Rallye: Exklusiv | 29.12.2006
"Ohne Beifahrer kann man nicht fahren..."
Teil 2 des Gesprächs mit Peter Müller - über die Vernachlässigung der Copiloten durch Medien und sogar die FIA, Naturtalente, kapitale Fahrfehler uvmTeil 2 des Gesprächs mit Peter Müller - über die Vernachlässigung der Copiloten durch Medien und sogar die FIA, Naturtalente, kapitale Fahrfehler und vieles mehr...
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Photo 4, Franz Kriessl Jun., Peter Eberhard, Manfred Wolf
Vorhin haben wir diskutiert - über die Rallye-WM, über das Phänomen Marcus Grönholm, dass der eben gleich in der ersten Wertungsprüfung hundert Prozent gibt, dass sich solche Spitzenpiloten wie Sébastien Loeb oder Grönholm nicht einmal eine Zehntelsekunde lang über einen Fahrfehler ärgern und also quasi nur 'im Jetzt' agieren. Über den Copiloten von Grönholm wurde, natürlich ohne jede böse Absicht, keine Silber gesagt - tut dir das weh?
Das hat mir schon immer weh getan. Schon damals, als Manfred Stohl und ich in die WM kamen, tat es mir weh, dass du eigentlich immer nur über die Fahrer liest. Ich habe versucht, den Medien zu vermitteln, dass wir ein Team sind. Das ist in gewisser Weise auch gelungen. Doch jetzt scheint es wieder so zu werden, dass man sich wieder nur für die Fahrer interessiert. Es beginnt ja schon bei der FIA [Oberste Sportbehörde, d. Red.], auch bei den offiziellen Ergebnissen wird nur der Fahrername angegeben. Das ist angeblich vom Medienvertreter der Werke so gewünscht worden. Das finde ich nicht richtig, weil im Rallyesport kann man ohne den Copiloten gar nicht fahren. Die beiden sind einfach ein Team. Und wenn jemand gewinnt, dann gewinnt das Team - und nicht nur der Fahrer alleine.
Kann man jetzt sagen, dass zum Beispiel im Falle des Marcus Grönholm oder des Sébastien Loeb deren Überlegenheit gegenüber dem Rest des Feldes nicht nur von deren Fahrfähigkeit herrührt, sondern dass es auch an einer besonders guten Zusammenarbeit mit deren Beifahrer liegt?
Ich kenne ja den Marcus Grönholm und seinen Beifahrer Timo Rautiainen persönlich - der Timo ist ja der Schwager von Marcus, die arbeiten schon seit vielen Jahren erfolgreich zusammen. Natürlich ist der Marcus ein sauguter Fahrer, das ist keine Frage. Aber es ist auch so, dass er und sein Copilot ein traumhaft zusammengeschweißtes Team sind.
Dieses nahe Verhältnis - wie groß ist die Gefahr, dass sich das von heute auf morgen negativ auswirkt? Du kennst ja den Fall der Panizzi-Brüder - wo der Copilot bei einem WM-Lauf, auf Platz 5 liegend, während einer der letzten Prüfungen einfach das Gebetsbuch geschlossen und beleidigt die Arme verschränkt hat. Ist das der Preis für eine vielleicht doch zu große Nähe?
Panizzi ist eine eigene Geschichte, ich war da auch dabei. Aber man weiß halt nie, ob es familiäre Probleme gibt. Im Normalfall ist es doch so, dass Fahrer und Beifahrer während einer Rallye sehr nahe beisammen sind, doch danach gehen sie auseinander. Das war bei mir und dem Manfred Stohl auch nicht anders.
Das heißt, ihr habt euch neben den Rallyes nie privat getroffen?
Ja schon, aber nur hin und wieder. Wir waren 14 Rallyes im Jahr zusammen...
Im selben Zimmer?
Nein, nicht. Wobei: Am Anfang war es schon so, aber dann haben wir das getrennt. Weil: Der Fahrer geht meistens früher schlafen, während der Beifahrer noch am Schrieb arbeitet, du brauchst als Beifahrer immer ein bisschen länger. Der Fahrer jedoch soll möglichst zeitig schlafen gehen, der soll ausgeschlafen sein, damit er am nächsten Tag gut fährt.
