waren.

Um wie viel größer sind die Footprints, die Auflageflächen der 2013er-Reifen?

Sie sind um zwei bis drei Prozent größer. Es ist nicht leicht, hier präzise Zahlen zu nennen, aber der Grip-Level sollte um drei Prozent steigen.

Sie haben für die neue Reifengenration die Komponenten verändert – warum?

Wenn man die letzten vier oder fünf Rennen betrachtet, mit dem negativen Reifenabbau – da hätte man mit einem Reifensatz ein ganzes Rennen bestreiten können. Und das war genau das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollten. Wir mussten also unsere Vorgehensweise überdenken, wir mussten uns überlegen, wie wir an die Saison 2013 herangehen.

Die Teams sind sehr gut darin, zu dominieren – egal, welche technische Herausforderung man ihnen auch stellten mag. Am Beginn des Jahres erscheint die Aufgabe vielleicht schwierig, doch sie sind dermaßen konkurrenzfähig, dass sie sehr bald ihre Performance optimieren und auf ein Maximallevel bringen können. Im Vorjahr ging es eben um den Reifenabbau…

Doch die Änderungen, die wir für 2013 vorgenommen haben, sind wirklich substantiell. Es sind gehörige Schritte in eine andere Richtung. Das Feedback, das wir erhalten haben – nachdem sie in Brasilien im freien Training mit der harten Mischung und den neuen Komponenten gefahren sind – war sehr klar, da waren sich die Teams einig: Das Einlenkverhalten der Vorderreifen war aggressiver und präziser, sie kamen schneller auf Temperatur, doch der Reifen hat auch schneller abzubauen begonnen.

Das waren also aggressivere Reifen, aber Brasilien ist auch ein aggressiverer Kurs. Aber wir glauben, dass wir mit den neuen Komponenten den Reifenabbau beschleunigen können, es wird eher dem entsprechen, was wir 2011 gesehen haben als dem, was 2012 vonstattenging.

Im Vorjahr hatten die Teams am Saisonbeginn ein Problem mit der Fahrzeugbalance, weil neue aerodynamische Lösungen eingesetzt wurden, der Doppeldiffusor war bereits verboten. So eine Unsicherheit wie am Beginn des Vorjahres werden wir heuer wohl nicht erleben, oder?

Ja, denn es gibt heuer keine großen Änderungen an den Fahrzeugen, es handelt sich, wenn Sie so wollen, um eine Evolution der 2012-er-Fahrzeuge. Es gibt eine solide Basis.

Wer hat eigentlich um diese Änderungen bei den Reifen gebeten? Waren es die Teams oder jemand anderer?

Das ist ein stetiger Prozess. Wir hatten Inputs wie: Zwei bis drei Boxenstopps, eine größere Herausforderung – im Vorjahr hat sich das ja im Laufe des Jahres geändert: Am Beginn war die Herausforderung zu groß, am Ende des Jahres war die Aufgabe schon wieder zu leicht. Da muss man aufpassen – und es ist eine lange Saison, 19 Rennen. In Wahrheit können die guten Teams nach acht bis zehn Rennen schon wieder dominieren.

Sie haben bei der weichen Gummimischung einige Schritte vorwärts unternommen, wie hoch schätzen sie den Zeitunterschied zwischen den verschiedenen Reifenmischungen ein?

Was wir bei den Tests gesehen haben, ist es eine halbe Sekunde. Wir haben vier verschiedene Komponenten, es sind 19 verschiedene Strecken – da ist es schwer, eine konkrete Zahl zu nennen, aber im Schnitt sollte der Unterschied zwischen den Komponenten zwischen fünf und acht Zehntelsekunden betragen. So zumindest wäre es unser Wunsch - aber es ist nahezu unmöglich, das zu garantieren. Wir werden es an den Rennwochenenden sehen.

Wenn man die verschiedenen klimatischen Voraussetzungen bedenkt, die es bei den 19 Rennen gibt, sind dann vier verschiedene Komponenten das Optimum?

