Formel 1: Exklusiv | 30.01.2006
"Der nächste Schritt ist das Podium!"
Christian Klien im motorline.cc-Talk, Teil 1: Über den RB2, den V8, dessen Auswirkung auf den Fahrstil und die Fahrerrotation.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Robert May
Das Fahrerlager des Circuit de Catalunya. Vom Parkplatz schlendert Christian Klien in Richtung Red Bull-Station. Dort, auf dem Parkplatz, steht sein Wohnmobil neben jenen von Jacques Villeneuve, David Coulthard und Jenson Button. Diese Vier wollen heuer an den GP-Wochenenden dem Campingleben frönen. Christian Klien wirkt gestärkt, strahlt eine angenehme innere Ruhe aus.
Kein Wunder - im vorletzten Rennen holte er mit Startplatz 4 sein bestes Quali-Resultat und mit Platz 5 beim Saisonfinale in China bestätigte er sein bislang bestes Rennergebnis. Red Bull Racing hat ihn im vergangenen Jahr einer harten Prüfung unterzogen, er hat sich das Vertrauen und den Fixplatz im zweiten Red Bull-Ferrari erkämpft und das Team zeigte nicht nur mit der Verpflichtung von Stardesigner Adrian Newey, wie ernst man es meint. Die ebenfalls ernsthaften Kinderkrankheiten des RB2 bereiten Klien kein großes Kopfzerbrechen, jetzt vertraut er auf das Team.
motorline.cc traf Christian Klien am Abend vor seinem geplanten Test-Einsatz (leider war nach einer Installationsrunde wegen des Schneefalls Schluss) - die Tage zuvor haben Robert Doornbos und David Coulthard mit dem RB2 ihre Runden gedreht...
Christian, ihr habt euch bei diesem Test kontinuierlich gesteigert - aber das Überhitzungsproblem am RB2-Ferrari besteht weiterhin?
Christian Klien: Ja, dieses Problem ist immer noch vorhanden. Wir können derzeit nicht mehr als zwei, drei Runden am Stück fahren, weil sonst der Motor überhitzt. Wir erhalten ein neues Aerodynamik-Update Anfang Februar und bis dahin haben wir diese Hitzeprobleme. Aber obwohl wir nicht mehr als zwei, drei Runden fahren können, hat man trotzdem bereits Fortschritte gesehen, die Rundenzeiten werden besser und besser. Dennoch gibt es da noch einiges an Arbeit, bis wir das Auto dort haben, wo wir es haben wollen.
Wegen dieser Probleme wird dann wahrscheinlich auch nur ein Auto hier sein, oder?
Christian Klien: Ja, das andere ist in England, das baut man gerade zusammen, das wird dann im Februar eingesetzt.
Das heißt, ihr müsst die Longruns dann alle im Februar nachholen...
Christian Klien: Ja, jetzt können wir sie ja leider nicht durchführen.
Blicken wir zurück auf die letzte Saison - Du hast das letzte Jahr mit tollen Platzierungen abgeschlossen...
Christian Klien: Ja, so ab der Mitte der Saison kam die Kugel ins Rollen. Beim Qualifying von Brasilien habe ich den sechsten Platz geholt - am Ende, bei den letzten beiden Rennen holte ich in Suzuka den vierten Startplatz und in Shanghai wurde ich Fünfter. Das hat dann schon gepasst, ja.
Der nächste Schritt wäre dann das Podium, oder?
Christian Klien: Ja sicher, das nächste Ziel ist sicher, einmal ein Podium einzufahren. Aber wie gesagt: Wir haben noch einen Haufen an Arbeit vor uns, bis wir so weit sind. Das Auto ist im Moment noch nicht so, wie wir uns das vorstellen. Es hat natürlich ein großes Potential, aber da ist sicher noch einiges zu erledigen. Vom Team, aber auch von mir selber ist es sicher ein erklärtes Ziel, in diesem Jahr auf das Podium zu gelangen.
Ich muss nochmal auf das Hitzeproblem am RB2 zurückkommen. Was genau ist denn da schief gelaufen? Wie kann so ein arger Fehler passieren?
Christian Klien: Was es genau ist, da bin ich auch überfragt. Was ich weiß ist, dass die Seitenkästen zu eng ausgelegt wurden, sie zu klein geraten sind. Es strömt nicht genügend Luft durch, um den Motor ausreichend zu kühlen. Da ist in der Designabteilung etwas schief gelaufen und da arbeitet man jetzt sieben Tage, sieben Nächte in der Woche und 24 Stunden am Tag durchgehend daran, dieses Problem zu lösen - sodass wir am 2. Februar bei den Testfahrten mit dem verbesserten Modell loslegen können.
Als ich den Wagen sah, erinnerte er mich sofort an eine Wespe - so eng wirkte seine Taille. War das also doch zu viel des Guten, wie stark muss der RB2 retuschiert werden?
