
Formel 1/Rallye: Kommentar | 13.12.2013
Motorsport darf nicht zur Lotterie werden
In der Formel 1 und auch in der Rallye-WM möchte man mit dubiosen Regeländerungen die Spannung erhöhen. Der Sport wird so mit Füßen getreten…
Doppelte Punkte beim Finale – das machen sonst nur Rallye-Rennserien, die befürchten, beim Finale würden keine Teams mehr antreten. Dass es nun auch die Formel 1 tut, ist wohl nur die erste von vielen Verzweiflungstaten, die da noch kommen werden…
Warum Verzweiflung? Ganz einfach: Jeder Seriensieger schadet einer Rennserie. Aus den anfänglichen Lobgesängen werden nach ein paar Jahren des Dauersiegens langsam aber sicher Abgesänge, oder, viel schlimmer, die Berichte werden kleiner und weniger – weil es niemanden mehr interessiert. Schon bei Schumacher hat man vieles probiert: Einzelzeitfahren als Qualifying (Hoffnung auf Wetterumschwünge und bunte Startaufstellungen), neuer Punktemodus, Stallorderverbot, usw.
Dieses Jahr, mit dieser unglaublichen Überlegenheit von Vettel und Red Bull Racing in der zweiten Saisonhälfte, hat den Entscheidungsträgern ganz und gar nicht geschmeckt, weil sie alle, mehr oder weniger direkt, am Kuchen beteiligt sind. Ein Weltmeistertitel soll beim Finale vergeben werden – nicht fünf Rennen vor Saisonschluss.
Blöd nur, dass Vettel und RBR heuer auch mit dem neuen Punktesystem vorzeitig Weltmeister geworden wären. Dafür wäre ein Jochen Rindt mit dem neuen System nicht posthum Weltmeister geworden…
Das neue Strafpunktesystem besagt, dass der Pilot beim Erreichen von zwölf Strafpunkten ein Rennen aussetzen muss. Damit hat man sich einen möglichen Supergau selbst eingebrockt: Dann nämlich, wenn ein Titelkandidat, womöglich einer, der seine Siege gerne mit Donuts feiert und dafür fleißig Strafpunkte sammelt, vor dem Finale aussetzen muss. Was machen wir denn dann, liebe FIA-Granden?
In der Rallye-WM feiert Volkswagen mit dem meisten Budget und dem nach dem Abgang von Sebastien Loeb allerbesten Piloten (Sebastien Ogier hat schließlich in der gleichen Schule gelernt) Seriensiege – und 2013 scheint nur der Anfang einer ebenfalls endlosen Siegesserie zu sein. Die WRC hat zuvor schon neun Loeb-Titel in Folge einstecken müssen – sie ist bereits abgewirtschaftet und medial nur noch eine Randnotiz. Schade um diesen wunderschönen Sport – und es ist, am Rande gesagt, ein schlechter Witz, wenn sogar langjährige Rallyefreunde auf einmal glauben, man müsse künftig Rallycross betreiben, weil das für die Zuschauer einfacher sei…
Die Verzweiflung der WRC-Macher ist dermaßen groß, dass man sogar erwägt hat, auf der letzten Sonderprüfung zwischen dem Erst- und dem Zweitplatzierten den Sieg auszumachen, selbst wenn der Zweitplatzierte ganze Minuten zurück lag, wie es heuer manchmal der Fall war.
Jetzt hat man das eben erst eingeführte Qualifying für Schotterrallyes wieder abgeschafft, weil man es dem WM-Leader schwer machen möchte. Ein Hin und ein Her, ein Zickzackkurs, der entweder auf völlige Inkompetenz oder eben katastrophale Verzweiflung rückschließen lässt. Da wir an das Gute im Menschen und damit auch an das Gute im Funktionär glauben (möchten), gehen wir von Verzweiflungstaten aus.
Diese Verzweiflungstaten sind dann jedoch untragbar, wenn damit der Sport, wenn damit Rennserien mit den Füßen getreten werden. Unvorstellbar, würde sich ein Fußball-Offizieller auch nur annähernd radikale Regeländerungen auch nur auszusprechen trauen, man würde ihn steinigen.
Denn oft sorgen die Verzweiflungstaten nicht für mehr Chancengleichheit, sondern für das Gegenteil, für eine völlige Verzerrung des Wettbewerbs. Auch wenn Titelserien langweilig und geschäftsschädigend sind: Motorsport darf nicht zu einer Lotterie werden.