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Einer darf schon feiern

Zumindest eine Entscheidung ist beim letzten Europa-Start der Tourenwagen-WM 2006 gefallen: Tom Coronel ist Independents-Weltmeister.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Mit seinem vom Team GR Asia eingesetzten Seat Léon sah der Holländer Coronel praktisch das genze Jahr über wie der sichere Champ aus, in Spanien machte er den Sack zu und ist in der Gesamtwertung jetzt uneinholbar. Ein anderer Privatier stahl ihm in Valencia die Show: Luca Rangoni im Proteam-BMW.

Bereits im ersten Training war der Italiener Schnellster des gesamten Feldes und deutete damit seine Form an diesem Wochenende an. Die Seat-Truppe und vor allem Lokalheld Jordi Gené waren beim Heimrennen auf eine gute Leistung besonders erpicht, Alfa-Star Augusto Farfus war der Spielverderber: Er schnappte dem Spanier die Pole Position weg.

Der Beginn des ersten Laufes war für Seat der Beginn eines mühsamen Sonntags, Gené legte einen Frühstart hin. Später musste er an der Box eine Strafe abdienen, in Führung war aber zu dieser Zeit ohnehin schon ohnehin Farfus im Alfa. Die Roten haben heuer in der Herstellerwertung keinen Einfluß mehr auf die Entscheidung, aber das italienische Team N.Technology holt aus den alten 156ern immer noch einiges an Leistung heraus.

Dahinter war die Hölle los: Gleich in der ersten Kurve bekam Tabellenführer Andy Priaulx einen freundschaftlichen „Anschieber“, der Werks-BMW drehte sich in die Leitschiene und dann ins Feld zurück. Rob Huff, der Unglücksrabe im Chevrolet-Team, war zur falschen Zeit am falschen Ort – beide beendeten ihr Rennen im Kiesbett. Priaulx konnte zum zweiten Lauf starten, für Huff war Feierabend, es gab zwei Runden hinter dem Safety Car.

Hinter Gené, Farfus und Chevy-Fahrer Alain Menu tauchte bereits Rangoni auf und setzte die Werksfahrer gehörig unter Druck. In Runde 5 war er auf dem dritten Platz, eine Runde später dank Genés Strafantritt auf dem zweiten Gesamtrang. Menu hatte mittlerweile seine Schwierigkeiten, Salvatore Tavano im Alfa und Larini im dritten Chevy gingen vorbei. Und wo waren die Seat?

Die spanische Armada segelte geschlossen auf Höhe des zehnten Platzes, eine Riesenenttäuschung für das „Nationalteam“ beim Heimspiel. Es kam noch schlimmer: in Runde 12 segelte der in der Tabelle bestplatzierte Seat-Mann Gabriele Tarquini (mit Hilfe eines Teamkollegen?) auf der Zielgeraden ungespitzt in die Boxenmauer. Auch für ihn war das der Schluß der Vorstellung, und ein für den Titelkampf möglicherweise schmerzhafter „Nuller“.

Der vom zehnten Platz gestartete Luca Rangoni jagte weiterhin Augusto Farfus um den Laufsieg, aber der Brasilianer gab sich keine Blöße und zeigte eine wirklich souveräne Vorstellung als Leader. Sein Vorgänger als Alfa-Romeo-Star, Nicola Larini im Chevrolet Lacetti, kommt gerade vor dem Saisonende immer besser in Form; er hielt sich Tavano und den aus dem Mittelfeld gestarteten Jörg Müller im Schnitzer-BMW vom Leib.

Während Tom Coronel wie erwähnt bereits ans Feiewrn denken konnte, war damit im Kampf um den Titel eingies verändert: Priaulx war nicht mehr der Leader, Tarquini nicht mehr Zweiter, dafür tauchten Farfus und der erstarkte Jörg Müller als Mitfavoriten auf...

