WTCC: Imola | 21.09.2008
Italienische Reise, Teil 1
Beim ersten von zwei Meetings in Italien gab es eine mögliche Vorentscheidung in der WM, und ein Auf & Ab der italienischen Gefühle.
Mit der WTCC startet das Autodromo Enzo e Dino Ferrari in seine Formel-1-lose Zukunft. Die letzten Sieger in der WTCC vor dem Umbau waren im Jahr 2005 Fabrizio Giovanardi und Dirk Müller.
Der Deutsche ist heute im Salär von Ferrari und steuert mit großem Erfolg GT-Autos; „Gio“ ist heuer in der britischen Tourenwagenmeisterschaft auf Titelkurs. Bei den britischen Fans ist der ehemalige Alfa-Werksmann mittlerweile als Einheimischer h.c. adoptiert worden.
Ähnliches ist dem Britien James Thompson beim ehemaligen Alfa-Werksteam N.Technology passiert. Nach seinen starken Auftritten mit dem „Youngtimer“ Alfa 156 ist er dem italienischen Team loyal geblieben, obwohl für heuer die Werks-Deals ausgeblieben sind.
Mit einem in Eigenregie eingesetzten Honda Accord Euro R hat „Thommo“ schon Achtungserfolge gebracht. Honda hat sein Desinteresse am Einstieg in die WTCC schon deponiert, und N.Technology steht mit seinem Projekt Formula Master am Sprung zur GP3.
Was aus dem Tourenwagen-Team in Zukunft wird, ist also unsicher.
Die Pole Position für die beiden Imola-Rennen holte sich Rickard Rydell im Seat Leon TDI, neben ihm sein Teamkollege Yvan Muller, der frischgebackene WM-Leader.
In Reihe 2 die beiden Chevy von Alain Menu (das „art car“) und Rob Huff, dahinter Thompson und der ehemals so souverän punktebeste Gabriele Tarquini. Und BMW?
Die Phalanx Müller-Farfus-Priaulx stellte sich ab Platz 8 am Grid auf, ein eher bescheidenes Quali-Resultat für die Bayern-Phalanx. Aber am Start zu Lauf 1 waren sie wieder munter!
Lauf 1: des Mullers Lust, Tarquinis Frust
Thompson versiebte den rollenden Start und fiel auf den 8. Rang zurück, er hatte somit eine Menge deutsches Blech zwischen sich und dem ersehnten Stockerlplatz.Vorneweg zeigten sich die beiden Seat von Rydell und Muller souverän: der Schwede musste sich letztlich mit Platz 2 zufriedengeben.
Yvan Muller holte sich nach einem frühen Platztausch (und dann wohl den entsprechenden Teamordern aus der Seat-Box) die maximale Punktezahl, Rydell sicherte den Doppelsieg ab, zuerst gegen den glänzend aufgelegten Rob Huff im Chevrolet Lacetti, dann gegen einen andere Engländer.
Thompson krempelte die Ärmel auf, und mit einem offenbar perfekt justierten Honda hatte er das richtige Werkzeug für einen Durchmarsch bis auf Platz 3. Huff durfte sich zur Abwechslung wieder eine Siegerehrung von unten anschauen, kassierte aber weitere wichtige Punkte für Rang 4.
Vier Autos kamen nicht ins Ziel, darunter zwei der auf jetzt drei Exemplare angewachsenen Lada-Flotte.
Der dritte der 110er aus Togliatti mischte mit dem Porsche-Supercup-As Jaap van Lagen wieder munter in den Reihen der Privatiers mit. Dort gibt es aber heuer einen großen Dominator, und das ist Sergio Hernandez.
Der Spanier im Proteam-BMW platzierte sich mitten unter den weiß-blauen Werksfahrern auf Rang 9, er wäre also beinahe auf der Pole Position für’s zweite Rennen gestanden! Ein Funkspruch mit Münchner Akzent dürfte hier für Ordnung im BMW-Universum gesorgt haben.
