
Neue Mercedes M-Klasse - schon gefahren | 30.08.2011
Für die harte Tour
Mercedes gelang es, den neuen ML bei aller nach wie vor bestehenden Gediegenheit optisch wie technisch zum echten Offroader zu machen.
mid/afb
Die Verweichlichung der ehemals härtesten Burschen ist allgegenwärtig: Sogar Jeep und Land Rover, bekannt als Ikonen der Geländefahrt, bieten mittlerweile Fahrzeuge mit nur einer angetriebenen Achse an.
Beruhigend, dass Mercedes mit der neuesten Generation der ML-Klasse beherzt vom schlaglochfreien Teerpfad abgebogen ist und die Schotter-Piste auch visuell unter die Räder genommen hat.
Ein maskulines Styling und robuster Unterbodenschutz an der Bugschürze signalisieren jedem Zweifler: "Hier ist ein echter Offroader unterwegs". Dennoch erreicht der Wagen einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,32, was nicht nur in der SUV-Klasse vorbildlich ist, sondern vor wenigen Jahren nur von
Coupés erreicht wurde.
4x4-Antrieb gibt es wie gehabt von Haus aus, allerdings ist die Hochrüstung zur vollen Geländetauglichkeit mit 2.600 Euro zu vergüten. Und dann nur, wenn man zuvor die Luftfederung um 2.300 Euro bestellt hat. Das Gesamtpaket enthält dann die Möglichkeit der Erhöhung der Bodenfreiheit auf 258 Millimeter, eine verstärkte Unterbodenverkleidung, drei Differenzialsperren und ein Reduktionsgetriebe.
Im Gegensatz zum aus der Land Rover-Familie bekannten Drehschalter zur Programmwahl ohne Beispiel ist die animierte Fahrzeugdarstellung auf dem Navigationsmonitor, wo bis hin zu den einfedernden Rädern jede Situation im Gelände realitätsgetreu visualisiert wird.
Mit ihrer Hilfe kann der ambitionierte Offroad-Novize den staunenden Mitfahrern beweisen, dass der gerade schadlos passierte Abhang ein Gefälle von 60 Prozent aufwies.
Blinkerhebel endlich neu positioniert
Zu den lobenswerten Änderungen in der Cockpitgestaltung gehört, dass der
Blinkerhebel aufgewertet und höher an der Lenksäule platziert wurde. Wer Jahrzehnte Mercedes fuhr, wird dies womöglich als Zumutung empfinden, für die Markenumsteiger, die Mercedes ja gewinnen will, ist es aber ein wichtiges Detail. Nunmehr ist die Bedienung einfacher und sicherer, da nicht mehr zufällig der Tempomat ausgelöst werden kann, wenn man abbiegen will.
Eine ebenso bekannte wie lästige Tatsache ist es, dass hohe Aufbauten eher der Querbeschleunigung nachgeben, als flach gebaute Autos. Zu den bauartbedingten Eigenheiten der SUV gehört ihr hoher Schwerpunkt, da macht auch die neue M-Kasse keine Ausnahme.
Knapp 1,80 Meter sind selbst mit dem Standardfahrwerk nicht zu unterbieten. Damit die Karosse auch bei flotter Kurven- oder Slalomfahrt aufrecht bleibt, hat Mercedes eine Wankstabilisierung für 4.200 Euro extra entwickelt.
Sie nutzt die Daten eines Querbeschleunigungs-Sensors, aktive Fahrwerkstabilisatoren an jeder Achse und eine Hydraulik-Pumpe, um die Fuhre im Lot zu halten.
Ein billiges Vergnügen ist Mercedes-Fahren noch nie gewesen, doch der Mindestpreis von 61.950 Euro für den ML neuester Bauart kann schon als stolz bezeichnet werden. Dafür bekommt man den ML 250 CDI, dessen
Vierzylinder-Motor 204 PS leistet.
Zunächst drei Motoren
Zweiter Diesel im Sortiment ist der ML 350 CDI, dessen Leistung 258 PS beträgt. Sein bärenstarkes Drehmoment von 620 Newtonmetern setzt er schon bei 1.600 Umdrehungen frei, weshalb er mit einer Beschleunigung von 7,4 Sekunden von null bis 100 km/h auch das temperamentvollste Fahrzeug im Angebot ist.
Der Benziner wird in Europa wohl nur eine Statistenrolle spielen, dürfte aber die Kunden im Herkunftsland der Baureihe ansprechen. Wie der Vorgänger auch wird die ML-Klasse im US-Bundesstaat Alabama gebaut, wo der 3,5 Liter große Sechszylinder mit 306 PS durchaus seine Freunde finden dürfte.
Alle Motoren sind konsequent auf geringen Verbrauch und Schadstoffausstoß getrimmt. Dank Harnstoff-Injektion ("Add Blue") schaffen auch die Diesel bereits heute die Euro 6-Norm.
Mit einem Minimalverbrauch von 8,5 Litern ist der Benziner ein genügsamer Geselle, der V6-Diesel stellt ihn aber klar in den Schatten: 6,8 Liter je
100 Kilometer sagt das Datenblatt - auch dank serienmäßiger Start-Stopp-Automatik.
Der kleinere Dieselmotor dreht kernig, aber kultiviert hoch, hat mit den zwei Tonnen Auto keine Probleme und schnurrt auf der langen Geraden gemütlich dahin, so dass am Ende sechs Liter je 100 Kilometer heraus kommen können. Der geringer verdichtete Sechszylinder gewinnt Sympathie durch das souveränere Klangbild.
Beiden gemeinsam ist eine leise Anfahrschwäche, denn erst wenn der Turbo Druck erzeugt, geht richtig die Post ab. Verzögerungen in der Kraftentfaltung kennt der Benziner nicht, aber dafür klingt er dort, wer er am meisten Kraft freisetzt, nämlich um die 5 000 Touren, schon ein wenig angestrengt.
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