Lauf 2, und Andy Priaulx hatte vom vorletzten Startplatz weg nur ein Ziel: so viele Punkte als möglich. Alain Menu war als Achter des ersten Rennens auf der Pole, er hatte allerdings wiederum nicht genügend Speed auf den Geraden; gleich am Start gingen Duncan Huisman und Jörg Müller vorbei. Der Holländer Huisman, „Einspringer“ als Teamkollege von Alex Zanardi bei BMW Italy-Spain, zeigte seine erste wirklich gute Leistung, dahinter blieb Müller in Lauerstellung. Und im Feld flogen weiterhin die Fetzen.

Seat-Fahrer Peter Terting wurde nach einem Rammstoß gegen Larini zu einem Moment der Besinnung an die Box gebeten, die blau-gelben Werksautos aus Spanien waren weiterhin um Rang 10 gefangen. Sie fochten dort mit Zähnen und Klauen gegen Zanardi, Dirk Müller, Tavano,... – und durch dieses Auto-Gewimmel bahnte sich Priaulx qualvoll seinen Weg.

Runde 8: James Thompson und Jordi Gené nehmen Alex Zanardi in die Zange, Priaulx nutzt die Verwirrung aus – zehnter Platz. Runde 13: Alain Menu hält auf Rang 7 weiterhin die ganze Partie auf, im letzten Umlauf kommt er endgültig von der Rennlinie ab, wiederum zischt „Kolonnenspringer“ Priaulx durch den Stau – Platz 8 und ein einzelner Punkt als magere Ausbeute eines harten Arbeitstages.

Die 13. und letzte Runde bringt auch die Entscheidung um den Sieg: Jörg Müller lanciert einen einzigen, gezielten Angriff gegen Huisman und geht vorbei; die beiden Markenkollegen tun einander nicht übermäßig weh, ist Teamorder im Spiel? – Wir werden es nie erfahren. Jedenfalls empfiehlt sich der Deutsche damit nach einer ziemlich wechselhaften Saison gerade rechtzeitig wieder als Titelkandidat (und für die Vertragsverlängerung bei BMW). Gemeinsam mit Priaulx liegt er jetzt mit 58 Punkten an zweiter Stelle in der Fahrerwertung, nur zwei Zähler hinter dem neuen Führenden, Augusto Farfus.

Hätte irgendjemand vorausgesagt, dass vor den letzten beiden Rennen ein Alfa Romeo führen wird, man hätte ihn für verrückt erklärt. Die ersten neun Fahrer haben noch Chancen auf den WM-Titel, die Markenwertung wird zwischen BMW und Seat entschieden. Für dieses Finale Grande gibt es keinen besseren Platz als die Straßenschluchten von Macau am 19. November.

Stand der WTCC-Fahrerwertung vor den letzten beiden Rennen in Macau:

1. Augusto Farfus (60 Punkte), 2. Jörg Müller und Andy Priaulx (je 58), 3. Gabriele Tarquini (57), 4. Rickard Rydell (54), 5. Dirk Müller (53).

Stimmen nach dem Rennen:

Augusto Farfus: „Ich bin sehr zufrieden mit dem Wochenende und darüber, daß ich in der Meisterschaft führe. In beiden Rennen hatte ich Untersteuern, aber ich habe mein Soll erfüllt, also bin ich zufrieden. Ich bin so sauber und rund als möglich gefahre, weil mir die Reifen Sorgen gemacht haben; das war aber nicht genug, denn die letzten zwei Runden waren schwierig zu fahren. Und im zweiten Lauf habe ich Glück gehabt, da waren einige Unfälle, aus denen ich mich heraushalten konnte. Ehrlich gesagt war ich schneller als Menu in Lauf 2, aber Larini war auch schneller als ich; als er mich überholt hat, wollte ich ihn einholen, habe ihn dann aber ziehen lassen, weil er ungefähr zwei hunderstel pro Runde schneller als ich war.“

Jörg Müller: „Habe ich damit gerechnet, jetzt in dieser Position zu sein? – Nach dem gestrigen Qualifying wahrscheinlich ja, denn mein Auto hat sich trotz des (Zusatz-)Gewichtes gut angefühlt. Zu Saisonbeginn haben wir uns mit dem Gewicht etwas schwergetan, wohingegen Andy (Priaulx) damit von Anfang an gut umgehen konnte. Wir haben hart gearbeitet, und jetzt ist das Auto auch mit Gewicht drin gut zu fahren. Für Macau kann man nichts voraussagen, und man darf nicht vergessen, wie viele Fahrer die Meisterschaft noch gewinnen können! Einige Seat-Fahrer haben nicht viel Gewicht drin, und vor allem Rydell hat in Macau Erfahrung. Es ist praktisch unmöglich zu sagen, was man erwarten soll.“

