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Rallye: Hintergrund

Gerwald Grössing: Appell für WRC-Verbleib - auch ohne ihn...

Gerwald Grössing möchte die World Rally Cars auch nach 2018 in der ORM sehen, auch wenn er dann nicht mehr fährt. Was spricht dafür, was dagegen?

Michael Noir Trawniczek
Fotos, Daniel Fessl, Harald Illmer, Grössing@facebook

2015 zeigten sich AMF und IG Rallye im Anschluss einiger personeller Umgestaltungen fest entschlossen, die ORM zu modernisieren - dazu gehörte auch eine Öffnung des Regelwerks hinsichtlich der zugelassenen Fahrzeuge. Durchaus mutig war der Beschluss, in der ORM drei Jahre lang World Rally Cars (bis Baujahr 2016) zuzulassen - denn die Oberste Motorsportbehörde FIA soll WRCs in nationalen Meisterschaften „nicht gerne sehen“.

Der Lohn kam nicht nur in Form von anerkennenden, mitunter sogar neidvollen Blicken aus ganz Rallye-Europa - schließlich hatten und haben nur wenige ASNs den Mut, lieber den Fans als der FIA gerecht zu werden...

Das absolute Highlight gab es im zweiten Jahr des Dreijahresplans - 2017 war für viele die beste ORM-Saison seit langem. Für internationale Aufmerksamkeit sorgte der erste private Einsatz des Weltmeisterautos VW Polo R WRC, mit dem Raimund Baumschlager den ersten Sieg des VW Polo WRC in einer nationalen Meisterschaft und seinen 14. Staatsmeistertitel in die Geschichtebücher des Rallyesports eintragen lassen konnte...

Die Argumente gegen WRC

Trotzdem sah Raimund Baumschlager die WRC-Öffnung stets mit kritischen Augen, selbst dann noch, als er selbst eines fuhr. Laut Baumschlager würde wenn überhaupt nur auf dem R5-Sektor die Chance bestehen, dass sich heimische Importeure beteiligen und sie vielleicht auch einmal Jungpiloten unterstützen könnten. Schließlich hat Skoda schon vor zwei Jahren heimischen R5-Piloten unter die Arme gegriffen . Außerdem seien zahlreiche weitere Marken im R5-Segment vertreten und mit dem VW Polo R5 ergänzt bald schon ein weiteres und vor allem vielvesprechendes Auto diesen Markt. Umgekehrt sei eine Unterstützung seitens der Importeure nur schwer denkbar, wenn mit einem kostspielligen R5-Projekt nur der erste Platz hinter den World Rally Cars möglich sei...

Baumschlager hat in früheren Interviews gerne Ungarn als Beispiel genannt: Dort seien einigeJahre nur zwei WRC um den Titel gefahren, diesen hätten eine breitere Spitze und Chancen für Jungpiloten vereitelt - nach dem Ende der WRCs halte man dort im Schnitt bei rund 20 R5-Projekten.

Zuletzt schien es, als könnte 2018 tatsächlich das letzte Jahr mit World Rally Cars sein. Willi Singer etwa, der Vorsitzende der AMF-Rallyekommission, deutete in einem Gespräch mit motorline.cc an, dass eine solche Lösung recht wahrscheinlich sei. Singer sagte: „Man muss solche Entscheidungen immer auch zum richtigen Zeitpunkt fällen. 2016 war die Öffnung für World Rally Cars eine gute Lösung, wie sich herausgestellt hat. Doch vielleicht sollten wir 2019 wieder zu den R5-Autos als höchste Kategorie wechseln.“

Die Argumente von Gerwald Grössing

Gerwald Grössing sieht dafür keinen Grund - in einr Mail an motorline.cc schreibt er: „Ich bin der Meinung, dass die WRCs die Szene in Österreich extrem bereichert haben. Es ist das Interesse an WRCs ungebrochen - die Fans wollen ganz einfach diese Autos sehen!“

Grössing appelliert auch - in Ermangelung eines Serienpromotors - an die IG Rallye, die Interessensgemeinschaft der ORM-Veranstalter. Die ORM sei zurzeit „unbestritten eine der schnellsten Meisterschaften Europas“ - sich nach drei Jahren der Öffnung wieder in Selbstbeschränkung zu üben, ergibt für Grössing keinen Sinn und würde seiner Meinung nach eher als „freiwilliges Kleinmachen“ empfunden werden...

Zu der oben erwähnten „R5-Argumentation“ schreibt Grössing: „Von den Kritikern ist immer wieder zu hören, dass die WRCs viel zu teuer seien und auch den R5-Markt dahingehend beeinflussen würden, wonach viele Fahrer wegen der WRC-Präsenz nicht an der ORM teilnehmen würden."

