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Analyse: Darum musste de Vries gehen Die Formel-1-Karriere von Nyck de Vries ist vorerst vorbei
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Analyse: Warum Red Bulls Geduldsfaden bei Nyck de Vries kürzer war

Nur zehn Rennen bekam Nyck de Vries Zeit, um sich bei AlphaTauri zu beweisen, doch es gab einige Faktoren, die gegen den Niederländer sprachen

Die Entlassung von Nyck de Vries nach nur zehn Formel-1-Rennen für AlphaTauri scheint selbst für Red-Bull-Verhältnisse ziemlich hart zu sein. Aber die Verpflichtung von Daniel Ricciardo deutet darauf hin, dass mehrere Faktoren im Spiel sind.

Jedes andere Team, das seinen Rookie-Fahrer nach weniger als einer halben Saison entlassen hätte, hätte in der Formel 1 für großes Aufsehen gesorgt.

Dass der Rauswurf von De Vries aus Red Bulls zweitem Team AlphaTauri aber fast schon mit einem Gefühl der Unvermeidlichkeit aufgenommen wurde, spricht Bände über die notorische Geduldslosigkeit des Unternehmens - und insbesondere seines Beraters Helmut Marko -, wenn einer seiner Fahrer nicht liefert.

Es gibt genügend Beispiele dafür, dass Red Bull seine Youngster an die kurze Leine nimmt. Daniil Kwjat hielt es in seiner zweiten Saison 2016 nur vier Rennen bei Red Bull aus, bevor er mit Max Verstappen von Toro Rosso ausgetauscht wurde.

In diesem Fall wurde der Tausch von Red Bull damit gerechtfertigt, dass der Niederländer gleich das nächste Rennen gewann und zu einem dominanten Faktor in der Formel 1 wurde. Pierre Gasly und Alexander Albon hatten hingegen vielleicht mehr Grund, sich zu ärgern als Kwjat.

Gaslys Beförderung von Toro Rosso zu Red Bull dauerte 2019 nur zwölf Rennen, bevor er nach Faenza zurückgeschickt wurde. Auch sein Ersatzmann Alexander Albon hatte Schwierigkeiten, sich in dem um Verstappen aufgebauten Team und Auto zurechtzufinden und wurde nach anderthalb Saisons komplett fallen gelassen.

Während Gasly und Albon vielleicht zu Recht das Gefühl hatten, in ihrer kurzen Zeit im Hauptteam verheizt worden zu sein, ist Yuki Tsunoda ein seltenes Beispiel für Red Bulls aufbauende Geduld.

Auch Honda-Schützling Tsunoda hatte in seinem Debütjahr mit mangelnder Konstanz zu kämpfen, doch er erhielt die nötige Unterstützung und nach seinem Umzug von Großbritannien nach Faenza konnte der junge Japaner seine blitzschnelle Geschwindigkeit in eine stabilere Präsenz umwandeln.

Er erhielt zwei aufeinanderfolgende Vertragsverlängerungen und wird nun von einigen seiner Kollegen als einer der herausragenden Fahrer für die Saison 2023 angesehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Rauswurf von De Vries noch einmal besonders hart. Nach einem holprigen Start in seine Formel-1-Karriere hatte der Niederländer langsam aber sicher den Rückstand auf Tsunoda aufgeholt, während er mit dem leistungsschwachen AT04 von AlphaTauri ein schlechtes Blatt in der Hand hatte.

Das Auto für 2023 enttäuschte bei seiner Präsentation so sehr, dass Teamchef Franz Tost in Saudi-Arabien sogar sein eigenes technisches Team kritisierte und sagte, er habe kein Vertrauen mehr in seine Ingenieure, nachdem sie ein Auto abgeliefert hatten, das hinter den Prognosen der Vorsaison zurückblieb.

Warum also jetzt?

Wenn Red Bull weiß, dass sie De Vries ein schlechtes Auto gegeben haben und es keinen Nachschub an Red-Bull-Junioren a la Verstappen zu geben scheint, die ihn ersetzen könnten, warum dann jetzt der Wechsel?

Zum einen hatte Red Bull gehofft, dass De Vries aufgrund seiner großen Erfahrung sofort in der Formel 1 erfolgreich sein würde. Zwar war er nicht die erste Wahl des Teams - das war IndyCar-Star Colton Herta, der keine Superlizenz bekam -, aber seine beeindruckende Vorstellung für Williams beim Grand Prix von Italien 2022 beeindruckte Marko genug, um ihm den Platz anzubieten.