Christian Klien: Ja, das war ein bisschen zu viel des Guten. Sicher werden die Seitenkästen jetzt neu entworfen - aber ansonsten wird das Auto schon noch dem Erstdesign ähnlich sein.
Und der Ferrari-Achtzylindermotor? Kannst du schon sagen, wie sich der anfühlt?
Christian Klien: Ja, der fühlt gut an. Er ist auch standfest, hat bis jetzt eigentlich immer sehr gut funktioniert. Mit dem Motor hat es bis jetzt eigentlich keinerlei Probleme gegeben. Und einen direkten Vergleich zum letzten Jahr kann man nicht anstellen, denn im letzten Jahr waren wir ja mit einem V10 unterwegs. Und der V8, den wir jetzt einsetzen, hat rund 200 PS weniger.
Wie stark spürst du diese fehlenden 200 PS?
Christian Klien: Das fühlt sich total anders an. Aber der Motor selbst funktioniert so weit wirklich sehr gut.
Manche Fahrer sagen, dass das Fahren jetzt leichter sei - oder nicht so aufregend. Der Olivier Panis vermisst noch immer die Power, obwohl er schon seit dem Sommer mit dem V8 fährt.
Christian Klien: Naja. Es ist schon ein Rückschritt. Die Rundenzeiten sind über drei Sekunden langsamer als im Vorjahr. Aber wenn die Entwicklung in der Formel 1 so schnell ist, dass man am Ende des Jahres fast schon wieder auf dem selben Level ist und die gleichen Rundenzeiten fährt wie im letzten Jahr, dann muss immer mal eine Einschränkung vorgenommen werden - so wie das jetzt mit dem V8 der Fall ist. Sicher ist es ein biss'l anders zu fahren, aber ich glaube, man gewöhnt sich daran. Aber eines sollte man dabei nicht vergessen: Die Autos sind immer noch sehr, sehr schnell.
Andere Fahrer sagen ja, dass es mit dem V8-Motor sogar schwieriger wurde - weil der vom Drehmoment her einen Fehler nicht so leicht verzeihen würde.
Christian Klien: Ja, das stimmt schon irgendwie. Es ist eigentlich nur ein ziemlich schmales Band, in dem der Motor die richtige Drehzahl hat. Sobald du da unter diesen Bereich kommst, durch einen Fahrfehler, verlierst du natürlich noch mehr Zeit. Weil auch der Motor nicht so aggressiv ist wie der V10. Darum musst du auch versuchen, noch sauberer zu fahren, mit noch weniger Fehlern - um einfach immer in diesem Drehzahlfenster zu sein.
Kommt dir das entgegen?
Christian Klien: Ich glaube, dass man eher einen runden Fahrstil braucht - so wie in der Formel 3 zum Beispiel. Und dass sich die jungen Fahrer da doch ziemlich schnell anpassen können. Wobei in der Formel 1 natürlich kein einziger Nasenbohrer dabei ist - jeder von den Piloten kriegt diese Anpassung ziemlich schnell zustande.
Du bist im Unterschied zum letzten Jahr Stammpilot - das ist sicher ein ganz anderes Gefühl und man kann ganz anders an die Sache rangehen, oder?
Christian Klien: Doch, komplett. Man kann sich total anders auf die komplette Saison einstellen. Man kann die Vorbereitungen über den Winter viel intensiver gestalten, weil man einfach genau weiß, was im kommenden Jahr passiert. Man hat nicht diese Fragen im Hinterkopf wie zum Beispiel: Wie viele Rennen fahre ich in der kommenden Saison?
Die Fahrerrotation. Bist du jetzt im Nachhinein dem Dr. Marko dankbar, weil sie dich hochgepuscht hat oder hättest du dich ohne Rotation genauso gesteigert?
Christian Klien: Das war ja nicht der Dr. Marko alleine, der das entschieden hat. Das war generell eine Teamentscheidung, das war eine Entscheidung von Red Bull. Aber man wollte eben dem Tonio [Liuzzi, d. Red.] und mir jeweils die gleiche Chance geben - in dem Fall bin ich jedoch besser ausgestiegen, weil ich doch die meisten Rennen gefahren bin und das Team mir gezeigt hat, dass es das Vertrauen in mich hat. Sicher war es mental viel anstrengender, weil man einfach Gedanken im Hinterkopf hatte wie: 'Wenn ich in dem Rennen einen Fehler mache, kann es sein, dass ich beim nächsten Rennen nicht mehr dabei bin.' Die Rotation hat uns beiden nicht wirklich weiter geholfen, denke ich. Wenn jeder von uns eine ganze Saison gehabt hätte, dann hätte sich jeder von uns noch weiter entwickelt.
Teil 2 des Gesprächs mit Christian Klien finden Sie in der Navigation rechts!