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Keferböck/Minor vizemeisterfokussiert

Wie kann es sein, dass Johannes Keferböck bei der NÖ-Rallye um den Vizestaatsmeister kämpft? Die Antwort hat etwas mit seinem Beruf zu tun: Statt dem Vermögen anderer optimierte Keferböck die eigene Performance als Fahrer und das für eine maximal steigende Lernkurve nötige Umfeld. Keferböck und Ilka Minor brauchen beim ORM-Finale drei Punkte mehr als ihr Mitbewerber Gerhard Aigner - dieses Ziel steht im Fokus. Unabhängig davon wird die Optimierung weiter vorangetrieben. Denn es steckt eine Lust dahinter - und auch die Neugier, was noch alles möglich ist...

Fotos: Harald Illmer, Daniel Fessl

Am 6. Jänner 2018 stand Johannes Keferböck ein Bisschen verdutzt und ziemlich gerührt als der Sensations-Sieger dieser seiner geliebten Kult-Veranstaltung, der Jännerrallye, im Fokus der Medien, nachdem zuvor Niki Mayr-Melnhof und auf dem Weg in den Parc ferme auch Simon Wagner von der Technik in Stich gelassen wurden. Hätte man Johannes Keferböck an diesem Abend gefragt, ob er bald schon in der Lage sein wird, eine Sonderprüfung nur wenige Sekunden hinter einem Raimund Baumschlager oder einem Niki Mayr-Melnhof zu beenden, hätte er einen wohl für verrückt erklärt.

„Verrückt“ im wortwörtlichen Sinn bedeutet ja eigentlich nur ein Verlassen der bisherigen Linie - oft braucht es einen Impuls, um aus einem bereits eingetretenen Pfad herauszuspringen und dabei festzustellen, dass es weitaus mehr Möglichkeiten gibt, als man bislang vermutet hätte. Johannes Keferböck beispielsweise blieb zehn Jahre lang im „Jännerrallye only“-Modus, war damit überhaupt nicht unglücklich, wollte das Jubiläum heuer mit einem Start bei der spanischen WM-Rallye begehen. Doch der Impuls (Jännerrallyesieg) löste im Gefüge des Rallyeteams Keferböck und seinen Unterstützern eine Art Kettenreaktion aus. Vor allem die Initiative eines langjährigen Sponsors, Keferböck mittels Budgetaufstockung zu einer vollen Saison in der heimischen Staatsmeisterschaft zu motivieren, ermöglichte ein völlig neues Kapitel in der Rallye-Karriere des 45jährigen Vermögensberaters.

Wer sich die beiden Videos ansieht, die Keferböck auf seiner privaten respektive beruflichen Facebook-Seite hochgeladen hat, erkennt jene Linie, die der Oberösterreicher in der heimischen Rallye-Staatsmeisterschaft seit dem „Jänner-Impuls“ mit einer großen Portion Lust verfolgt. Der Lust nämlich an der Optimierung. Denn Keferböck wollte nicht einfach nur eine volle ORM-Saison fahren, seine erste nach zehn Jahren - sondern den Impuls als Chance wahrnehmen.

Um sein wahres Potential freizulegen, benötigt man stets das optimale Umfeld - keine neue Erkenntnis, doch in der Umsetzung sorgte Keferböck damit für hochgezogene Augenbrauen. Denn es blieb kein Stein auf dem anderen.

Ilka Minor brachte das nötige Vertrauen in den Schrieb

Wesentlich war das Engagement von Ilka Minor. Keferböck holte sich die Bestmögliche - doch nicht, um zu protzen. Für Johannes Keferböck war von Anfang an klar: „2018 ist ein Lernjahr, in dem wir eigentlich alle ORM-Rallyes erst kennenlernen. Ich weiß von anderen Fahrern, die schon länger in der ORM unterwegs sind, dass die Verlockung groß ist, die Sonderprüfungen de facto auswendig zu lernen. Doch auf dieser Ebene hatte ich von vornherein keine Chance, weil ich naturgemäß die vielmals gefahrenen Prüfungen nicht nachholen kann.“