Du arbeitest auch als Fahrinstruktor, hauptsächlich jedoch im LKW-Bereich, aber du hast auch PKW-Schulungen gemacht. Gab es da einmal einen Fall, wo du dachtest: 'Der hat Talent, der sollte mal Rallye fahren!'.
Ja, da gab es einmal ein Mädchen, mit einem uralten Ford Escort. Die hat sich den ganzen Tag über nur zweimal gedreht, die hatte das Auto derart im Griff, dass ich sie fragen musste, ob sie ein motorsportliches Vorleben hatte - doch da war nichts, sie ist weder Kart gefahren noch sonst irgendwo, nicht einmal auf der Playstation.
Einfach Talent?
Ja, einfach ein Naturtalent. Da habe ich mir schon gedacht, dass das interessant wäre, mit ihr zu arbeiten - leider fehlen für so etwas die richtigen Mittel und der nötige Background, so dass ich zu ihr sagen kann: 'Wie schaut es aus? Hast du Interesse?' So etwas kostet ja leider auch eine ganze Menge Geld.
Der Rallyesport ist ja noch immer sehr teuer. Oder was heißt 'noch immer' - teurer wie jemals zuvor, nehme ich mal an. Oder?
Das kommt darauf an, wie man den Sport betreibt - aber wenn man vorne mitfahren möchte, ist es natürlich ein teurer Sport, schon seit jeher.
Du schulst auch österreichische Copiloten/Innen ein - wie ist die Lage in der österreichischen Rallyenachwuchslandschaft? Sieht es gut oder schlecht aus?
Es sieht derzeit gar nicht so schlecht aus.
Es wird also auch in der Zukunft ÖsterreicherInnen in der Rallye-WM geben?
Ja, ich glaube schon. Und wenn du dir die Österreicher in der WM ansiehst: Der Andi Aigner schlug sich hervorragend.
Der wechselte seinen Beifahrer, fuhr dann mit dem erfahrenen Klaus Wicha den Rest der Saison. Es wurde recht wenig gesagt über die Gründe, die hinter diesem Wechsel liegen - weißt du etwas? Es hieß nur, dass mit Wicha wieder Harmonie herrschen würde, woraus man schließen könnte, dass es davor das Gegenteil von Harmonie gegeben hat...
(lacht) Irgendetwas ist sicher vorgefallen - aber solche Dinge werden dann nicht an die Öffentlichkeit getragen.
Gibt es Vorfälle oder Handlungen, wo man oder wo auch du sagst: 'Wenn das passiert, dann fahre ich mit dem/der nicht mehr!'?
Sicher gibt es das. Wenn ich zum Beispiel mit einem jungen Fahrer arbeite, dann darf er zuerst einmal so fahren wie er es möchte. Zuerst soll er einmal tun, was er für richtig hält. Und dann hat er sich darauf einzustellen, was ich ihm sage. Wenn ich dann sage, wir probieren dieses und er sagt er möchte jenes, dann machen wir den Mittelweg davon. Dann überlegen wir, was das Gescheiteste davon ist. Wenn er aber partout nicht auf mich hört und dreimal hintereinander den gleichen Fehler macht, dann sehe ich eigentlich keinen Sinn in einer weiteren Zusammenarbeit und dann ist die Sache für mich erledigt.
Du vertraust dem Piloten ja auch dein Leben an, natürlich auch umgekehrt, wenn du zum Beispiel etwas Falsches ansagen würdest. Aber du brauchst als Copilot sicher ein absolutes Vertrauen in die Fähigkeit des Fahrers. Gibt es etwas außerhalb des Sports, wo du sagst, wenn er dies oder das tut oder getan hat, dann steige ich bei dem nicht mehr ins Auto?
Klar, wenn er zum Beispiel ein 'Giftler' ist, wenn ich dahinter kommen würde, dass der Fahrer Drogen nimmt, dann wäre die Sache für mich sicherlich auch gestorben.
Und wenn du mit ihm privat irgendwo hin fährst und er fährt zum Beispiel bei Rot über eine Ampel?
