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ORM: Hintergrund
Foto: Baumschlager Rallye Racing

Tohuwabohu um Elektrostart in der ORM

Die einen wundern sich über Starterlaubnis noch ohne jedes Reglement, andere wollen sich beweisen, wieder andere sind erbost wegen einem Bericht, andere wiederum gemahnen zur Umsicht...

Noir Trawniczek

„Verlieren wollen wir nicht. Für uns ist es ein Lernjahr, aber es ist doch das Ziel von jedem, dass man gewinnt“, sagt Philipp Kreisel in einem deutschen Online-Bericht, verfasst vom Autor dieser Zeilen. Weil man „gleich vorne mithalten“ möchte, wollte man den besten Fahrer im elektrischen Fabia RE-X1 zur Verfügung haben: „Das ist nun mal der 14fache Staatsmeister Raimund Baumschlager.“ Man wolle mit zwei Autos antreten, das zweite wird wohl Kreisel selbst pilotieren. Die in der Gerüchteküche kolportieren hohen Kosten von 700.000 Euro für die Entwicklung des Elektro-Boliden dementierte Kreisel nicht direkt: „Das R5-Auto kann man so aufbauen, dass es so viel kosten wird wie ein Benzin-R5 - doch freilich hat man am Beginn der Entwicklung weitaus höhere Kosten. Wir haben in den letzten Monaten mehrere tausend Kilometer getestet “ Dass es sich beim RE-X1 um eine Art „Prototyp“ handle, weil so viel umgebaut wurde, versuchte Kreisel erst gar nicht zu dementieren: „Die Haut ist schon ein Skoda - aber innen ist eigentlich alles von der Bodenplatte weg komplett neu aufgebaut.“ Kreisel wirkt top motiviert - was ihm auch nicht zu verübeln ist. Ein Aspekt des Berichts war also die Frage, ob man gleich im ersten Jahr Meister werden wolle...

Schließlich hat die AMF (Austria Motorsport) schon für die ORM 2021 für Elektroautos die Start- und Punkteberechtigung ausgesprochen - noch im Früjahr erklärte Philip Lueger, der Technische Koordinator der AMF in einer Reportage gegenüber motorline.cc auf die Frage, ob Elektroautos schon 2021 im Bewerb fahren können: „Das kann ich derzeit noch nicht sagen. Es schwebt in der Luft - ich möchte das Thema gemeinsam mit der Rallyekommission angehen. Es ist sensationell, dass wir Firmen wie Kreisel und STARD in Österreich haben, die auch international Standards setzen. Nur wollen wir das Thema mit Bedacht angehen - es ist immer noch absolutes Neuland im Rallyesport. Uns fehlen noch die Erfahrungen im Ablauf einer Rallye und es muss sicherheitstechnisch zu hundert Prozent stimmen.“

Starterlaubnis - doch Reglement-Erstellung beginnt erst Ende Jänner

Wie man weiß, gab es seither keine einzige Rallye in Österreich, bei der man Erfahrungen mit Voraus-Elektroautos hätte sammeln können. Und: Es gibt noch gar kein Reglement für die Elektroautos - weder ein technisches noch ein sicherheitstechnisches Reglement. Veranstalter wie Gerwald Grössing (Schneebergland-Rallye) haben daher bereits gegenüber motorline.cc Fragen geäußert, wie denn die Einsätze mit Elektroautos gehandhabt werden – motorline.cc hat sich in der Folge bemüht, auf offene Fragen Antworten einzuholen – doch offiziell gibt es noch gar nichts. Schließlich beginnt die mit dem Elektro-Reglement beauftragte Arbeitsgruppe erst Ende Jänner mit ihrer Arbeit. Dass dies so manchen die Augenbrauen hochziehen lässt, dass dies manche den Elektrostart in Österreich als überhastet empfinden lässt, dass manche denken, man habe hier irgendwie nachgeholfen bei der AMF, um quasi eine Blanko-Startberechtigung noch ohne jedes Reglement einzuholen, ist nicht allzu weit hergeholt, jedenfalls keine „Erfindung“ des Autors...

Raimund Baumschlager hat jedenfalls mit einem zum Teil recht erbosten Video reagiert: „Wie kann man so viel Bullshit in einen Bericht hineinschreiben? Da steht drinnen, dass mehr oder weniger Kreisel und BRR die AMF unter Druck gesetzt haben, dass wir im nächsten Jahr schon in der Meisterschaft starten können – so viel Blödsinn kann man sich gar nicht vorstellen!“ Wortwörtlich stand in besagtem Bericht: „Gerüchten zufolge hat Kreisel Electric und Partner BRR dabei Druck auf die AMF ausgeübt, was freilich von allen Seiten dementiert wird. Philipp Kreisel gibt aber offen zu, dass in seinen Augen ‚Vorausauto-Einsätze wenig Sinn machen.‘“

Ein wichtiger Aspekt des besagten Berichts war aber auch, dass die beiden in der AMF-Arbeitsgruppe vertretenen Elektro-Kapazunder Kreisel und STARD, die Firma von Manfred Stohl, der schon vor fünf Jahren das erste Elektroauto gebaut hat, offenbar unterschiedliche Herangehensweisen an den Tag legen. Da ist zum einen der top motivierte Kreisel, der wohl am liebsten noch heute beweisen möchte, dass Elektro nicht nur ein Zugeständnis an Hersteller, sondern der schnellere Antrieb ist (nochmal: das ist rein sportlich gesehen die richtige, die einzig mögliche Einstellung) und zum anderen ein sportpolitisch zur Vorsicht gemahnender Manfred Stohl, der in Österreich mit dem Erdgasantrieb bereits erleben musste, dass er zuerst belächelt und nach den ersten Siegen recht schnell per Restriktorlimitierung „abgedreht“ wurde und der zurzeit eher im Ausland im Elektroauto anzutreffen ist... .

