RALLYE

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Showdown in Pecs

Ungewöhnlich früh fand das Finale der Ungarischen Rallyemeisterschaft statt, die Titelentscheidung verlief dabei höchst dramatisch.

Text & Fotos: Daniel Fessl

Hier finden Sie Fotos der Mecsek-Rallye.

Zu Jahresbeginn stand für Oktober noch die Kosice-Rallye in der Slowakei auf dem Terminplan, doch nachdem sich sowohl die Fahrer als auch die Teamverantwortlichen und die Sponsoren dagegen ausgesprochen hatten, "ihr" Finale im Nachbarland auszutragen, wurde die Kosice-Rallye kurzerhand wieder aus dem Kalender genommen und die Meisterschaft von ursprünglich acht auf nunmehr sieben Läufe reduziert.

Die Mecsek-Rallye rund um die Südungarische Bergbau- und Universitätsstadt Pecs ist eine reine Asphaltrallye, an zwei Tagen standen 14 Sonderprüfungen über insgesamt fast 170 Kilometer auf dem Programm.

Als besonderen Leckerbissen hat der Veranstalter ein ganz spezielles Showprogramm auf die Beine gestellt, das RB Skoda Team war mit Harri Rovanperä nach Ungarn gekommen, um am Freitagabend und zweimal am Samstag den Fans so richtig einzuheizen, bereits am Freitag ließ "Dirty Harri" den Fabia WRC richtig fliegen, und so mancher Reifen löste sich in Rauch auf, doch auf der relativ eng gesteckten Strecke des Prologs war wenig Platz, am Samstag jedoch wurde zweimal eine Superspecial auf dem Parkplatz des Expo-Centers von Pecs ausgetragen, dort gab es dann genügend Platz zum Driften und um Donuts ohne Ende zu drehen...kurz und gut, die Fans und augenscheinlich auch Harri Rovanperä hatten eine Menge Spass!

Doch nun zum Sportlichen, die Ausgangssituation in der Meisterschaft könnte spannender nicht sein, nach seinem technisch bedingten Ausfall bei der letzten Rallye in Budapest war Janos "Janika" Toth zwar immer noch der führende Mann und Favorit auf dem Meistertitel, doch seine Verfolger hatten aufgeschlossen und waren nun wieder absolut in der Lage, Janika den Meistertitel noch wegzuschnappen.

Wer sind nun diese Verfolger? Zum einen natürlich Balazs Benik, der die ganze Saison lang schon der härteste Wiedersacher Toths war und mit dem Ford Focus 03 WRC auch über das nötige Arbeitsgerät verfügt, um Janika echt zu fordern, der Dritte im Bunde ist Csaba "Spici" Spitzmüller, der Vizemeister des Vorjahres hat nach anfänglichen Schwierigkeiten, das richtige Auto zu finden, seit der Veszprem-Rallye einen topaktuellen Mitsubishi Lancer WRC zur Verfügung und kann sich ebenfalls noch berechtigte Chancen auf den Meistertitel ausrechnen.

Der Punktestand vor der Rallye: 1. Toth 90 Punkte – 2. Benik 82 – 3. Spitzmüller 74

Bei zwanzig Punkten für den Sieger und 15, 12, 10, 8 usw. für die weiteren Platzierungen war die Ausgangslage relativ klar, Spici musste unbedingt gewinnen und darauf hoffen, dass Janika keine oder nur sehr wenige Punkte holt und zudem Benik nicht aufs "Stockerl" fährt; Benik hingegen würde ein Sieg auch dann zum Meistertitel reichen, wenn Janika bestenfalls Vierter wird. Die beste Ausgangssituation hatte Janika, ihm reicht ein 3. Platz zum Meistertitel, egal, was seine beiden Konkurenten machen.

Als ob diese Ausgangssituation nicht schon brisant genug wäre, bereitete das vorherschende Wetter den Teams noch zusätzliche taktische Möglichkeiten, vier Sonderprüfungen waren ohne Service und natürlich auch ohne Reifenwechsel zu bewältigen, nach leichten Regenfällen während der Nacht waren die ersten beiden Prüfungen noch nass, die dritte Prüfung hingegen war schon wieder trocken und überdies mit 28 Kilometern die längste SP der Rallye.

Janos Toth und Spici hatten sich für Slicks entschieden, wohingegen Benik und Turi auf Intermediates ausrückten. Turi konnte als einziger der vier Spitzenfahrer gänzlich befreit von taktischen Zwängen alles riskieren, durch seine vielen technisch bedingten Ausfälle war er bereits ohne jede Chance auf den Meistertitel und konnte daher volles Risiko gehen, um im letzten Versuch doch noch einen Sieg feiern zu können.