Mit Ilka Minor holte er nicht nur Österreichs Copilotin mit den meisten WM-Rallyes (über 100) an Bord -sondern auch eine glühende Verfechterin ihres Berufsstands und damit einhergehend des Fahrens nach Aufschrieb. Keferböck erläutert: „In der Weltmeisterschaft würde es wenig Sinn machen, die Prüfungen auswendig zu lernen und dabei das Fahren nach Schrieb verkümmern zu lassen. Denn dort wird immer wieder woanders gefahren - das Fahren nach Schrieb ist dort eine Grundvoraussetzung, um überall, auch bei neuen Rallyes, sofort das fahrerische Potential abrufen zu können. Mit Ilka habe ich also nicht nur meinen Aufschrieb optimieren können, sondern überhaupt erst begriffen, was Fahren nach Aufschrieb bedeutet und warum das meine einzige Chance ist, meine Performance zu verbessern. Es ging dabei auch darum, dass ich lerne, dem Aufschrieb hundertprozentig zu vertrauen.““

Eurosol & Skoda Fabia R5 bringen maximale Entfaltung

Zur Optimierung gehört aber auch etwas, das man mit Vorsicht betreiben muss, wenn man nicht in einem nicht nachvollziehbaren Zickzackkurs enden möchte: Nämlich das Wechseln von Team und Fahrzeug in der laufenden Saison.

Bei Johannes Keferböck stellte sich schließlich heraus, dass er mit Eurosol Racing und dem Skoda Fabia R5 die größtmögliche Optimierung erreichen kann. Die größtmögliche Optimierung des Piloten wohlgemerkt - beim komplexeren Skoda Fabia R5 musste Keferböck quasi einen Lernprozess einlegen, der letztendlich aber eine viel größere Entfaltung des Piloten und seiner Perfrmance möglich machte...

„Was ist er denn?
Was hat er denn?
Was kann er denn?
Was macht er denn?
Was red' er denn?
Wer glaubt er das er ist?“
aus „Egoist“ von Falco


.„So lange die Lernkurve steigt, mache ich ganz sicher weiter“, hat Johannes in diesem Jahr immmer wieder betont. Und zunächst klang es beinahe wie eine Entschuldigung, a la: „Entschuldigen Sie vielmals, ich bin eh gleich wieder weg, ich hab da nur grad eine steigende Lernkurve und würd einfach gern sehen, was da noch drinsteckt, in mir, als Pilot“. Dieses Entschuldigen ist ein in Österreich nahezu unvermeidlicher Reflex - vor allem dann, wenn einer, der sich lange Zeit unauffällig verhielt, es plötzlich wissen möchte. Und das dann noch dazu einer ist,der ja gar nicht mehr Werkspilot und Zehnfachweltmeister werden kann...

Doch dieser Entschuldigungsreflex wurde mit der Zeit immer schwächer, denn ab einem gewissen Zeitpunkt war die Optimierung, die Lernkurve des Piloten Johannes Keferböck auch mit freiem Auge zu erkennen. Mühlsteinrallye: Keferböck hat den tragischen Helden der Jännerrallye, Simon Wagner als Teamkollegen bei Eurosol Racing. Wagner ist Österreichs große Hoffnung im internationalen Rallyesport. Der Name Wagner steht für Racing von Anfang an, für Kartsport und Aufschrieb erstellen üben auf der Spielkonsole, schon mit acht Lebensjahren. Simon und Julian leben seit Kindheitstagen ihren Traum aus. Keferböck und Wagner - zwei Universen, die man nicht miteinander vergleichen kann. Auch wenn Simon in Perg zum ersten Mal einen R5 pilotierte, rechneten sämtliche Experten damit, dass der Jungpilot dem nahezu doppelt so alten, mit hundertmal weniger Racing-Erfahrung gesegneten „Spätoptimierer“ davonziehen wird. Doch Keferböck blieb dran, wirkte zeitweise selbst überrascht. Das gleiche Szenario dann bei der Wechselland-Rallye, als er zunächst nur wenige Sekunden hinter Mayr-Melnhof und Baumschlager fuhr...