Und während Tsunoda bei seinem Debüt in der Saison 2021 noch sehr unerfahren war, da er erst zwei Jahre zuvor aus Japan nach Europa gekommen war, konnte De Vries einen beeindruckenden Lebenslauf vorweisen.

Nach Titeln in der Formel 2 und der Formel E war der damals 27-Jährige auch Test- und Simulatorfahrer bei Mercedes. Marko und AlphaTauri hofften, dass seine große Erfahrung der Entwicklung des Autos zugute kommen und de Vries' Lernkurve verkürzen würde.

Das erklärt zum Teil, warum Markos Geduldsfaden noch dünner war als sonst.

Der Perez-Faktor

Dass sich Red Bull für den 34-jährigen Ricciardo und gegen seinen Super-Formula-Schützling Liam Lawson entschied, lässt aber auch auf andere Faktoren schließen.

Denn obwohl Ricciardo nach seinem schmerzhaften Abschied von McLaren und der anschließenden Pause eindeutig das Feuer für ein Comeback verspürte, ist es unwahrscheinlich, dass der achtfache Grand-Prix-Sieger mitten in der Saison einer Rückkehr zum angeschlagenen AlphaTauri-Team zugestimmt hätte, wenn er nicht einen größeren Preis im Auge gehabt hätte.

Die Rückkehr des Australiers wurde nach einem angeblich beeindruckenden Pirelli-Test in Silverstone am Dienstag bei seinem ersten Einsatz im Red Bull RB19 bestätigt, wobei Red Bull ausdrücklich erklärte, dass er nach Faenza "ausgeliehen" sei.

Teamchef Christian Horner sagt: "Es ist großartig zu sehen, dass Daniel während seiner Rennpause nicht an Form verloren hat und dass die Fortschritte, die er in den Simulationen gemacht hat, auch auf der Strecke zu sehen sind."

"Seine Zeiten beim Reifentest waren sehr konkurrenzfähig. Er ist sehr beeindruckend gefahren und wir sind gespannt, was der Rest der Saison für Daniel als Leihgabe bei AlphaTauri bringen wird."

AlphaTauri ist vielleicht keine schlechte langfristige Perspektive für Ricciardo, da sich das Team unter dem neuen CEO Peter Bayer und Teamchef Laurent Mekies von einem reinen Nachwuchsteam wegbewegt.

Aber es fällt schwer, Ricciardos Rückkehr nach Faenza, dem Team, für das er 2012 und 2013 fuhr, nicht als Vorsprechen für einen Platz bei Red Bull zu sehen.

Verstappens Teamkollege Sergio Perez startete gut in die ersten Rennen der Saison 2023, doch seine Form ließ nach, nachdem Verstappen ihn beim Grand Prix von Miami im Mai von weit hinten überholt hatte. Nachfolgende Fehler führten dazu, dass Perez bei fünf Rennen in Folge das Q3 verpasste, was Verstappen sechs Siege in Folge und einen Vorsprung von 99 Punkten einbrachte.

Während das Fehlen eines konstanten zweitschnellsten Teams es Perez ermöglichte, Zweiter in der Weltmeisterschaft zu bleiben, ist es klar, dass die Aussichten auf die Konstrukteursmeisterschaft nicht so rosig gewesen wären, wenn Red Bull nicht den Vorteil gehabt hätte, den es jetzt mit dem dominanten RB19 hat.

Wenn das Team ernsthafte Konkurrenz bekommt, braucht Red Bull wieder einen zweiten Fahrer, der Verstappens Siege mit regelmäßigen Podestplätzen ergänzen kann. Schließlich hat man aus diesem Grund Gasly und Albon entlassen und den Mexikaner überhaupt erst verpflichtet.

Vielleicht wurde Tsunoda nicht als glaubwürdiger Herausforderer für Perez' Platz ab 2024 wahrgenommen, aber Ricciardos überraschende Rückkehr könnte als Möglichkeit gesehen werden, Perez zu zeigen, dass er sich verbessern muss, sonst ...

Sollte der Ricciardo-Versuch scheitern, könnte dies immer noch den Weg für Lawson ebnen, der nach einem ordentlichen Winter der Vorbereitung zum Zug kommen könnte. Ohne ihn im AT04 zu verheizen und vielleicht mit einem Super-Formula-Titel in der Tasche.

Es gibt wenig Zweifel daran, dass Ricciardo das erste Szenario vor Augen hat. Perez hat nun zwölf Rennen Zeit, um zu verhindern, dass es auch Red Bull so geht.

Motorsport-Total.com

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