Die zwei für die Auftaktprüfungen "richtig" bereiften machten auch das Tempo, Turi gewann sowohl SP 1 als auch SP 2 jeweils vor Benik, Janika konnte den Rückstand zwar einigermassen in Grenzen halten, doch es waren immerhin schon 28 Sekunden, die Turi dem Peugeot-Piloten abgenommen hatte. Benik verlor 18 Sekunden und lag damit auf Rang 2. Spici kam mit den feuchten Bedingungen nicht wirklich zurecht und büßte 46 Sekunden auf Turi ein, lag aber trotzdem auf Rang 4.

Auf der 28 Kilometer langen Orfü-Prüfung sollte dann die grosse Stunde der slickbereiften Fahrer kommen, Spici und Janika wollten hier den soeben aufgerissenen Rückstand wieder wettmachen und den Anschluss an Turi und Benik wieder herstellen. Doch leider entschied wieder einmal die Technik über Sieg und Niederlage, nach etwas mehr als der Hälfte der Strecke meldete sich Bea Bahor, Janikas Co-Pilotin, am Telefon beim Team, sie hätten den Peugeot 307 WRC soeben mit Motorschaden abgestellt.

Ein sehr bitterer Ausfall, und nach dem Differentialschaden in Budapest der zweite technisch bedingte Ausfall des Peugeot. Janikas knapper Kommentar: "Dies ist ein technischer Sport und solche Dinge passieren eben." Hinter den Kulissen gab es sowohl von Peugeot Ungarn als auch aus der Zentrale von Peugeot Sport in Frankreich heftige Kritik am BSA-Team, welches den Peugeot von Janika einsetzt.

Nichtsdestotrotz ging die Rallye weiter, der slickbereifte Spici fuhr wie erwartet zu seiner ersten Bestzeit, konnte allerdings Benik nur drei und Turi nur zehn Sekunden abnehmen. Die vierte Prüfung war die oben bereits erwähnte Superspecial auf dem Expo-Gelände, eigentlich sollte auf einer zwei Kilometer langen Prüfung nicht allzu viel passieren, doch Tamas Turi blieb seinem Ruf als Pechvogel treu, diesmal war es die Kupplung am Fabia WRC, die nicht mehr wollte. Turi verlor am Start 15 Sekunden auf Benik, der damit die Führung übernahm! Glück im Unglück war das Service direkt nach dieser Superspecial, wo Turis Kupplung getauscht werden konnte.

Nun ging es zum zweiten Mal über die vier Sonderprüfungen des Vormittags, die Straßen waren aufgetrocknet, für Benik war die Tür zum Meistertitel nach Janikas Ausfall weit offen, doch auch Spicis Chancen waren noch intakt, er musste aber jetzt unbedingt gewinnen. Dieser Druck war es wahrscheinlich, der Spici veranlasste, das Risiko deutlich zu erhöhen – und es kam, wie es kommen musste, auf der 5. SP, etwa 500 Meter vor dem Ziel, kam Spici in einer Rechtskurve zu weit nach außen, er schlitterte auf der folgenden Geraden ca. 200 Meter im Strassengraben dahin und versuchte vergeblich, den Lancer WRC wieder auf die Strasse zu bekommen.

Am Ende der Geraden vor der nun folgenden Linkskurve wurde der Strassengraben allerdings von einer betonierten Brücke unterbrochen; Spitzmüller schaffte es nicht, den Lancer rechtzeitig vor der Brücke wieder aus dem Graben zu steuern, und so bohrte sich der Mitsubishi lt. Datenaufzeichnung mit 150 km/h in die Betonmauer! Co-Pilot Mikki Kazar verliess das Wrack gänzlich unverletzt, und auch Spici hatte angesichts des heftigen Einschlages Glück im Unglück: Er trug zwar einen gebrochenen Fuß und eine tiefe Fleischwunde über dem linken Auge davon, ansonsten fehlte der Mitsubishi-Besatzung aber zum Glück nichts!

Die Sonderprüfung wurde nach diesem Vorfall natürlich neutralisiert, damit war nach nur vier gefahrenen Prüfungen von den drei Titelanwärtern nur mehr Balazs Benik übrig geblieben, nach dem Ausfall von Toth und Spici genügte ihm nun ein 4. Platz zum Titel; angesichts der doch schon sehr grossen Zeitabstände eine durchaus machbare Aufgabe!

Auf SP 6 war einmal mehr Turi der Schnellste, doch Benik verlor nur drei Sekunden, in der Gesamtwertung bedeutete das einen Abstand von nur 0,3 Sekunden zwischen Benik im Focus und Turi im Fabia. Sowohl den zweiten Durchgang auf der 28 Kilometer langen SP Orfü als auch die den ersten Tag abschliessende Expo-Superspecial holte sich Turi jeweils knapp vor Benik.

Damit endete der erste Tag mit einer knappen Führung des Skoda-Piloten Turi, er lag im Etappenziel 6,9 Sekunden vor Benik, eine abermals sensationelle Vorstellung bot Robert Butor, als Annerkennung für seinen bereits feststehenden Meistertitel in der S1600-Klasse bekam er von Suzuki Ungarn einen nagelneuen Swift S1600 zur Verfügung gestellt. Butor bedankte sich auf seine Weise, zur Halbzeit der Rallye lag er an der dritten Stelle und damit vor Herzcig im Impreza WRC und Turan im Gr. A Mitsubishi, vom Zweitplazierten in der S1600-Klasse, Sasa Olle im Ignis, trennten Butor bereits zwei Minuten!

