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Teil 4: Die Elektronik
Ab Silverstone 2003: Verbot der elektronischen Fahrhilfen
Ab dem GP von England sind die elektronischen Fahrhilfen wie Traktionskontrolle, Starthilfe und automatische Getriebe verboten. Die Bedeutung der hohen Fahrkünste wird also wieder größer werden.
Fraglich bleibt nur, ob und wie die FIA dies zu kontrollieren gedenkt. Das Kurzzeit-Comeback der teuren und hochgezüchteten Systeme fand ja gerade deshalb statt, weil es immer wieder zu Verdächtigungen kam, dieses oder jenes Team verwende unerlaubte Software.
Die FIA soll aber neuartige Geräte entwickelt haben, mit denen eine Kontrolle nun möglich sein soll...
History: Ihren Höhepunkt erlebt die Elektronik 1993
Der Siegeszug der Elektroniksysteme in der F1 setzt relativ spät ein. Erst ab Mitte der 80er-Jahre spielt der Computer eine immer dominantere Rolle in der Formel 1. Williams und Lotus entwickeln die aktive Radaufhängung, bei der mittels Sensoren alle fahrdynamischen Infos gesammelt werden und das Fahrwerk in Sekundenbruchteilen mittels Hydrauliksystem den Erfordernissen angepasst wird.
Ende der 80er-Jahre gelingt Ferrari-Technikchef John Barnard mit seinem halbautomatischen Getriebe ein Geniestreich. 1993 der vorläufige Höhepunkt des Elektronik-Siegeszugs: Williams-Pilot Alain Prost holt mit Traktionskontrolle, aktiver Radaufhängung, halbautomatischem Getriebe und ABS den WM-Titel.
Dann macht die FIA den großen Schnitt: ab der Saison 1994 sind elektronischen Fahrhilfen - sprich Traktionskontrolle, aktive Radaufhängung oder ABS - verboten.
Den Superhirnen in den Technikabteilungen der Teams gelingt es freilich immer wieder, das FIA-Reglement auszutricksen, heute ist es ein offenes Geheimnis, dass in den letzten Jahren - gerade was die Traktionskontrolle betrifft - fest geschummelt wurde. Darum letztendlich auch die Wiederzulassung dieser elektronischen Fahrhilfe ab dem Spanien-GP 2001.
Und jetzt also wieder das Verbot ab dem GP von England 2003. Eine kostspieliger Zickzackkurs - die Teams dürfen ihre teuren Geräte nach der ersten Saisonhälfte wieder verschrotten...
Derzeit noch aktuell: So funktioniert die moderne F1-Elektronik...
Klein, aber fein: die Black Box, ein unscheinbares schwarzes Kästchen, ist das Herzstück jedes F1-Boliden. Im Seitenkasten untergebracht, überwacht und steuert sie fast alle wichtigen Funktionen des Autos. 16MB an Daten können in der Black Box pro Sekunde verarbeitet werden - ist auch notwendig, wenn man die Vielfältigkeit der Aufgaben bedenkt, die sie übernimmt:
- Motormanagement: alle V10-Aggregate verfügen über eine pneumatische Ventilsteuerung. Durch Regulierung von Einspritzmenge und Zündzeitpunkt wird die Leistung des Motors gesteuert, die Ende ´93 verbotene Traktionskontrolle lief großteils übers Motormanagement;
- Gas-Drosselsteuerung oder fly-by-wire-System: ersetzt das mechanische Gasgestänge der Vergangnenheit, die Drosselklappe reagiert je nach Programmierung schneller oder langsamer auf die mechanische Bewegung des Gaspedals;
- halbautomatisches Getriebe: die Gänge rasten per hydraulischem Auslöser ein, sobald die Wippe am Lenkrad vom Fahrer betätigt wird, der Fahrer muss die Kupplung zum Gangeinlegen nicht betätigen.
2001: So kam es zum Comeback der elektronischen Fahrhilfen
In den letzten Jahren war sie immer nur ein Thema, wenn ein Team das andere beschuldigt hat, sie illegalerweise zu verwenden - die Rede ist von der Traktionskontrolle, Anfang der 90er-Jahre das Wundermittel, um ein Durchdrehen der Räder zu verhindern, ab Ende ´93 dann verboten, um die Fahrer-WM zu keinem Kräftemessen der Software-Spezialisten verkommen zu lassen, wie es FIA-Boss Mosley ausdrückte.
Aufgrund der Unmöglichkeit, die Einhaltung des Traktionskontrollen-Verbotes lückenlos zu überwachen (und den daraus resultierenden ewigen gegenseitigen Schummelvorwürfen), hat die FIA auf Initiative der Teams beschlossen, die Traktionskontrolle (voraussichtlich) ab dem Spanien-GP wieder zu gestatten, knüpft dies jedoch an Bedingungen:
Zum einen soll die "Technical Working Group", der die Technikchefs aller Teams angehören, ein Reglement-Konzept erstellen, das eine Situation wie Anfang der 90er-Jahre - sprich ein Überhandnehmen der Elektronik in der F1 - verhindert. Außerdem wünscht die FIA die Ausarbeitung eines elektronisch gestützten Sicherheits-Konzeptes.
Während etliche Fahrer in der Traktionskontrolle ein Nivellierungsinstrument sehen - das berühmte Gefühl im Gasfuß wird weniger wichtig -, begrüßen fast alle Technikchefs deren Comeback.
Adrian Newey (McLaren): "Ich denke, die Wiedereinführung der Traktionskontrolle ist aus pragmatischer Sicht zu begrüßen, weil in der Vergangenheit Rennen ganz klar von Autos mit Traktionskontrolle gewonnen wurden, und das ist eine inakzeptable Situation."
2003: Das Ende der Fahrhilfen...
Zwei Jahre also fuhr die Königsklasse offiziell mit den erwähnten Fahrhilfen - ab dem GP von England ist endgültig Schluss. Der Fahrer muss wieder schalten und walten - durchdrehende Räder am Start, ausbrechendes Heck wegen eines zu ehrgeizigen Gasfußes am Kurvenausgang...die Piloten freut diese Aufwertung ihrer Fahrkünste.
Die Frage bleibt aber immer noch: Wird die FIA über ausreichende Kontrollmöglichkeiten verfügen - oder fängt schon ab Silverstone wieder das Verdächtigungstheater von Neuem an?