Luca Rangoni: “Ehrlich gesagt habe ich mit einem guten Resultat gerechnet, denn das Auto war von Anfang an gut. Wir waren vom ersten freien Training weg konkurrenzfähig, und das Auto hat sich gefühlsmäßig im Lauf des Wochenendes noch verbessert. Ich widme diese Resultate meinem Team, und möchte mich auch bei Alain Menu bedanken, der in beiden Rennen bei unseren Fights so fair war.“

Duncan Huisman: “Es ist sehr schön, am Podium zu sein, vor allem für BMW Italy-Spain in einem ihrer Heimrennen. In Lauf 1 war das Auto sehr gut, aber in den letzten paar Runden hatte ich zu kämpfen; deshalb habe ich so hart als möglich attackiert, um einen Vorsprung herauszufahren. So war es auch in Lauf 2; ich wollte Jörg (Müller) davonziehen, aber es hat nicht geklappt. Ich hätte ihm die Tür zuschmeißen können, aber dann wären wir vielleicht beide rausgeflogen. Ich bin hier, um so viele Punkte als möglich für BMW zu erzielen; und da ich selber ja keine Chance mehr in der Fahrer-WM habe, wäre es sinnlos gewesen, Jörg etwas wegzunehmen.“

Nicola Larini: „Es war ein gutes Wochenende. Beide Rennen waren hart, vor allem das zweite. Ich bin von Terting abgeschossen worden, damit habe ich drei Sekunden verloren, und somit den Anschluß an die Spitze. Im zweiten Lauf bin ich in Rangonis Rückspiegel immer größer geworden, bin aber nicht an ihm vorbeigekommen, obwohl mein Auto von Runde zu Runde besser war.“

Andy Priaulx: “Zum Vorfall im Turn 1: Ich war der Meinung, an Tarquini vorbei zu sein, und habe in die Kurve eingelenkt. Er wollte nicht aufs Gras ausweichen, und somit werfe ich ihm nichts vor. Er sollte auch mir keine Vorwürfe machen, es war wirklich keine Absicht. Momentan bin ich vom zweiten Rennen noch recht aufgedreht. Ich habe mir die Seele aus dem Leib gefahren! Einen Punkt habe ich kassiert, das könnte noch ein sehr wichtiger Punkt werden; und ich werde in Macau nicht allzu viel Gewicht im Auto haben. Jetzt geht’s nach Macau, und ich bin in Rennlaune!“

Tom Coronel: “Klarerweise war am Jahresanfang die Independent Trophy das Ziel, also hats da viele Rennen gegeben, wo ich mich nicht mit den Werksfahrern anlegen durfte, weil ich an das Independents-Rennen denken musste. Jetzt bin ich erleichtert, dass ich endlich frei fahren kann. Ich liebe Macau. Dort bin ich schnellste Runden gefahren, habe Rundenrekorde gebrochen, Rennen gewonnen. Ich habe auch über 20 rote Flaggen (Rennabbrüche) in Macau gesehen, aber heuer gibt’s hoffentlich nur „Grün“.

Gabriele Tarquini “In Lauf 1 hat Priaulx in der ersten Kurve sehr hart eingelenkt. Ich konnte weiterfahren und war die nächsten Runden über recht schnell. Habe Coronel eingeholt, bin an ihm vorbeigegangen, das hat mir die Chance auf Platz 8 gegeben. Dann ist mir zwei Runden vor Schluß Coronel reingefahren, und ich bin war draußen. Das Auto war beschädigt, deshalb habe ich noch Rydell getroffen, bevor ich hart in die Mauer eingeschlagen bin – und mein Auto war komplett zerstört. Da war keine Hoffnung auf das zweite Rennen mehr. Ich fühl mich echt mies.“

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