Grössing fügt hinzu: "Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache: Die aktuellen R5 von Skoda beispielsweise sind um rund 0,4 Sekunden am Kilometer langsamer als ein WRC des Baujahres 2014. Die kommenden R5-Fahrzeuge von VW wiederum sind um rund 0,3 bis 0,4 Sekunden am Kilometer schneller als die Skodas. Sie sind also defacto gleich schnell wie die 2014er WRCs. Die Einsatzkosten der WRC-Fahrzeuge sind bei Kostenwahrheit in etwa gleich hoch, vielleicht um zehn Prozent höher.  Also macht es keinen nennenswerten Unterschied, ob man ein ab Mitte des Jahres 2018 erhältliches R5 fährt oder eben ein 2014er oder 2015er WRC beispielsweise der Marke Ford.“

Zurzeit würde „kein einziges verbindliches Bekenntnis eines heimischen Piloten vorliegen, wonach dieser bei einem WRC-Verbot 2019 einen R5 an den Start bringen würde...

Was die Kosten anbelangt, gibt es sowohl in der R5.Kategorie als auch bei den World Rally Cars eine breite Streuung. Vor allem die World Rally Cars weisen abhängig vom jeweiligen Anbieter eine extreme Streuung auf. So kann man tatsächlich Angebote finden, die sogar unter dem Preis von R5-Autos liegen. Allerdings kann so auch eine weniger hohe Standfestigkeit die Kehrseite der Medaille sein, wenn der Anbieter für den geringen Mietpreis bestimmte Bauteile länger im Auto behält. Insgesamt kann aber schon behauptet werden, dass ein WRC prinzipiell teurer ist als ein gleichwertiges R5-Auto.

Farbe Bunt als Vermächtnis

Schwer verärgert zeigt sich Grössing über den AMF-Fahrervertreter Martin Kalteis. Er habe angesichts der oben erwähnten Rechnung gefragt, weshalb man dann eigentlich ein WRC fahren würde? „Das braucht doch dann niemand mehr - also schaffen wir es ab“,soll Kalteis kaltblütig resümmiert haben. Grössings Antwort auf die Kalteis’sche Frage: „Weil es in der Entscheidungsfreiheit eines jeden Einzelnen liegt, womit er an den Start geht. Ich vermisse hier ein gewisses Demokratieverständnis.“

Auch wenn Gerwald Grössing für das neue Design seines Ford Fiesta RS WRC ein tiefes Pechschwarz erwählte, spricht er sich im Bereich der Rallyepolitik für die Farbe „Bunt“ aus. Soll heißen: „Schaut man sich die Rebenland-Nennliste an, werden die kritischen Beobachter feststellen müssen, dass es wohl keinen Schwund an begeisterungsfähigen Fahrern gibt: Neun Fahrzeuge der Kategorien S2000, R5 und WRC im Feld der Österreicher. Da bleiben wohl keine Fragen offen! Es geht mir persönlich darum, in Österreich die Szene so bunt und so toll wie möglich zu sehen. Beherzte 2 WD Fahrer mit ihrer tollen Performance, Historische Renner,  Cup-Autos, N4 Autos, R2, R3, R4 Boliden, S2000- oder R5 Autos gehören ebenso zu einer Staatsmeisterschaft, wie eben auch die WRCs. Daran sollte sich nichts ändern. Der Rallyesport täte gut daran, möglichst breit und offen aufgestellt zu bleiben.“

Entscheidung muss vor dem Sommer fallen

Mit oder ohne WRC-Zulassung sei für Gerwald Grössing als Pilot nicht mehr relevant, schreibt der Charakterkopf in seiner Mail - da er „die Saison 2019 nicht mehr bestreiten wird“. Folglich müsse man ihn in der WRC-Diskussion für „unbefangen erklären“, fügt Grössing hinzu. Dabei ist das gar nicht nötig - weder als Fahrer noch als Veranstalter der Schneebergland-Rallye muss sich Gerwald Grössing neutral verhalten.

Eine möglichst offene und transparente Diskussion zum Thema WRC-Zulassung wäre jedenfalls nützlich. Wie auch Willi Singer anmerkte, sollte diese Entscheidung spätestens vor dem Sommer gefällt werden, um den Aktiven die nötige Zeit zum Schnüren ihres 2019er-Pakets zu geben. In der Diskussion Pro & Kontra WRC sollten unbedingt auch die Ernöglicher dieses Sports angehört werden - damit sind freilich auch die Sponsoren gemeint, in erster Linie jedoch ermöglicht jedweden Sport immer erst das Interesse des Publikums.

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