Nicht so glänzend lief es für „Spider-Man“ Gabriele Tarquini, der auch politisch durch einige unbedachte Äußerungen bei Seat unter Druck geraten ist. Der 46jährige Haudegen kam auf Platz 5 ins Ziel, während sein Erzrivale Muller voll punktete. Und im zweiten Rennen kam es noch schlimmer.
Lauf 2: Grazie, Thommo!
Die Mannschaft von Schnitzer aus Freilassing hatte die erste Startreihe für Lauf 2 komplett okkupiert, Jörg Müller und Augusto Farfus wollten aus der BMW-Tugend des stehenden Starts das beste machen. Das gelang aber nur Jörg Müller wirklich gut.Farfus kam schlecht in die Gänge und wurde „durchgereicht“. Larini, Huff und Thompson ließen sich nicht zweimal bitten und setzten sich auf Müllers Fährte. Sie kamen nicht weit.
Schrecksekunde am Start: Gabriele Tarquinis Auto blieb stehen, und Felix Porteiro im BMW rammte den Seat mit voller Wucht.
Der Spanier war bereits beinahe am Hindernis vorbei, zackte dann doch noch einmal zurück auf die falsche Spur… - beide Piloten waren nach dem harten Aufprall OK, aber die schwer lädierten Autos mussten geborgen werden.
Außerdem war Öl auf der Fahrbahn, und womöglich ein Quantum des seifigen Dieseltreibstoffes. Drei Runden wurden darin investiert, desn Asphalt bei Start und Ziel halbwegs griffig zu machen.
Damit war ein Honda in Führung – nämlich das Safety Car vom Typ Civic Type- R. Ein Omen? Nach dem Restart hatte Jörg Müller jedenfalls nicht die Mittel, sich entscheidend vom Feld abzusetzen; dahinter nahm sich Thompson die Chevy-Gruppe mit Larini und Huff vor.
Huff hatte das schnellere Auto, kam aber nicht an seinem Teamkollegen vorbei, das nutzte Thompson aus. Er ging einsam auf die Jagd nach dem führenden BMW. In Runde 7 setzte er die bekannt gute Geschwindigkeit des Accord Euro R auf der Zielgeraden ein und ging in Führung.
Larini blockierte bis knapp vor Schluss weiter die Gegnerschaft, dann schaffte Huff doch noch einen halbwegs höflichen Weg an ihm vorbei auf Platz 3. Für den ganz großen Angriff auf Müller war es etwas zu spät, der Deutsche hielt seinen 2. Rang bis ins Ziel.
Und James Thompson, in der WM-Wertung aussichtslos zurück, notiert zum ersten Mal in der Saison 2008 einen Sieg. Die einzige technische Schwierigkeit des gesamten Renntages: im Ziel ging die Fahrertür nicht mehr auf.
Solche Leistungen empfehlen den Briten und das italienische Team für zukünftige Aufgaben; vielleicht ja mit einer anderen japanischen Marke und einem Dieselmotor unter der Haube…
Ein Bild aus Punkten
Sergio Hernandez lieferte wieder eine feine Leistung im direkten Konflikt mit den Werksfahrern, das bringt ihm die volle Punktezahl am Imola-Wochenende. Er sieht mehr und mehr wie der logische Indepentents-Meister 2008 aus.Gabriele Tarquinis Titelhoffnungen haben sich mit dem „Nuller“ des zweiten Rennens alles andere als verbessert; Yvan Muller hat mit 80 Punkten jetzt 12 Zähler Vorsprung auf seinen Markenkollegen.
Dahinter komplettiert Rickard Rydell mit 62 Punkten die Seat-Dominanz; Rob Huff (61) ist Chevys Bester mit 61 Punkten, Weltmeister Andy Priaulx (55) hält die BMW-Fahne hoch, mit einer Titelverteidigung schaut es aber schon etwas blass aus.
In den verbleibenden sechs Rennen kommen noch 60 Punkte zur Verteilung, beginnend mit dem zweiten Teil der italienischen WTCC-Reise in Monza.