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Analyse Auf die Rallye-WM kommen spürbare Veränderungen zu (Symbolbild)
Toyota Gazoo Racing

Analyse: Was die radikalen Änderungen der FIA für die WRC bedeuten könnten

Mit der Präsentation der FIA-Vision für die Zukunft des Top-Rallyesports sind die Räder für eine radikale Überarbeitung der Rallye-WM ins Rollen gekommen

Der Automobil-Weltverband FIA hat bei der Sitzung des Motorsport-Weltrats am 28. Februar sein Zukunftskonzept für die Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) vorgestellt, das weitreichende Änderungen im technischen und sportlichen Reglement sowie in der Vermarktung der WRC vorsieht.

Die Vorschläge wurden von einer im vergangenen Dezember von der FIA eingesetzten Arbeitsgruppe unter der Leitung von FIA-Vizepräsident Robert Reid und dem ehemaligen WRC-Teamchef David Richards erarbeitet. In den Entscheidungsprozess flossen auch die Antworten einer Fan-Umfrage der FIA ein, an der sich mehr als 11.000 Fans beteiligt hatten.

Ziel der Gruppe war es, sich mit der Zukunft der Rallye-Weltmeisterschaft zu befassen, in deren Topklasse Rally1 in diesem Jahr weniger als zehn Fahrzeuge an den Start gingen. Das Ziel, neue Hersteller in die Rallye-WM zu locken, wurde mit dem Rally1-Reglement nicht erreicht. Nach wie vor sind nur Toyota, Hyundai und M-Sport-Ford in der Königsklasse der Rallye-Weltmeisterschaft vertreten.

Einige der Änderungen, die am Mittwoch beim Motorsport-Weltrat bekannt gegeben wurden, treten bereits in der kommenden Saison in Kraft. Und damit noch vor dem Ende des fünfjährigen Homologationszyklus des aktuellen Rally1-Hybrid-Reglements, für das sich Hyundai, Toyota und M-Sport-Ford verpflichtet haben.

Ein Großteil der Diskussion drehte sich um die Zukunft der Rally1-Klasse. Neben der Idee, die erfolgreiche Rally2-Kategorie zur Topklasse der WRC zu machen, wurde auch die Schaffung einer Rally2-Plus-Klasse erwogen, die die Rally1-Klasse verdrängen würde.

Doch diese Vorschläge sind vorerst vom Tisch. Rally1 wird im nächsten Jahr weitergeführt, allerdings ohne den Hybridantrieb, der ein wichtiger Bestandteil des ursprünglichen Reglements war und die aktuellen Hersteller an die Kategorie gebunden hat. Die 100-kW-Hybridaggregate werden im kommenden Jahr aus den aktuellen Fahrzeugen entfernt. Außerdem wird der Luftmengenbegrenzer verkleinert und die Aerodynamik beschnitten. Weiterhin werden die Rally1-Fahrzeuge mit 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff betrieben.

Hybrid-Antrieb ist ab 2025 Geschichte

Durch den Wegfall des Hybridmotors wird das Gewicht der Fahrzeuge um 87 Kilogramm reduziert, die Gesamtleistung sinkt jedoch. Durch die Kombination des 1,6-Liter-Turbo-Verbrennungsmotors mit dem Hybridmotor konnten die Autos kurzzeitig auf 500 PS gesteigert werden. Damit waren sie die schnellsten Autos in der Geschichte der Rallye-WM und dank eines neuen, robusteren Space-Frame-Chassis auch die sichersten.

Die Abschaffung des Hybridantriebs ist eine einschneidende Regeländerung. Allerdings hat die FIA den Teams bereits in diesem Jahr erlaubt, Rally1-Autos ohne Hybridantrieb einzusetzen, auch wenn diese nicht für die Hersteller-Wertung gewertet werden.

Die FIA hat bereits offen zugegeben, dass die Kosten für die Rally1-Autos das ursprüngliche Ziel überschritten haben und auf fast eine Million Euro pro Auto angestiegen sind. Die für 2025 vorgeschlagenen Änderungen, die im Juni ratifiziert werden sollen, zielen darauf ab, die Kosten zu senken.

Mehr Teilnehmer in der Königsklasse sind das Ziel

Durch den Wegfall des Hybridantriebs werden die Autos rund 150.000 Euro günstiger, was mehr Privatfahrer anlocken könnte. Davon profitieren Teams wie M-Sport, deren Geschäftsmodell auf dem Verkauf von Autos basiert und die bisher nur ein Rally1-Auto verkauft haben.

Aber die Änderungen an der Aerodynamik werden die Teams zweifellos mit zusätzlichen Kosten für die Entwicklung neuer Teile für 2025 belasten, da die Zeit dafür sehr knapp ist. Und wer für den Fünfjahreszyklus in Hybridantriebe investiert hat, wird sich zweifellos über die umsonst getätigten Ausgaben ärgern.

