
Die große OSK-Runde 2011 | 29.03.2011
Wie kann man das Standing des Motorsports verbessern?
In Teil 7 widmet sich die OSK-Runde dem Thema Lobbying: Warum hat der Motorsport in Österreich verglichen mit anderen Ländern ein schlechtes Standing?
aufgezeichnet von Michael Noir Trawniczek
Fotos: Manfred Wolf, Werner Schneider
Am 11.1.11 fand im Sitzungssaal der Obersten Nationalen Sportbehörde (OSK) eine von motorline.cc initiierte große Medienrunde statt, zu der neben den Journalisten Manfred Wolf, Werner Schneider, Stefan Schmudermaier und Michael Noir Trawniczek auch der WM-Vierte des Jahres 2006, Manfred Stohl, Teambesitzer Eddy Schlager, Rallye Waldviertel-Veranstalter Helmut Schöpf und ARC-Boss Folkrad Payrich geladen waren…
Den Fragen stellten sich OSK-Präsident Dr. Harald Hertz, der Vorsitzende des OSK-Rallyekollegiums Dietmar Hinteregger sowie OSK-Sekretär Kurt Wagner. Das Klima der rund dreistündigen Diskussion kann durchaus als konstruktiv bezeichnet werden – es wurden auch so genannte „heiße Themen“ angesprochen…
Teil 7: Lobbying
Im Anschluss an die Diskussion um einen Seriensponsor für die Rallye-ÖM [siehe Teil 6, in der Navigation oben rechts] widmet sich die OSK-Runde ganz allgemein dem Thema Lobbying.
Manfred Stohl sagt knochentrocken: „Der Ballsport lebt – aber wenn du Motorsport erwähnst, wirst du gesteinigt.“
Eddy Schlager hakt ein: „Wir haben keine Lobby für den Motorsport. Wir hatten einmal die Motocross-WM in Sittendorf. Wir hatten die Rallye-WM, das ist schon lange her. Wir hatten tolle Rennen auf dem Österreichring. Woanders bauen sie neue Rennstrecken – und bei uns sperrt man sie zu!“
Schlager fügt hinzu: „Dass der Red Bull Ring jetzt wieder eröffnet wird, ist eine Privatinitiative. Insgesamt geht es Schritt für Schritt zurück – und in anderen Ländern geht es steil nach oben!“
Kurt Wagner erwidert: „Ich glaube nicht, dass es nach unten gegangen ist. Es hat sich einfach das Freizeitverhalten der kompletten Gesellschaft verändert. Sittendorf war jahrelang ‚meine’ Veranstaltung – wenn ich dort hin kam, war ich der ‚Herr Rennleiter’. Weil sich dort einmal im Jahr etwas getan hat. Früher hat die Jugend mitgeholfen – heute sitzen sie zu Hause vor dem PC.“
„Die Informationsflut ist eine andere geworden. Ich erhalte heute viele Informationen, auch aus den Randsportarten. Die Leute wurden aktiver, sie wollen selbst etwas tun. Das machen sie nicht zu Hause, man ist heute mobil. Die Leute haben sich aufgesplittert – und das ging ein bisschen zu Lasten des Motorsports.“
Schlager schüttelt den Kopf: „Aber warum geht es dann in anderen Ländern?“
Michael Noir Trawniczek: „ Warum muss ich eigentlich auf eine tschechische Website gehen, wenn ich mir Onboards von der Jänner-Rallye ansehen will? Wieso finde ich das nicht auf der österreichischen Website des Veranstalters?“
Dietmar Hinteregger: „Herr Trawniczek, wer soll es denn machen? Und wer soll es bezahlen?“
Schlager: „Wir diskutieren ja, damit wir vielleicht etwas verändern können. Ungarn hat einen IRC-Lauf. Polen hat einen WM-Lauf.“
Stohl: „Und was kostet sie das?“
Schlager: „Aber die sind doch nicht reicher als wir!“
Stohl: „Die sind viel reicher als wir.“
Schlager: „Die haben eben einen Sponsor gefunden. Wir suchen doch nur Ausreden.“
Stohl: „Nein, das ist eine reine Geldfrage.“
Schlager: „Nein, wir suchen Ausreden – weil wir uns nicht eingestehen wollen, dass wir etwas verkehrt machen.“
Hinteregger: „Was glaubst du, warum es auf der Halbinsel Krim einen IRC-Lauf gibt? Weil es dort einen gibt, der das Geld abgeschafft hat. Ich war als FIA-Steward dort. Den interessiert die Veranstaltung gar nicht – der hat dort eine Bühne, die sie bei uns im Happel-Stadion aufbauen, nur um sich zu präsentierten. Solche Leute gibt es in allen Ländern.“
Schlager: „Ganz genau – und in Österreich gibt es sie ganz sicher auch. Garantiert!“
Hinteregger: „Die sitzen bei uns alle im Gefängnis.“ (Gelächter bricht aus)
Stohl wirft ein: „Darf ich eine andere Frage stellen? Wie können wir es schaffen, den ARBÖ wieder stärker zu machen? Auch wenn das jetzt gegen den ÖAMTC läuft…“
Wagner erwidert: „Das wäre nicht gegen den ÖAMTC, das würde uns helfen – weil wir gemeinsam einen stärkeren Auftritt hätten. Und ich glaube auch: Der ÖAMTC und der ARBÖ würden sofort aufspringen, wenn sie den unmittelbaren Nutzen sehen würden.“
Hinteregger: „Welchen Nutzen gibt es in Deutschland beim ADAC?“
Wagner: „Der Nutzen ist eine riesige Fahrzeugindustrie im eigenen Land, die sich präsentieren möchte.“
Wolf: „Es gibt auch in Österreich eine Automobilindustrie.“
Stohl: „Man könnte den Klubmitgliedern Freikarten für Rallyes geben.“
Schlager: „Eine Bitte habe ich an die OSK: Schreibt doch einmal vernünftige Briefe an die Importeure. Es gibt heuer in Tschechien einen Renault-Cup mit einem enormen Preisgeld, 70.000 Kronen pro Lauf, für den Sieger."