Balance of Performance aber auch “Balance of Zugeständnisse“

Und: Während Kreisel behauptet, man könne bereits ÖRM-Rallyes wie sie beispielsweise 2019 gefahren wurden, durchfahren, sagt Stohl: „Wenn man sich alle Zeitpläne der ORM aus 2019 ansieht, ist es ohne Anpassung dieser sowie einer Anpassung des Sportlichen Reglements aktuell nicht möglich, konkurrenzfähig über eine gesamte Rallye teilzunehmen. Auf der Verbindungsetappe müsste ein Veranstalter zwischen jeder Sonderprüfung um zehn bis 15 Minuten verlängern, um hier die Flexibiltät zu bewahren, sodass ein Elektroauto hier laden kann. Auch Kreisel kann nicht in vier Minuten Refuelingzeit aufladen - man braucht die Erlaubnis, dass man im Regrouping und im Service laden darf.“ Stohl zufolge geht es in der Arbeitsgruppe also nichtn nur um eine ohnehin schwierig zu ermittelnde Balance of Performance zwischen Elektro- und Benzinantrieb („Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Benzin-R5-Fahrer ungücklich machen, die dafür auch viel Geld ausgeben. Es muss ein ausgeglichenes Reglement sein, das eine sinnvolle Balance of Performance bietet“) sondern auch um eine diplomatische Lösung, eine Art „Balance of Zugeständnisse“, zumal eben Veranstalter per Standard-Ausschreibung dazu verpflichtet werden müssten, das Format ihrer Rallyes zu ändern...

Raimund Baumschlager weiter in seinem Video: „Die AMF hat den Weitblick so wie ihn viele jetzt haben müssen, die es noch nicht begriffen haben - denn die Hersteller steigen alle um auf E-Mobilität.“ Und: „Es wird für die World Rally Cars Hybrid geben - da ist übrigens auch Kreisel beteiligt mit ihren Batterien. Es wird 2022 die EWRX geben, also Elektrisches Rallycross. Und wir schlauen Menschen wären jetzt dumm wenn wir sagen würden: ‚Nein wir verzichten auf das, wir ziehen nicht mit mit unserem Rallyesport. Ihr wisst alle: Der Rallyesport hat es nie leicht gehabt, war immer angreifbar - es wäre jetzt Aufgabe von verschiedenen Journalisten, die jetzt Blödsinn schreiben und negativ schreiben, dass sie einmal nachdenken, was der Rallyesport eigentlich immer bedeutet hat: Es waren immer Vorreiter-Situationen - und das können wir jetzt wieder sein, wir können für die Serie entwickeln...“ Dem Rekord-Staatsmeister, der die Möglichkeit, zu all dem Stellung zu nehmen, nicht nützen wollte, sei folgender Kommentar des Autors nahegelegt, in dem Elektro klipp und klar begrüßt wird - damals gab es übrigens telefonisches Lob des Meisters. Der offenbar nicht jene Perspektive einnehmen oder zumindest nachvollziehen möchte, die neutral von außen betrachtet einfach nur besorgt darüber ist, dass man mit einer „Huschpfusch“-Lösung nicht nur sportpolitischen Schaden anrichtet. Mit „Schimpfen“, wie es Baumschlager selbst in seinem Video nennt (er beendet die Phase über den „Bullshit“ mit den Worten „Schluss mit Schimpfen“) sind aber noch die Wenigsten besonders weit gekommen...

AMF-Fehlmann: „Wir werden das Reglement hinbekommen“

AMF-Generalsekretär Michael Fehlmann hat übrigens kein Problem damit, zuzugeben, dass der Elektrostart in Österreich für manche übereilt aussehen könnte, sagt aber auch klar, dass man aus Gründen der gerade durch die Coronakrise verschlechterten Lage den Teams möglichst viele Türen öffnen wollte, zumal Kreisel und STARD auch international gewichtige Rollen im Elektro-Motorsport einnehmen und eine Teilnahme solcher Autos auch Türen für neue Sponsoren öffnen würde. Dass die Arbeitsgruppe erst Ende Jänner mit der Reglement-Erstellung beginnt, bereitet Fehlmann dennoch keine Sorge: „Wir werden das hinbekommen. Und wir werden dafür sorgen, dass es weder ein Kreisel- noch ein STARD-Reglement sein wird, sondern ein AMF-Reglement. Und natürlich geht es uns um eine faire Balance of Performance zwischen Elektro- und Benzinantrieb.“ Angesichts dessen, dass ein Manfred Stohl von einer schwierigen Erstellung einer Balance of Performance spricht - ist zu befürchten, dass man für eine endgültige, für alle Seiten zufriedenstellende BoP Vergleichstests anstellen muss und sich die Reglement-Erstellung doch als langwieriger herausstellt? Schließlich ist zumindest offíziell der ORM-Start per Mitte März geplant. Michael Fehlmann bleibt zuversichtlich: „Ich habe volles Vertrauen in unsere AMF-Techniker - wir werden das zeitgerecht hinkriegen.“

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