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Monte Carlo-Rallye 1953
Fords Einstieg in den Motorsport II

Der zweite Teil dreht sich um clevere Bremsenkühlung, hohe Belohnungen und die Auswirkung des Monte-Siegs auf die Verkaufszahlen.

Text: Werner Schneider - Fotos: Werner Schneider/Ford

Den ersten Teil der Story finden Sie in der rechten Navigation!

Das Auto selbst war in jeder Hinsicht fortschrittlich. Der Zephyr war der erste Ford mit hydraulischer Kupplung, 12V-Elektrik und vor allem das erste Auto weltweit mit McPherson-Federbeinen, die allerdings erst 1954 eingeführt wurden.

Er wurde wie erwähnt von einem 2,3 l-Sechszylinder mit hängenden Ventilen (OHV) angetrieben, der eine Leistung von 68 PS bei 4000 U/min. entwickelte. Das genügte für eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 21 sec. Daten, die vor 53 Jahren als durchaus sportlich angesehen wurden.

Gatsonides übersiedelte samt Familie nach Süd-Frankreich und machte sich daran, den entscheidenden Rundkurs der letzten Etappe wieder und wieder zu besichtigen. Die 74,35 km lange Strecke von Monaco über den Col de Braus und retour war mit sechs Zeitkontrollen garniert.

Die Abschnitte unterschieden sich stark in ihrem Schwierigkeitsgrad, waren jedoch später alle in genau demselben Schnitt zu absolvieren. Dieser sollte jedoch erst eine Stunde vor dem Start bekannt gegeben werden, obwohl klar war, daß er irgendwo zwischen 40 und 50 km/h liegen mußte.

Gatsonides entschied sich, die Strecke nach jedem der 11 möglichen Schnitte abzufahren, um ein detailliertes Set an Zeiten zu erhalten, was ihn unabhängig davon machte, welchen Schnitt der AC Monte Carlo schließlich fordern würde. Klingt alles ein wenig nach Ennstal-Classic, war aber doch um vieles komplizierter.

Insgesamt standen nicht weniger als 404 Teams in den über ganz Europa verstreuten Startorten bereit, hatten jedoch das Pech (oder doch Glück), daß es die wettermäßig leichteste Monte seit der Premiere 1911 werden sollte. Es gab wenig Spektakel, vor allem keine Schneestürme und halb unpassierbare Straßen, sodaß nicht weniger als 253 Teams ohne Strafpunkte Monaco erreichten.

Da es natürlich noch längst keine Sonderprüfungen nach heutigem Muster gab, mußte also eine simple Beschleunigungs- und Bremsprüfung darüber entscheiden, welche 100 Teams noch an der Regularity-Prüfung über den Col de Braus teilnehmen durften.

Die exakte Einhaltung des vorgegebenen Schnitts klingt einfach, aber man darf nicht vergessen, daß es 1953 weder Digitaluhren noch Elektronik gab und die Uhren der Veranstalter nicht unbedingt völlig synchron mit denen der Teilnehmer gehen mußten. Dazu kam, daß der Zephyr zwar auf den kurvenreichen Bergauf-Passagen in seinem Element war, mit seinen Trommelbremsen jedoch bergab nach wenigen Kilometern totales Fading entwickelte.

Gatsonides testete Bremsbeläge verschiedenster Hersteller, stellte keinerlei Unterschiede fest und entschied sich für solche der Firma Capasco. Hauptsächlich deshalb, weil Co-Pilot Peter Worledge dort eine höhere Management-Position inne hatte.

Als Knackpunkt für den Erfolg stellte sich vor allem die 21 km lange Abfahrt vom Col de Castillon, Abschnitt No. 5, heraus. Schon beim Besichtigen war das Bremspedal nach nicht einmal 7 km durchgefallen, eine unmögliche Situation.

Gatso war clever genug, auch für dieses Problem eine Lösung zu finden. Er organisierte zwei Teams, die aus jeweils drei Personen bestanden und sich nach 7 bzw. 14 km der Abfahrt in einer Kehre aufstellten, um Kübel mit kaltem Wasser durch die Felgen zu schütten, womit die rot glühenden Bremstrommeln abgekühlt wurden.

