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Cash Burn

In der Motor City stockt die Geldmaschine - entkommen die US-Hersteller dem großen Motorschaden? Und wie geht's in Europa weiter?

Sand im Getriebe der Autoindustrie: In Europa bekommt man die Kreditkrise immer mehr zu spüren, die mittlerweile zu einer Konsumkrise zu werden droht.

In Wachstumsmärkten wie China sind die Zuwachsraten auf einstellige Werte eingedampft. All das ist aber (noch) vergleichsweise mild gegen die Misere in Nordamerika.

Die Verkaufszahlen sind dort auf den Wert von 1983 gefallen. Vor allem die ehedem so großen Drei in Detroit müssen bluten. Der Oktober 2008 brachte insgesamt das bislang schlechteste Verkaufsergebnis der gesamten Nachkriegszeit.

Im Vergleich zum Oktober 2007 wurden insgesamt 32 Prozent weniger Autos verkauft. In Summe sind das ungefähr 10,5 Millionen Fahrzeuge.

Die Verkaufszahlen von Ford sind um 30% zurückgegangen; General Motors hat 45% eingebüßt, Chrysler 36%.

Geldverbrennung

Wo früher die Rede von Wachstumsraten, Umsätzen und – in den letzten Jahren immer seltener – Profiten war, steht heute vor allem eine Zahl im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: der "cash burn“.

Denn Geldverbrennung müssen General Motors, Ford und Chrysler dieser Tage exzessiv betreiben.

GM und Ford haben dieser Tage ihre Bilanzen für das dritte Quartal 2008 veröffentlicht. GM hat netto 2,5 Milliarden Dollar verloren, bei Ford liegt der Nettoverlust bei 129 Millionen. Die operativen Verluste sehen GM mit 4,2 Milliarden im Minus, bei Ford liegt diese Zahl bei 2,98 Milliarden.

GM musste im dritten Quartal 2008 aus eigenen oder geborgten Reserven die stolze Summe von ca. 2,3 Milliarden Dollar "verbrennen“ – also zuschießen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Pro Monat, wohlgemerkt. Das sind 75 Millionen Dollar pro Tag. Bei Ford waren es 1,9 Milliarden pro Monat, knapp 65 Millionen pro Tag.

Das unaussprechliche B-Wort taucht (nicht nur bei GM) in so manchem Katastrophenszenario auf: Bankrott.

Chrysler muss sein Geschäftsergebnis nicht offen legen, weil man seit der Übernahme durch den Investmentfonds Cerberus Capital Management (Stichwort: BAWAG) von der Börse gegangen und sich zu einer LLC (Limited Liability Company, also eine GmbH) umorganisiert hat.

Nach eigenen Angaben für das zweite Quartal ’08 in diesem Zeitraum 660 Millionen Dollar verloren. Beobachter sehen Chrysler als das unmittelbar am meisten gefährdete der drei Unternehmen.

Was macht Washington?

Die Kapitäne der drei schlingernden Giganten waren vor kurzem einträchtig in Washington, um sich von der US-Regierung eine große Finanzspritze zu erbitten.

G. Richard Wagoner für GM, Alan R. Mulally für Ford und Robert L. Nardelli für Chrysler deponierten bei der Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi die Bitte nach einem 25-Milliarden-Hilfspaket.

Das derzeitige Regime hat sich für Rettungsmaßnahmen im Auto-Sektor bislang weniger begeistern können als beispielsweise für die Sanierung des Finanzwesens. Die dortigen Lobbyisten dürften näher am Ohr des Noch-Präsidenten Bush sitzen. (In den USA sind heuer bislang neunzehn Banken in die Knie gegangen.)

Man hatte vor der großen Kreditkrise bereits eine Finanzhilfe für die Einführung umwelt- und verbrauchsfreundlicherer Fahrzeuge zugesagt, die ist aber zweckgebunden und reicht jetzt bei weitem nicht mehr aus.

Bushs Amtsnachfolger Barack Obama steht den Hilferufen der Detroit Three weitaus freundlicher gegenüber, verspricht staatliche Hilfe in Verbindung mit der Pflicht zum Umstieg auf treibstoff- und schadstoffeffizientere Antriebstechnologien.

Aber er kommt erst Mitte Jänner 2009 ins Amt. Und erst 2010 ist Analysten zufolge ein Ausweg aus der Krise in Sicht. 2009 wird ein langes und vor allem kostspieliges Wellental.

General im Trommelfeuer: GM

Die General Motors Corporation hat sich ihr 100. Bestandsjahr anders vorgestellt. Vor kurzem haben GM und Chrysler haben ihre Gespräche über eine Fusion auf Eis gelegt.