"Es gibt einen Citroen-Cup für DS3 R3 mit Preisgeld 4.000 Euro für den Sieger pro Lauf! Warum funktioniert das in Nachbarländern mit Importeuren gleicher Größe und warum funktioniert es in Österreich nicht?“
Wolf: „Weil der Motorsport in Österreich keine Lobby hat. Und es stimmt: Es ist nicht die Aufgabe der OSK, Onboard-Videos auf eine Homepage zu stellen oder direkt einen jungen Fahrer mit Geld zu unterstützen – dafür ist auch das Budget nicht vorhanden."
"Aber - was ich mir wünschen würde: Von Leuten, die wie Sie den Zugang haben zu Leuten, die in der Wirtschaft und in der Politik sind – dass hier mehr Lobbyarbeit verrichtet wird.“
„Es kann einfach nicht sein, dass man Schwimmen in ORF1 live überträgt – ich will diesen Sport nicht schmälern, aber das kann doch nicht sein. Und zugleich waren bei der Jänner-Rallye vielleicht 50.000 bis 70.000 Zuschauer – ich möchte eine Sportveranstaltung sehen in Österreich, wo an zwei Tagen so viele Leute kommen. Es ist ja nicht so, dass der Rallyesport niemanden interessiert.“
Hinteregger: „Der Unterschied ist, dass der ORF die Schwimmbewerbe kostenfrei überträgt – und für die Rallye muss gezahlt werden. Die Ballsportarten – da muss auch kein Mensch etwas bezahlen dafür, dass der ORF überträgt.“
Schlager: „Und wieder erkennen wir, dass wir etwas falsch machen. Wenn es dort funktioniert und bei uns nicht, dann läuft etwas verkehrt.“
Dr. Harald Hertz: „Verkehrt ist zum Beispiel, dass der Herr Häupl, Bürgermeister der Landeshauptstadt Wien, sagt: ‚Motorsport? In meiner Stadt sicher nicht!’ Wir wollten ein simples Kartrennen am Rathausplatz machen, da hieß es nur: ‚Sicher nicht!’ Wir sind also diesen Leuten ausgeliefert, die den Motorsport nicht wollen.“
Wagner: „Motorsport polarisiert.“
Schlager: „Motorsport begeistert. Schaut euch doch international um! Der Motorsport begeistert Millionen.“
Hinteregger: „Es gibt auch positive Signale. Bei der Rückkehr der Jänner-Rallye hat sich die Politik in Bewegung gesetzt. Da hat man gesagt: ‚Das machen wir jetzt!’“
Helmut Schöpf: „Da gab es großflächige Werbeanzeigen in den Tageszeitungen von Herrn Sigl, mit dem Baumschlager drauf. Die Politik ermöglicht Motorsport – da haben wir doch schon viel zusammengebracht. Ohne das Sportland Niederösterreich gäbe es mich und die Waldviertel-Rallye schon lange nicht mehr.“
Wagner: „Ohne die lokalen Förderungen würde es viele Rallyes nicht mehr geben. Und warum unterstützt ein Politiker eine Rallye? Weil er einen persönlichen Nutzen erkennt.“
Wolf: „Vielleicht kann man es tatsächlich besser transportieren, wenn man Mitglied in der BSO [Bundes-Sportorganisation, d. Red.]wird. Und ich weiß nicht, was man dafür tun muss, dass man in de BSO kommt. Aber das muss einfach gemacht werden.“
Das Thema BSO wird in Teil 8 der OSK-Runde behandelt – demnächst auf motorline.cc