Die für die damalige Zeit einzigartige Vorbereitung von Gatsonides begann sich auszuzahlen. Während der Großteil der Teams keine Chance hatte, den Schnitt von 47 km/h zu halten, kam der Holländer mit einer einmaligen Sicherheit über die Runden. Vier der sechs Zeitkontrollen durchfuhr er genau in der vorgegebenen Sekunde, sonst war das Team einmal eine Sekunde zu früh bzw. zu spät.

Es wurde trotzdem sehr knapp, denn das beinahe ebenso berühmte englische Ehepaar Ian und Pat Appleyard lag in ihrem 3,4 l-Jaguar Mk. VII am Ende nur eine einzige Sekunde zurück. Aufgrund der knappen Entscheidung verzögerte sich der Ergebnis-Aushang um zwei Stunden, weil die Zeitnehmer ihre Ergebnisse lieber mehrmals nachrechneten, um mögliche Streitereien zu vermeiden.

Gatsonides und Worledge erwarteten die Bekanntgabe des Ergebnisses in einem Restaurant und als ihre Ehefrauen mit der freudigen Nachricht des Sieges hereinstürzten, gab’s vom Besitzer spontan eine Magnum-Flasche Champagner auf Rechnung des Hauses.

Ford organisierte ein Frachtflugzeug, um den Zephyr und das siegreiche Team schnellstmöglich zurück auf die Insel zu bringen, wo Gatsonides und Worledge ein begeisterter Empfang bereitet wurde. Der Pilot wurde von der Geschäftsführung auch zu einem Empfang gebeten, wo in recht entspannter Atmosphäre über einen Bonus verhandelt wurde. Am Ende gab’s die fürstliche Belohnung von 1000 Pfund Stirling (nach heutigem Geld rund 24.500 Euro) plus einen neuen Ford Zephyr im Wert von rund 11.500 Euro.

„Damit war ich finanziell gerettet und konnte meine berufliche und sportliche Karriere in jener Art fortsetzen, wie ich mir das immer vorgestellt hatte“, erinnerte sich Gatsonides, der zum Zeitpunkt seines Siegs immerhin schon 41 Jahre alt war, später.

Wie ging’s weiter? Ford konnte sich nach diesem Erfolg nicht einfach wieder verabschieden. Noch dazu, wo als Folge des Erfolgs die Verkaufszahlen des Zephyr Six um sage und schreibe 71 % anstiegen und man noch viel mehr an den Mann hätte bringen können, wären nur mehr Produktions-Kapazitäten zur Verfügung gestanden. Man blieb dem Rallyesport bis zum heutigen Tag eng verbunden.

Gatsonides setzte seine Profi-Karriere fort. Nicht nur Ford griff auf seine Dienste zurück, sondern auch Triumph und Aston Martin. Die Monte Carlo-Rallye absolvierte er nicht weniger als 23x, zum letzten Mal im Jahre 1970 im Alter von 58 Jahren in einem Porsche 911.

Mitte der 50er-Jahre jedoch begann er sich verstärkt mit dem Leben nach dem Motorsport zu beschäftigen und entwickelte 1958 den sogenannte „Gatsometer“, ein Gerät, das wir heute als „Radarfalle“ schätzen gelernt haben. 1959 wurden die ersten Geräte von der niederländischen Polizei eingesetzt, woraufhin sie sich rasch über die ganze Welt zu verbreiten begannen und immer mehr verfeinert wurden.

Gatsonides‘ Firma existiert noch heute und ist nach wie vor im Besitz seiner Familie. Sie produziert und wartet einen Großteil der fixen Radargeräte auf der ganzen Welt.

Maurice Gatsonides selbst starb im Dezember 1998 im Alter von 87 Jahren. Sein Ruhm war so groß, daß das Vorwort seiner Biographie von niemand geringerem als Prinz Bernhard der Niederlande verfaßt wurde.

Der siegreiche Ford Zephyr Six überlebte leider nur noch 15 Monate. Im Mai 1954 wurde er bei der Wiesbaden-Rallye in Deutschland von einem völlig betrunkenen Truck-Fahrer touchiert und zerstört. Weder der zu diesem Zeitpunkt auf dem Beifahrersitz schlafende Gatsonides noch sein Co, der hinter dem Lenkrad saß, wurden ernsthaft verletzt, der Wagen war jedoch nicht mehr zu retten.

Bibliographie:

„Gatso – The Never Ending Race“ von Michael Allen u.a., Verlag Gatsometer BV, 1991
„Die Geschichte der Rallye Monte-Carlo“ von Bernhard Brägger; Edition Scriptum, 1988

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