"Als Hersteller wären wir natürlich sehr traurig, wenn die Kategorie, in die wir massiv investiert haben und an die wir weiterhin glauben, vor dem Ende des geplanten Homologationszyklus verschwinden würde", sagte Hyundai-Teamchef Cyril Abiteboul gegenüber Autosport, einer Schwesterpublikation von Motorsport-Total.com im Motorsport Network. Die südkoreanische Marke arbeiten derzeit an der Weiterentwicklung ihres i20N Rally1 für das kommende Jahr.

Mehr Vielfalt bei den Karosserieformen

Die Änderungen werden sich über das Jahr 2025 hinaus erstrecken, denn die FIA hat Pläne für ein komplett neues Reglement enthüllt, das auf dem "aktuellen Rally1-Konzept" basiert und 2026 eingeführt werden soll. Auf dem Papier besteht das Ziel darin, "eine gemeinsame Sicherheitszelle zu verwenden, um die Kosten zu senken" und "es Herstellern und Tunern zu ermöglichen, ihre eigenen Autos mit eigener Karosserie auf der Basis von Serienmodellen zu entwickeln, einschließlich Autos des B- und C-Segments, SUVs oder eines Konzeptfahrzeugs."

Ziel ist es, dass diese Autos etwa 330 PS leisten, vergleichbar mit den früheren World-Rally-Cars. Die Kosten sollen auf 400.000 Euro begrenzt werden. In vielerlei Hinsicht handelt es sich um eine Kategorie Rally2 plus oder Rally1 minus, je nachdem, wie man es betrachtet.

Grundsätzlich ist die Idee sehr vielversprechend und die Vielseitigkeit der Karosserieformen hat das Potenzial, Hersteller für die Rallye-WM zu begeistern. Entscheidend für die Marken wird jedoch sein, wie sie dies mit ihrer aktuellen Strategie für den Straßenfahrzeugmarkt in Einklang bringen. Dort setzen die meisten Hersteller derzeit auf Elektro- oder Hybridfahrzeuge.

Kostengrenze von 400.000 Euro pro Auto

Was die Kosten betrifft, so ist dies fast die Hälfte des Preises eines aktuellen Rally1-Autos und 100.000 Euro mehr als ein aktuelles Rally2-Auto, was in der Tat Privatfahrer anziehen könnte. Die Herausforderung besteht darin, dass die aktuellen Teams und die neuen Marken innerhalb dieses Zeitrahmens Autos entwickeln und bauen müssen, obwohl zwei Jahre ausreichend sein sollten.

Auch die Kontrolle der Einhaltung der 400.000 Euro-Grenze wird ihre eigenen Schwierigkeiten mit sich bringen. Interessanterweise heißt es in der Ankündigung der FIA, dass das vorgeschlagene Reglement "parallel zum aktuellen Rally1-Reglement" laufen wird, ohne dass klar ist, was das genau bedeutet. Aus Sicht der Fans werden die Autos vielleicht langsamer sein als die aktuellen Rally1-Autos, aber sie sollen dennoch spektakulär sein und die Attraktivität des Gesamtprodukts nicht beeinträchtigen.

Zusätzlich zu diesen Änderungen wird versucht, den Leistungsunterschied zwischen Rally2- und Rally1-Autos durch ein Kit mit einem größeren Restriktor und Auspuff sowie einem neuen Heckflügel zu verringern. Wie genau das in die Strategie passt, ist unklar, denn je nach Kosten des Kits könnte es sich lohnen, stattdessen auf ein Rally1-Auto zu setzen. Doch wie die FIA betont, handelt es sich lediglich um ein Konzept, dessen Details zu gegebener Zeit bekannt gegeben werden.

Schließlich will die FIA "bei nächster Gelegenheit" eine Klasse mit Elektroantrieb einführen, die eine "äquivalente Leistung" zu den Rally1-Fahrzeugen erreichen kann. Das ist interessant und lässt in einer Zeit, in der sich die Automobilindustrie noch im Umbruch befindet und der endgültige Weg in die Zukunft noch nicht klar ist, die Tür für alternative Antriebe offen.

Selbst unter den aktuellen Teams waren die Meinungen über die Zukunft geteilt, sodass die FIA gezwungen war, einen Kompromiss zu finden, um die heiklen Kernfragen der WRC zu lösen. Ob damit das gewünschte Ziel erreicht wurde, bleibt abzuwarten, aber es ist ein Anfang, um die Zukunft der WRC anzugehen.

Wie werden sich die WRC-Läufe in Zukunft verändern?

Während die Änderungen des technischen Reglements die Schlagzeilen beherrschen, dürften auch die zahlreichen Vorschläge zur Verbesserung der sportlichen Seite der WRC einen großen Einfluss auf die Meisterschaften haben.

Schon lange drängt die WRC auf eine Reform ihres Veranstaltungsformats. So soll die Länge der Rallyes flexibler gestaltet werden, indem die maximale Etappenlänge von derzeit 300 Kilometern reduziert wird. Dieser Vorschlag wurde dem Motorsport-Weltrat im vergangenen Jahr unterbreitet, blieb aber erfolglos. Dies scheint sich nun zu ändern.

