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Das "Mäuschen" wird 70

Der Wunsch von Giovanni Agnelli an die Fiat Entwicklungsabteilung ist mehr als ungewöhnlich. „Il Senatore“, wie Agnelli respektvoll genannt wird, fordert von den Technikern ein kleines, sparsames und vor allem bezahlbares Auto. Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts ein beinahe schon revolutionärer Gedanke.

Zu dieser Zeit ist das Automobil noch immer ein Privileg der so genannten gehobenen Gesellschaftskreise. Auch die Modellpalette von Fiat bietet in erster Linie luxuriöse Automobile, selbst vom vergleichsweise kleinen Fiat Balilla kann der normale Arbeiter nur träumen.

Agnelli beauftragt eine Mannschaft mit der Entwicklung des ersten Fiat Kleinwagens, die normalerweise mit wesentlich größeren Objekten beschäftigt ist: mit Flugzeugen. An der Spitze steht ein zu dieser Zeit noch unbekannter, 28 Jahre alter Ingenieur und Konstrukteur namens Dante Giacosa. Dieser entscheidet sich für einen Vierzylinder-Viertaktmotor – ähnliche Projekte der ausländischen Konkurrenz bauen auf Zweitakt-Technik – mit wenig mehr als 500 Kubikzentimetern Hubraum.

Statt des technisch noch nicht ausgereiften Frontantriebs erhält der „Zero A“ (für „Aviazione“) genannte Prototyp Heckantrieb. Rodolfo Schaeffer entwirft eine zweitürige, schnörkellose Karosserie mit zeitgemäß aufgesetzten Frontscheinwerfern und auf dem Heck montiertem Ersatzrad. Im Februar 1934, nach zwölfmonatiger Entwicklungszeit, präsentiert Giacosa den „Zero A“ der Fiat Geschäftsführung. Agnelli ist begeistert und genehmigt die Serienproduktion.

Fiat 500 A (1936 - 1948)

Im Juni 1936 wird die inzwischen auf den Namen Fiat 500 getaufte Neuentwicklung der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt. Manche ahnen, dass der 3,21 Meter lange Zweitürer das Leben auf Italiens Straßen verändern wird. Plötzlich kann sich jeder Normalverdiener ein Auto leisten.

Schnell bürgert sich der Spitzname „Topolino“ (Mäuschen, gleichzeitig der italienische Name der Walt-Disney-Comicfigur Micky Maus) für den keck aus großen Scheinwerfern in die Welt schauenden Winzling ein. Der Grundstein ist gelegt für eine bis ins 21. Jahrhundert reichende Fiat Tradition im Bau von pfiffigen Kleinwagen, die vom Fiat 500 über den Nuova Fiat 500 und den Fiat Cinquecento bis zum Fiat Panda reicht. Eine „Seitenlinie“ dieser Familie ist auch der österreichische Puch 500.

Der von 1936 bis 1948 in zwei Serien – einziger Unterschied sind geänderte Federn an der Hinterachse – gebaute Fiat 500 A erobert die Straßen im Sturm. Sein 569-Kubikzentimeter-Motor leistet 10 kW (13 PS), mit denen immerhin 85 km/h Höchstgeschwindigkeit möglich sind. Die zwei höchsten Gänge des Viergang-Getriebes sind synchronisiert, die ersten beiden Gänge müssen mit Zwischengas geschaltet werden. Der Schalthebel liegt für die Zeit ungewohnt zwischen den Sitzen und nicht am Lenkrad.

Die hintere Sitzbank bietet Platz für bis zu 50 kg Gepäck oder zwei Kinder. Während die meisten Kunden auf die aufpreispflichtigen Stoßstangen verzichten, erweist sich eine andere Option als nahezu 100%iger Treffer – das große Rolldach. Rund 122.000 Exemplare des Ur-Topolino werden gebaut.

Fiat 500 B (1948 - 1949)

Nur zwei Jahre lang (1948 bis 1949) und in geringerer Stückzahl (rund 21.000) wird der Fiat 500 B gebaut. Karosserie und Fahrwerk bleiben nahezu unverändert. Allerdings wird der Motor überarbeitet.
Obenliegende Ventile heben die Leistung auf 12 kW (16,5 PS) an, die Höchstgeschwindigkeit steigt auf 95 km/h.

Ebenso bemerkenswert wie die verbesserte Motorleistung ist die Einführung einer zusätzlichen Karosserievariante: Der Fiat 500 Giardiniera Belvedere verfügt über ein aus Holz und Kunststoffverkleidungen aufgebautes Kombiheck und Platz für vier Erwachsene – er gilt als Urvater aller Mini-Kombis.

Fiat 500 C (1949 - 1955)

Endgültig zum Großserienfahrzeug mausert sich das „Mäuschen“ mit der Einführung der C-Variante. Über 376.000 Exemplare von Limousine (Berlinetta) und Kombi (zunächst als Giardiniera, ab 1951 als Belvedere mit nun komplett aus Metall gefertigter Karosserie) werden von 1949 bis 1955 gebaut.

Mechanisch nur wenig verändert, präsentiert sich der Fiat 500 C mit grundlegend überarbeiteter Karosserie. Sie erinnert stark an amerikanische Vorbilder – allerdings bei einer Länge von 3,24 Meter eher im Maßstab 1:2.

Als erster Fiat überhaupt erhält die letzte Topolino-Version ein Heizungssystem, das die Warmluft des Kühlers nutzt. Trotz eines nun aus Aluminium gegossenen Zylinderkopfes bleiben Motor- und Fahrleistungen unverändert.

Abgelöst wird der als Topolino zur Legende gewordene Fiat 500 gleich von zwei, ebenfalls von Dante Giacosa konstruierten Nachfolgern – dem Fiat 600 (ab 1955) und dem Nuova Fiat 500 (ab 1957).

Technische Daten Fiat 500 C “Topolino” (1949 – 1955)

Motor / Kraftübertragung
Typ: Vierzylinder-Reihenmotor, vorne längs eingebaut
Hubraum: 570 cm³
Leistung: 12 kW (16,5 PS) bei 4.400 U/min
Getriebe: Vier Vorwärts- und ein Rückwärtsgang, Heckantrieb
Kupplung: Einscheiben-Trockenkupplung

Fahrwerk
Aufhängung: vorne Einzelradaufhängung mit Querlenkern, quer liegende Blattfeder, Teleskop-Stoßdämpfer; hinten Starrachse mit halbelliptische Blattfedern, Teleskop- Stoßdämpfer, Stabilisator
Bremsen: Trommelbremsen ringsum
Räder: Metall-Scheibenräder, 4,25J x 15

Karosserie
Maße: Länge 3.245 mm / Breite 1.288 mm / Höhe 1.375 mm, Radstand 2.000 mm, Bodenfreiheit 145 mm, Spurweite 1.116 mm vorne / 1.083 mm hinten
Versionen: zweisitzige, zweitürige Limousine bzw. viersitzige, zweitüriger Kombi (Gardiniera, ab 1951 Belvedere)
Gewicht: 610 kg leer, 800 kg zulässiges Gesamtgewicht (Belvedere: 660 kg leer, 990 kg zulässiges Gesamtgewicht)
Fahrdaten: Höchstgeschwindigkeit 95 km/h (Belvedere: 90 km/h), Verbrauch 5 Liter/100 km (Belvedere: 5,8 l)

Produktion: 376.370
Produktion der gesamten 500-Reihe: 419.846

  • Hier finden Sie Fotos des Fiat Topolino!
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