Offizielle Begründung: die derzeitige Wirtschaftslage lasse ein solches Unterfangen nicht zu.

Inoffiziell hat die treibende Kraft hinter den Fusionsgesprächen die Lust am Autogeschäft endgültig verloren, und die heißt Cerberus. Dem Fonds gehört nicht nur Chrysler, sondern auch eine Mehrheit an der GM-Finanzsparte General Motors Acceptance Corporation (GMAC).

Cerberus ist zur denkbar schlechtesten Zeit in diese Branche eingestiegen, gerade rechtzeitig zur feierlichen Eröffnung der größten Krise seit den 1920ern. Der Investmentfonds ist an schnellen und möglichst hohen Gewinnmargen interessiert, stattdessen hat man Sodbrennen vom "cash burn“.

Beispiel für die Cerberus-Panik: GMAC hat die Kriterien für Leasingverträge deutlich verschärft. Nur mehr Kundschaft mit sehr guter Bonität kann ein Fahrzeug über GMAC leasen. General Motors selbst schätzt, dass damit 40 Prozent seiner bisherigen Leasingkunden durch den Rost fallen.

Die Hälfte seines 45prozentigen Verkaufsrückganges, das sind ca. 70.000 unverkaufte Fahrzeuge, schreibt der Konzern der neuen GMAC-Leasingpolitik zu. Abstruse Situation: GM zahlt seinen Vertragshändlern Prämien (Geld, das man eigentlich nicht hat) für jeden Abschluss, der nicht über GMAC erfolgt.

Von diesen Vertragshändlern hat GM, wie auch Ford und Chrysler, mehr als genug. Deren Verträge sind so gestaltet, dass eine Vertragsauflösung nur auf zwei Arten zu bewerkstelligen ist: durch Ablösen (teuer für den Hersteller) oder durch das wirtschaftliche Scheitern des Händlers (schlecht für die Volkswirtschaft).

Pessimistische Schätzungen sprechen von insgesamt bis zu 1.000 amerikanischen Autohändlern, die den nächsten Dezember nicht erleben werden. Optimistische Schätzungen halten bei 700.

Rick Wagoner muss das Divisionen- und Regionendenken unter Kontrolle bekommen. Dreizehn Marken vereint GM unter seinem Dach, davon sind acht in Nordamerika aktiv. Es gibt etliche Überschneidungen im Angebot.

Die Plattformen werden stetig reduziert, damit werden die Produkte aber noch ähnlicher. In verschiedenen Regionen werden verschiedene Marken gepusht, so ist zum Beispiel die zuhause in Amerika beinahe marginalisierte Marke Buick in China beliebt.

General Motors hat bereits bekanntgegeben, sich von der Offroad-Tochter Hummer trennen zu wollen. Ebenfalls zur Disposition stehen jetzt die Zubehörfirma AC Delco und – Krisenexport nach Europa - das Werk im französischen Strasbourg.

Und eigentlich unvorstellbar in Zeiten der technischen Umwälzung auf dem Autosektor: Es gibt für 2009 einen Entwicklungsstop. Davon betroffen war ursprünglich auch der neue Global-Chevy Cruze, der in Europa nächstes Jahr auf den Markt kommt.

Jetzt ist er, genau wie der Hybrid-Hoffnungsträger Chevrolet Volt und der Camaro, unumstritten. Die neue Corvette mit Mittelmotor-Architektur zum Beispiel wurde hingegen auf 2013 verschoben.

Mit wem, und wann: Chrysler

Chrysler hat sich aus dem Leasinggeschäft derzeit überhaupt zurückgezogen. Auch der von Walter P. Chrysler 1925 gegründeten, seit der Scheidung von Daimler geschrumpften Firma mit ihren Marken Chrysler, Dodge und Jeep hat der Einbruch des Truck-Segments und die Kreditkrise den Boden unter den Füßen weggezogen.

Kaum sind die ersten neu entwickelten Hybrid-Varianten der angegrauten SUV-Modelle Chrysler Aspen und Dodge Durango vom Band gelaufen, da wurde jetzt die betreffende Fabrik zugesperrt. Die Kosten für Entwicklung und Produktionsumstellung hat man also zu bestreiten, aber man verdient nichts am Produkt.

Eine komplette Linie von Elektrofahrzeugen aus dem Entwicklungsprogramm ENVI wird für die nähere Zukunft angekündigt, sofern es eine nähere Zukunft gibt. Nach dem De-Facto-Ende der GM-Gespräche werden Renault-Nissan oder Hyundai als künftige "Partner“ (soll heißen: neue Chefs in Auburn, Michigan) gerüchtet.

