Formel 1: Analyse | 29.01.2014
Doppelte Punkte erhitzen die Gemüter
Beim Abu-Dhabi-Rennen doppelte Punkte zu vergeben, sorgt weiterhin für großen Unmut, die Reaktion der Fans wurde falsch eingeschätzt.
In der Winterpause überraschte der Automobilweltverband FIA mit einer ungewöhnlichen Regeländerung für die Formel 1. Um die Spannung am Ende der Saison aufrecht zu erhalten, indem – idealerweise – der Kampf um die WM-Krone bis zum Saisonfinale offen gehalten wird, wurde beschlossen, beim letzten WM-Lauf doppelte Punkte zu vergeben. Der Sieger des Grand Prix von Abu Dhabi erhält 2014 also gleich 50, nicht die üblichen 25 Punkte.
Diese Regeländerung sorgte von Beginn an für Kontroversen und kommt vor allem bei den Fahrern nicht gut an. "Meiner Meinung nach Unsinn", sagt Sebastian Vettel darüber. "Ich verstehe nicht warum ein Rennen überbewertet sein soll. Ich verstehe den Hintergrund nicht. Das ist ja, als würde man beim Fußball sagen, in den letzten fünf Minuten zählt das Tor doppelt", bringt der Weltmeister ein sehr anschauliches Beispiel.
Auch Nico Rosberg hat zu den doppelten Punkten beim Saisonfinale eine klare Meinung: "Es ist nicht gut. Aber so ist es nun einmal", zuckt der Mercedes-Pilot mit den Schultern. Sein Chef Toto Wolff, der als Mitglied der Strategiegruppe der Formel 1 an der Ausarbeitung dieser Regel beteiligt war, erklärt, wie es dazu kam: "Wir haben es hoch und runter diskutiert, und der Grund war einfach, dass die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren nicht so wie erwartet waren", gibt der Mercedes-Motorsportchef völlig offen zu Protokoll.
"Darum haben wir diskutiert, wie wir das Interesse bis zum Ende des Jahres aufrecht halten können", so Wolff. Allerdings muss der Österreicher zugeben, dass er und seine Kollegen die Reaktion der Öffentlichkeit auf diesen Eingriff ins Regelwerk vollkommen falsch eingeschätzt haben. "Ich denke, dass wir den Shitstorm danach in der Form nicht erwartet haben. 99 Prozent unserer Fans und Zuschauer haben gesagt, dass es falsch war", so Wolff. "Vielleicht sollten wir da nochmal draufschauen."
Für dieses Jahr wird allerdings zunächst einmal nicht mehr an dieser Regelung gerüttelt. "Wir hatten ein weiteres Strategiemeeting und haben entschieden, es erst einmal beizubehalten. Die Diskussionen gehen weiter", so Wolff. "Es gibt einige Gründe dafür: Wenn wieder ein Team dominiert, dann bringt man so etwas Würze in das Ende hinein. Und wenn die Zuschauerzahlen fallen – was sie derzeit tun – dann müssen wir Dinge ausprobieren", gibt der Wiener kommerziellen Interessen sportlichen ganz klar den Vorzug.
Sein Kollege Christian Horner teilt diese Meinung nur bedingt. Nach Ansicht der RB-Racing-Teamchefs sei ein Eingriff nicht unbedingt notwendig gewesen. "Ich kann verstehen, dass Sporthoheit die Meisterschaft bis zum Ende offen halten möchte, aber das war in den vergangenen vier Jahren auch unter den vorherigen Regeln zwei Mal der Fall", gibt Horner zu bedenken. Außerdem stört den Briten, dass nur ein Rennen auf diese Weise in seiner Bedeutung herausgehoben wird. "Vielleicht wäre es besser, nicht nur das letzte Rennen zu nehmen sondern die letzten drei. So hat es etwas von einer Lotterie."
Rosberg hingegen glaubt, dass sich das öffentliche Urteil über diese Regel im Laufe des Jahres noch ändern könnte. "Wenn man zum letzten Rennen kommt und es durch diese Regelung noch spannend bleibt, dann werden die Zuschauer gespannt vor dem Fernseher sitzen und glücklich darüber sein", so Rosberg. "Jetzt sitzen wir alle hier und sagen, dass es scheiße ist und zu künstlich ist, aber vielleicht hält es die Dinge bis zum Ende spannend."
Bloß eben künstlich spannend – genau wie Tore, die plötzlich doppelt zählen ...