Ich denke schon. Wenn Sie unsere für die Komponenten zuständigen Fachkräfte fragen würden, dann würden die natürlich sagen, dass acht bis zehn verschiedene Komponenten besser wären. So könnte man genauer den gewünschten Reifenabbau und die unterschiedlichen Performance-Level erzeugen. Doch dann würde man wahrscheinlich bei den vier Bezeichnungen der Komponenten - supersoft, soft, medium und hard - bleiben und jeweils eine zweite Mischung anbieten.

Glauben Sie, dass die Teams die Reifen heuer schneller verstehen werden als im Vorjahr? Ist der Unterschied zwischen den Reifen aus dem Vorjahr größer als er es zwischen 2010 und 2011 war?

Was wir nicht beeinflussen können, ist die Aerodynamik – der Reifen hat um zehn Prozent weniger Deformation, was sich auf den Luftfluss am Heck auswirkt. Wir müssen aber bedenken, dass die Teams genügend Zeit hatten, das zu verstehen. Das sollte schon eine gewisse Auswirkung haben. Aber wir sind keine großen Aerodynamik-Experten und wir werden das besser verstehen, wenn wir sie auf der Strecke sehen.

Die neuen Komponenten werden sicher nicht so einfach zu verstehen sein, auch der Reifenabbau und unsere aggressivere Herangehensweise dabei sollten eine Herausforderung für die Teams darstellen, das wird ihnen am Saisonbeginn sicherlich Kopfzerbrechen bereiten. Die Fahrer allerdings sind bereits daran gewöhnt, über den Reifenabbau nachzudenken…

Meinen Sie mit einer aggressiveren Herangehensweise, dass sie zum Beispiel statt soft und medium nun soft und supersoft wählen?

Die Komponenten an sich sind aggressiver und es stimmt, auch unsere Vorgehensweise wird anders sein. Was im Vorjahr hard und medium war, könnte heuer medium und soft sein. Ich gehe nicht davon aus, dass wir heuer die gleiche Wahl bei den Komponenten treffen werden wie im Vorjahr.

Um wie viele Runden wird man weniger fahren können?

Wir versuchen, rund 100 Kilometer zu erreichen – so kommt man am ehesten auf drei Boxenstopps. Der Performanceverlust soll letztendlich solchermaßen eintreten, dass es sich auszahlt, einen Boxenstopp einzulegen.

2014 kommt eine komplette neue Formel 1: Viel weniger Downforce und viel mehr Belastung auf dem Heck. Bislang gibt es noch keine Reifenausrüster-Verträge für 2014 – was ist der spätestmögliche Zeitpunkt, ob als Alleinausrüster oder als Mitbewerber, um einen ordentlichen Job für 2014 erledigen zu können?

Sie wissen, wir haben eine signifikante Anzahl an Mitarbeitern – wir müssen es also im ersten Quartal dieses Jahres wissen. Wir müssen wissen, ob wir weitermachen – denn wir haben auch viele Mitarbeiter mit Familien und sie müssen wissen, wie es um ihren Job steht. Und es müssen ja auch die Teams wissen, welche Reifenmodelle eingesetzt werden, denn es sind ja signifikante Regeländerungen für 2014 vorgesehen.

Würden Sie ab 2014 weiterhin die Rolle des Alleinausrüsters bevorzugen oder würden Sie Konkurrenz begrüßen?

Diese Entscheidung treffen nicht wir, das entscheidet Bernie Ecclestone. Ich persönlich habe nichts gegen Wettbewerb, das ist stimulierend. Aber wenn man die Weltmeisterschaft als Ganzes betrachtet, würde das natürlich die Kosten erhöhen – zugleich muss man bedenken, dass sich viele Fans nur die Namen der Piloten merken und dass sich viele nicht einmal an das Auto erinnern, mit dem gefahren wurde.

Um wie viel höher wären die Kosten in einer Konkurrenz-Situation? Wären sie doppelt so hoch?

Das ist schwer zu sagen – doch sie wären um einiges höher…

Wie können Sie sich auf 2014 vorbereiten, ohne ein Auto zur Verfügung zu haben?

Mit dem Simulator.

Wäre es künftig möglich, dass man beispielsweise die Schichten der Reifen einfärbt, um so bereits von weitem zu erkennen, wie hoch der jeweilige Abbau ist?

Das wäre schwierig, denn die Schichten sind nicht so eindeutig, das würde ein ziemliches Durcheinander geben…

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