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Das blaue Wunder des Motorsports

Jean Rédélé stellte die Rallyewelt mit der Alpine A110 auf den Kopf. Wir erinnern uns an die heroische Rallye-Flunder aus Dieppe.

Michael Hintermayer

Wir schreiben das Jahr 1961. Aus den Boxen des Becker Mexiko Radios schallen Hits wie „Hello Mary-Lou“, „Weiße Rosen aus Athen“ oder „La Paloma“ von Freddy Quinn. Die mageren Jahre der Nachkriegszeit scheinen vorbei zu sein und langsam tragen Marshallplan und das Wirtschaftswunder dazu bei, dass sich die Menschen in Europa erstmals ihren Traum vom eigenen kleinen Wagen und sogar einen kurzen Urlaub an den „Hausmeisterstränden“ Italiens leisten können. VW Käfer und Puch 500 dominieren das heimische Straßenbild.

Es geht langsam wieder aufwärts und in der Automobilbranche immer flotter vorwärts. Im französischen Dieppe bastelt derweilen ein junger, innovativer Renault-Händler namens Jean Rédélé an seiner persönlichen Vorstellung des Sportwagens. Rédélé, der schon in jungen Jahren mit dem Rennsport begann, war im Motorsport allerdings schon vorher bekannt.

Sein Sieg bei der Mille Miglia 1952 in einem Spezial-4CV Sport machte ihn weltberühmt. Doch vor allem die kurvigen Bergstraßen der Alpen hatten es ihm angetan: „Den meisten Spaß hatte ich an Bord meines 4CV beim Herumfahren in den Alpen. Deshalb habe ich mich entschieden meine zukünftigen Autos ‚Alpine‘ zu nennen, damit meine Kunden diese Freude wiederfinden“, erklärte er später die Namensfindung.

Die Alpine A108 ist das Vorgängermodell, an dem die Grundzüge der A110 bereits deutlich erkennbar sind.

1961 präsentierte er den Wagen, der ihn zur Legende machen sollte: die Alpine A110. Nach der Alpine 108, die in ihrem Aussehen schon sehr der A110 ähnelte, aber noch auf die Dauphine basierte, wurde das Projekt 110 in Angriff genommen. Die Bodengruppe lieferte diesmal der Renault 8. Hinzu kamen eine überarbeitete Heckpartie und ein Zentralrohrrahmen.

Die Einzelradaufhängung und die etwas problematische Pendelachse hinten wurden ebenfalls vom R8 übernommen. Darüber wurde eine hauchdünne Fiberglass-Karosserie mit Stahlverstrebungen gespannt. In Summe ergab dies eine knapp 600 Kilogramm leichte Flunder, die trotz ihrer Leichtfüßigkeit durch Scheibenbremsen verzögert wurde. Zu Beginn der Auslieferung standen Motoren zwischen 40 und 70 PS mit einem maximalen Hubraum von einem Liter zur Auswahl. Was sich aber schon bald ändern sollte.

Denn mit erscheinen des Renault 8 Gordini stand ein 1100 ccm großer Motor aus der Hand von Amédée Gordini mit 86 PS zur Verfügung. Doch es wurde weiter aufgerüstet. Schon bald wurden die 1100 ccm auch dem R8 zu wenig, darum legte man einen 1300er mit 115 PS nach. Mit diesem Motor schaffte man bei der Rallye Monte Carlo 1968, die überlegenen Zweiliter-Neunelfer-Porsche gehörig unter Druck zu setzen.

Dass Rédélé in diesem Jahr auch die Leitung sämtlicher Renault-Sport-Aktivitäten übernahm sei nur am Rande erwähnt. Dann folgte die letzte Ausbaustufe: Mit der Verpflanzung des 1,6 Liter fassendem Vierzylinder-Motors aus dem Renault 16 TS wurde die Alpine A110 genauso rebellisch wie die 68er-Jugend und zum Überflieger im Rallyesport. Zudem wanderte der Wasserkühler nach vorne um die Gewichtsverteilung zu verbessern.

Der Maestro selbst: Jean Rédélé und die Alpine in ihrer Geburtstätte in Dieppe.

Dann ging es im Rallyesport Schlag auf Schlag: Die 1600er-Alpine war homologiert und die „blauen Reiter“, wie die Werksfahrer genannt wurden, schleuderten die hübsche Französin von Sieg zu Sieg. Die Monte 1970 war zwar ein Debakel, doch Jean-Luc Thérier verhalf der Flunder zu Siegen bei der San Remo und der Akropolis-Rallye. Bei der RAC-Rallye fiel Thérier auf der letzten Sonderprüfung aus, wodurch man denkbar knapp die Markenwertung an Porsche abgeben musste.

1971 geigte der junge Schwede Ove Andersson kräftig auf und holte den lang ersehnten Monte-Sieg. Drei weitere folgten, womit man sich auch die Markenwertung sicherte. Das Jahr 1972 lässt sich mit dem Wort „Getriebeschaden“ zusammenfassen, denn bei der Monte fallen fast alle Werksautos aus, worauf man in Dieppe die zierliche Leichtbaukonstruktion weiter überarbeitet und für das Jahr 73 den Motor auf 1800 ccm vergrößerte.

Mit mehr Leistung und Beständigkeit sichert sich Alpine den erstmals ausgeschriebenen Titel des Marken-Weltmeisters. Da stand mit der A310 schon der Nachfolger der 110er-Baureihe in den Startlöchern, welcher aber nie an die Erfolge der A110 anknüpfen sollte und aus verkaufstechnischer Sicht ein echter Schuss in den Ofen war.

Im Tiefflug zum ersten Marken-WM-Titel.

Die 310 sah man mehr auf Hebebühnen, als auf der Straße. Dazu kam, dass sich Alpine zu sehr von seiner DNA – dem kompromisslosen Leichtbau – entfernte. Man wollte als Konkurrent zu Porsche auftreten, was aber gehörig schief ging.

Was die Alpine A110 nicht konnte, wie Helmut Deimel zur Alpine und Herbert Grünsteidl zum Rallycross-EM-Titel kam, lesen Sie auf Seite 2.

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