Was für Johannes Keferböck noch mehr wiegt: „Wir sind noch immer nicht am Ende meiner Lernkurve angelangt. Man muss sich das vorstellen: Ich habe im Skoda Fabia R5 erst eine Handvoll an Rallyes absolviert, verfüge also über einen viel kleineren Erfahrungsschatz, auch beim Abstimmen, nicht nur beim Fahren an sich. Ich habe Ilka gebeten, dass sie es mir sagen soll, wenn meine Lernkurve einmal stagniert. Doch davon sind wir noch meilenweit entfernt, ich lerne mit jeder Rallye etwas dazu und dieses Lernen hört einfach nicht auf.“

Grande Finale: Auftakt im Live-TV

Ende September (28. und 29.) steigt im Rahmen der Niederösterreich-Rallye das Grande Finale der ORM. Für Johannes Keferböck geht es um die Möglichkeit, ein nicht für möglich gehaltenes Jahr mit dem Titel des Vizemeisters zu krönen. In der Tabelle hat Keferböck jedoch nur scheinbar die Nase vorn - denn mit Abzug der Streichresultate liegt sein Mitbewerber Gerhard Aigner drei Punkte voran. Aigner ist ebenfalls ein „Spätoptimierer“, der nun erstmals mit dem heimischen Zellhofer Motorsport Team kooperiert, dem Staatsmeisterteam von Hermann Neubauer...

Diese drei Punkte, die man Aigner abknöpfen muss, stehen für Keferböck/Minor im Vordergrund - in einem elf R5-Boliden starken Feld mit den Staatsmeistern Raimund Baumschlager und Hermann Neubauer sowie zahlreichen internationalen Piloten eine Aufgabe, die man kaum vorausberechnen kann und daher eine Fokussierung mit größtmöglicher Flexibilität verlangt. Johannes Keferböck erklärt: „Wir müssen uns zunächst einmal ansehen, wo wir stehen.“

Dieses „Beschnuppern“ der beiden Vizestaatsmeisterfighter findet im Rahmen der 30 Kilometer langen „TV-Stage Rundkurs Bergland“ statt. Wie der Name bereits verrät, findet dieser erste Schlagabtausch im gleißenden Licht der Medien statt. Der ORF überträgt live, eine Top 10-Auswahl startet in steigender Reihenfolge mit einem Intervall von zwei Minuten. Keferböck/Minor müssten demzufolge vier Minuten nach Baumschlager/Winklhofer und Neubauer/Ettel sowie zwei Minuten vor Aigner/Hübler losgeschickt werden Das Ergebnis dieser Prüfung ist für die Startreihenfolge am zweiten Tag relevant. Keferböck weiß: „Wir werden uns hüten, auf dieser SP zu viel zu riskieren - da ein Fehler nicht nur Zeit kosten, sondern auch die Startposition am folgenden Tag verschlechtern würde.“

"Müssen vor Aigner liegen“

Am Samstag sind acht weitere Prüfungen zu fahren (SP2 bis SP9), wobei diesmal die vorletzte Prüfung, die SP „Raxendorf“ als Powerstage gefahren wird. Diese wird zuvor bereits als SP6 absolviert. Die Powerstage-Punkte (3-2-1) spielen im Kampf um den Vizemeister mit Sicherheit eine große Rolle. Noch ist aber nicht abzusehen, ob die beiden heimischen Champions zu diesem Zeitpunkt als gesetzt betrachtet werden müssen oder ob es im Vizemeisterfight gar um mehr als den einen Punkt für Platz drei geht. Johannes Keferböck sagt: „Zunächst einmal müssen wir vor Gerhard Aigner liegen - nicht unbedingt am ersten, sicher aber am zweiten Tag - und ich weiß, dass Gerhard ein Kämpfer ist und dass Zellhofer Motorsport ein großes Knowhow einbringt. Der Vizemeister ist ganz klar in unserem Fokus - doch diese drei Punkte mehr einzufahren, wird alles andere als ein Kindergeburtstag sein. Wir sind die Jäger, wir müssen jagen - dennoch dürfen wir nicht zu viel riskieren.“

Wie auch immer der spannende Fight um den Vizestaatsmeister ausgehen möge: Sicherlich wird Johannes Keferböck dabei wieder einiges dazulernen - schließlich blickt man mit einem Auge längst auf die Saison 2019...

ORM-Tabelle nach 6 von 7 Rallyes (in Klammer Netto-Punkte)

Niki Mayr-Melnhof (ST/Ford Fiesta R5) 133 (133)
2. Johannes Keferböck (OÖ/Ford Fiesta R5/Skoda Fabia R5) 87 (80)
3. Gerhard Aigner (OÖ/Ford Fiesta R5/WRC/Skoda Fabia R5) 83 (83)
4. Gerwald Grössing (NÖ/Ford Fiesta WRC) 34 (34)
=. Martin Kalteis (NÖ/Mitsubishi Lancer Evo VII) 34 (34)
6. Gerald Rigler (OÖ/Ford Fiesta R5) 33 (33)

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