Interessant im Chrysler’schen Portfolio sind für einen etwaigen Käufer vor allem die Marke Jeep und die anerkannte Minivan-Kompetenz. So lässt zum Beispiel auch VW sich seinen neuen US-Minivan Routan von Chrysler bauen.

Für ein außeramerikanisches Unternehmen könnte die schiere Präsenz von Chrysler mit seinem etablierten (zu großen) Händlernetz ein Sprungbrett auf den US-Markt sein. Alles andere stünde im Fall einer Übernahme wohl zur Disposition – das wären ca. drei Viertel aller Chrysler-Arbeitsplätze.

Vor kurzem hat Chrysler einen großen Zulieferer verklagt: die deutsche Getriebefirma Getrag wollte in einem 530 Millionen Dollar großen Joint Venture ein Werk für Doppelkupplungsgetriebe aufbauen und organisierte dafür die Finanzierung.

Im Zuge dessen hätte Chrysler seinen Anteil von 300 Millionen Dollar vorab sicherstellen sollen. Das war für Chrysler Anlass genug zur Klage. Und es wirft auf das nach Firmenangaben vorhandene großzügige Cash-Polster des Unternehmens kein allzu gutes Licht.

Gute Nachricht, schwacher Trost: der süße V10-Wahnsinn namens Dodge Viper verkauft sich (Krise? Welche Krise?) bei einer Produktion von 100 Stück pro Monat weiterhin wie geschmiert.

Bruchlandung oder Höhenflug: Ford

Ford steht noch am relativ besten da. CEO Alan Mulally kommt nicht aus der Autobranche, aber hat unter anderem bereits den Flugzeugkonzern Boeing saniert. Er verfolgt mit seiner Strategie "One Ford“ die Vereinheitlichung der weltweiten Entwicklung und Produktion.

Denn die US-Konzerne haben zu lange ihre regionalen Niederlassungen eigene Wege gehen lassen, es gibt teure Doubletten beim Entwicklungsaufwand. Auch werden die Stimmen immer lauter, die die Einführung der verbrauchsärmeren Europa-Modelle in Nordamerika fordern.

Das ist allerdings nicht ganz so einfach bewerkstelligt: einerseits haben die sparsamsten Modelle Dieselmotoren. Das Diesel-Versorgungsnetz ist in den USA lückenhaft, der Pkw-Dieseltreibstoff signifikant teurer als Benzin, und die Emissionsstandards sind strenger in Europa. Deshalb sind etliche verfügbare Dieselmodelle nicht unmittelbar in Amerika einsetzbar.

Außerdem müssen sie - wie in Zukunft der nach US-Maßstäben winzige Fiesta - wegen des ungünstigen Dollar-Euro-Verhältnisses in Nordamerika produziert werden; als Importfahrzeuge kämen sie zu teuer. Zu lange hat man jedoch Produktionskapazitäten für große Trucks und SUVs ausgebaut, die Mitte des Jahres urplötzlich zu Ladenhütern geworden sind.

Die Umstellung der Werks auf neue Produkte braucht Zeit – deshalb die oft beschworene Wende im "magischen“ Jahr 2010, wenn die neuen Produkte auf den Markt kommen sollen - und vor allem vermehrten "cash burn“.

Die Company hat sich von Aston Martin, Jaguar und Land Rover mittlerweile getrennt, somit bleibt die Frage nach dem Schicksal von Volvo.

Von den ureigenen US-Marken wird Mercury vermutlich entweder zu einem Outlet für Europa-designte Ford (ähnlich wie es GM mit seiner Marke Saturn macht, die Opel-Fahrzeuge vertreibt), oder ebenfalls ein Kandidat für den Autofriedhof.

Ein Großinvestor hat sich verabschiedet: Kirk Kerkorian nimmt einen namhaften Verlust hin, um sich von Ford zu empfehlen.

Insgesamt hängen ca. 240.000 Jobs in den USA unmittelbar an den drei amerikanischen Konzernen, etliche davon werden demnächst nicht mehr existieren. Dazu kommen die Zulieferfirmen, die Beschäftigtenzahlen gehen in die Millionen. Wenn GM, Ford und Chrysler das nächste Jahr nicht überleben, könnte das erst der Anfang einer noch viel größeren Krise sein.

Auch die aktuellen Könige im amerikanischen Auto-Business, Nissan und Toyota, haben übrigens ihre globalen Gewinnaussichten um die Hälfte reduziert, BMW und Porsche drosseln ihre Erwartungen ebenso.

Und in Europa werden sich einige Hersteller um ein insgesamt 40 Milliarden Euro großes EU-Hilfspaket bemühen. Brandelt es auch hier im Geldofen?

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