Der zweite und entscheidende Tag begann mit Sonnenschein, sechs Prüfungen über nur mehr 60 Kilometer fehlten Balazs Benik noch, um sich zum Meister zu machen. SP 9 ging klar an Turi, die folgende Prüfung wurde wegen eines Zwischenfalls mit einem Vorausauto neutralisiert, und auf SP 11 fuhr plötzlich Benik eine überlegenen Bestzeit! Was war mit Turi passiert?

Abermals versagte die Kupplung ihren Dienst, dadurch verlor Turi zwölf Sekunden auf Benik, der damit wieder die Spitze übernahm. Im anschließenden Service wurde nun bereits das dritte Mal die Kupplung am Fabia WRC von Turi gewechselt, es sollte das letzte Mal bleiben...

Auf der folgenden Prüfung stellte Turi den Skoda ab, wie man nachher feststellte lag das Problem nicht an der Kupplung, sondern an der Kraftübertragung selbst. Somit blieb Turi seinem Ruf als "Petter Solberg von Ungarn" treu, er lag in dieser Saison in jeder Rallye zumindest einmal in Führung, die einzigen zwei zählbaren Resultate bleiben der 4. Platz bei der Savaria und der 3. Platz bei der Veszprem-Rallye.

Seiner kompletten Gegnerschaft beraubt, musste Benik nun eigentlich nur mehr ins Ziel rollen, sein Vorsprung auf Frigyes Turan im wunderschönen Mitsubishi betrug fast vier Minuten, und bei noch zwei ausstehenden Prüfungen war dies doch ein beruhigender Vorsprung. Benik nahm zwar deutlich Tempo raus, holte sich aber trotzdem beide Bestzeiten und gewann damit nicht nur die 39. Ausgabe der Mecsek-Rallye, sondern auch die Ungarische Rallye-Staatsmeisterschaft 2006!

Das gesamte Benik Motorsport Team hatte sich an der Zeitkontrolle der letzten SP versammelt, um dem neuen Meister einen gebührenden Empfang zu bereiten. Für Benik ist dies nach 2003 der zweite Meistertitel, mit etwas Glück können die österreichischen Rallyefans den ungarischen Champion und seinen Ford Focus WRC 03 bei der Waldviertel-Rallye live bewundern!

Hier des Endergebnis der Mecsek-Rallye:

1 Benik Balázs
Varga István
Ford Focus RS WRC
OMV Benik Motorsport
WRC 1h27'27"6
2 Turán Frigyes
Rusznák László
Mitsubishi Lancer EVO VI
Top Speed Racing Kft.
A8 +03'55"9
3 Herczig Norbert
Csökő Zoltán
Subaru Impreza WRC
Subaru Rally Team Hungary
WRC +04'16"2
4 Bútor Róbert
Tóth Vilmos
Suzuki Swift S1600
Bútor Rallye Team
A6 +04'29"4
5 Vizin László
Táborszki Attila
Toyota Corolla WRC
Bajai AVSE
WRC +05'25"1
6 Matics Mihály
Vinoczai Attila
Mitsubishi Lancer EVO VI
Visual Racing Kft.
N4 +05'27"0
7 Ollé Sasa
Kerék Balázs
Suzuki Ignis S1600
Minor Suzuki-Treff Motorsport
A6 +05'58"6
8 Krózser Menyhért
Fodor Géza
Suzuki Swift S1600
Co-Partners Motorsport
A6 +06'10"6
9 Botka Krisztián
Mihalik Péter
Mitsubishi Lancer
Botka Autósport Kft.
N4 +06'11"3
10 Peth István
Rubóczky Attila
Mitsubishi Carisma GT EVO VI
RS+ Technic Kft.
A8 +06'11"5

Der Endstand in der Ungarischen Rallyemeisterschaft 2006:

1. Benik/Varga        Ford Focus WRC           102
2. Toth/Bahor Peugeot 307 WRC 90
3. Spitzmüller/Kazar Mitsubishi Lancer WRC 74
4. Vizin/Taborszki Toyota Corolla WRC 39
5. Herczig/Csökö Subaru Impreza WRC 38
6. Turan/Rusznak Mitsubishi Lancer Evo 37
7. Butor/Toth Suzuki Ignis/Swift S1600 34

Und hier noch die gesammelten Meister:

Gesamt: Benik/Varga (Ford Focus WRC 03)
Gruppe A: Butor/Toth (Suzuki Ignis/Swift S1600)
Gruppe N: Matics/Vinoczai (Mitsubishi Lancer Evo VI)
Super 1600: Butor/Toth (Suzuki Ignis/Swift S1600)

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