Die FIA hat erklärt, dass die Organisatoren mehr "Freiheit bei der Entwicklung der Route ihrer Rallye" haben werden und dass "der globale Kalender zusätzlich zu den Rallyes, die dem bestehenden Format folgen, eine kleine Anzahl von kürzeren Sprint- und längeren Langstrecken-Rallyes enthalten kann."

Mehr Flexibilität beim Format der Rallyes

Ein weiteres wichtiges Detail der FIA-Vision ist ein Schritt, "der es den Veranstaltern erlaubt, weniger starre Formate zu wählen, die Entfernungen zwischen den Etappen zu verringern und die Reichweite der Veranstaltungen zu vergrößern".

Diese Änderung sollte von allen Beteiligten begrüßt werden, da sie den Veranstaltungen eine eigene Identität verleiht und mehr Abwechslung in die Saison bringt. Die Meisterschaft wurde von den Fahrern wegen der Starrheit der Veranstaltungsformate und der Länge der Verbindungsetappen kritisiert. Es scheint, als habe die FIA versucht, auf die im vergangenen Jahr von Fahrern und Beifahrern geäußerten Bedenken einzugehen.

Die Fans müssen nicht lange warten, um das neue Sprint-Format zu sehen, denn die Rallye Italien auf Sardinien hat von der FIA eine Ausnahmegenehmigung erhalten, um das neue 48-Stunden-Konzept mit einer Gesamtdistanz von 266 Kilometern in diesem Jahr zu testen.

Mehr Remote-Service, kürzere Wege

Die Ausweitung des Remote-Service und der Einsatz eines Begleitfahrzeugs werden den Teams helfen, ihre Fahrzeuge einsatzbereit zu halten und die Wege zu einem zentralen Servicepark zu verkürzen. Gegenwärtig sind die Reparaturmöglichkeiten der Besatzungen beim Remote-Service begrenzt, da sie nur die im Fahrzeug mitgeführten Materialien verwenden können.

Die Idee, die Anzahl der Remote-Services zu erhöhen, ist nicht neu und wurde bereits im vergangenen Jahr vom WM-Veranstalter vorgeschlagen. Theoretisch sollte dies das Spektakel insgesamt verbessern, vor allem wenn die aktuelle Spitzenklasse mit weniger als zehn Teilnehmern fährt.

Der Ansatz der Kostenreduzierung, der im Mittelpunkt der vorgeschlagenen Änderungen des Technischen Reglements steht, wurde auch im Sportlichen Reglement fortgesetzt. Die großen und teuren Motorhomes und Werkstattzelte, die vor allem von Toyota und Huyndai eingesetzt werden, sollen durch lokale Lösungen ersetzt werden.

Dies steht schon seit einiger Zeit auf der WRC-Agenda und wird die Kosten für die Anschaffung dieser Service-Park-Strukturen sowie deren Transport von Rallye zu Rallye reduzieren. Auch das ist ein Pluspunkt in Sachen Nachhaltigkeit.

Wann genau diese sportlichen Änderungen umgesetzt werden, hängt von der FIA ab, aber auf dem Papier sind es positive Schritte für die Meisterschaft.

Bessere Vermarktung der WRC

Interessanterweise gibt es noch einen dritten Aspekt in der Zukunftsvision der FIA für die WRC, nämlich die Vermarktung der Meisterschaft. Die Sichtbarkeit der Serie in der Sportwelt wurde im vergangenen Jahr von Fahrern, Teams und Fans kritisiert - ein Faktor, der angesichts des Popularitätsbooms der Formel 1 an Bedeutung gewonnen hat.

Die FIA scheint dies zur Kenntnis genommen zu haben und kündigte Pläne an, ein WRC-Promotion-Team zu gründen, das eng mit dem derzeitigen WRC-Promoter, den Veranstaltern und den Hersteller-Teams zusammenarbeiten soll. Auch hier bleibt unklar, wie das genau funktionieren soll, aber wenn es richtig eingesetzt wird, könnte es ein Fortschritt sein.

Die FIA erklärt, ihr Ziel sei es, "die Werbemöglichkeiten rund um jede Veranstaltung zu nutzen und das volle Potenzial der WRC auszuschöpfen". Der Schlüssel zur Erreichung dieses Ziels ist die Schaffung einer "WRC-Charta", die eine Reihe von Verpflichtungen für alle Beteiligten festlegt, um die WRC auf der Grundlage einer Reihe von vereinbarten Zielen und KPIs einem breiteren Publikum bekannt zu machen.

"Dieser koordinierte Ansatz wird das Fachwissen aller Beteiligten nutzen, um die WRC über ihre derzeitige Fangemeinde hinaus als eine der führenden Motorsportmeisterschaften der Welt zu fördern", heißt es.

Es ist eine kühne Vision, aber sie zeigt, dass die FIA die Fangemeinde der WRC vergrößern will, was ein entscheidender Faktor ist, um den Wert der Meisterschaft in den Augen der Hersteller zu steigern.

Motorsport-Total.com

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