Wer ist noch nicht bei Rot über eine Ampel gefahren? Gut, wenn er ein chronischer Bei-Rot-Über-Eine-Ampel-Fahrer ist, dann hat er in diesem Sport meiner Meinung nach sowieso nichts verloren. Dann muss man sich fragen, was dieser Mensch überhaupt auf der Straße verloren hat.
Und im sportlichen Bereich: Gibt es Fahrfehler, die dermaßen katastrophal sind, dass du sagst, da steige ich nicht mehr ein?
Wenn er jede Woche ein Auto verschrottet, dann ist das so ein Fall, wo ich dann nicht mehr einsteige.
Gab es in deiner Karriere einen Unfall, den du als schlimmsten bezeichnen würdest? Wo du nachher vielleicht auch überlegt hast, ob du das weiter betreiben möchtest?
Ich habe mir 1998 das Kreuz gebrochen, in Griechenland, als Manfred und ich auf einer Verbindungsstrecke, also nicht einmal auf einer Sonderprüfung, einen Abhang runter gehüpft sind. Da habe ich mir einen Wirbel gebrochen.
Wie konnte das passieren, auf einer Verbindungsstrecke?
Das war einfach ein Blackout, Manfred hatte einfach ein Blackout. Er hat die Kurve übersehen und schon passierte es. Aber ich saß drei Monate später schon wieder im Auto.
Bei den Piloten sagt man ja, man soll nach einem schweren Unfall so schnell wie möglich wieder ins Auto, sonst sickert die Angst ins Unterbewusste...
Das ist bei mir nicht der Fall. Für mich ist der Rallyesport wie eine Sucht. Und es gibt auch ein Ziel. Wenn du jetzt eine Verletzung hast, ist das Ziel eben, so schnell wie möglich wieder aktiv sein zu können, so schnell wie möglich wieder im Auto zu sitzen.
Aber nicht, um den Unfall zu verarbeiten, sondern einfach nur, um weiter zu machen?
Ja. Für das Verarbeiten - dafür bin ich schon zu lange in diesem Geschäft.
Und nach dem Blackout von Manfred hast du nicht befürchtet, dass so etwas wieder passieren könnte?
Nein, damals war er mit den Gedanken einfach woanders, da war er gedanklich schon wieder im Service. Das ist vergleichbar wie wenn du auf der Straße fährst und du telefonierst.
Aber gerade dann würde ich Angst bekommen.
Aber so etwas passiert einmal und nie wieder.
Ist es nie wieder passiert?
Ja, das kam nie wieder vor.
Hast du beim Lesen des Schriebs schon einmal so einen kapitalen Fehler gemacht, dass du an dir selbst gezweifelt hast, dich gefragt hast, ob du noch weiter fahren sollst?
Nein.
Du hast gesagt, der Sport sei wie eine Sucht für dich. Was suchst du? Was ist es, das dich nach drei Monaten Krankenhaus wieder ins Auto treibt?
Da ist einmal ein großer Adrenalinkick, der einen in gewisser Weise jung hält. Von der Konzentration her. Du musst auch immer konzentriert sein und das schadet hinsichtlich des Älterwerdens sicher nicht. Und auch das Wissen, auch wenn du um einen Tag, eine Woche oder ein Jahr älter geworden bist, dass es immer noch funktioniert. Du hast nichts verlernt, im Gegenteil: Man lernt beziehungsweise ich lerne bei jeder Rallye immer noch etwas dazu, man lernt in diesem Sport nie aus.
Das kann ich gut verstehen. Das ist auch beim Musikmachen so, dass da irgendwie die Zeit stehen bleibt.
Ja, das hält einen einfach jung. Sicher altert man trotzdem, die grauen Haare bleiben dir nicht erspart. Aber es geht auch um eine Bestätigung für dich selbst, dass du immer noch dabei bist. Und natürlich geht es auch um den sportlichen Erfolg.
Wie sehen deine sportlichen Ziele aus? Möchtest du immer noch in die WM zurück?
Die WM ist nach wie vor mein Ziel, WM ist WM. Und ich sage immer: Ein WM-Lauf zählt für drei österreichische Meisterschaftsläufe. Aber auch wenn eine Rückkehr in die WM nicht möglich sein sollte - es macht mir nach wie vor Spaß in der österreichischen Meisterschaft zu fahren und mit jungen Piloten zusammenzuarbeiten.
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