CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Gott in Frankreich

Mitte der 1970er Jahre wagte sich Peugeot nach langer Pause zurück in die gehobene Klasse - mit dem 604, der es zu weltweitem Erfolg brachte.

mid/wu

Der im März 1975 auf dem Genfer Automobilsalon präsentierte 604 zog dank Pininfarina-Design zunächst die Blicke der Besucher auf sich, und als die Limousine wenig später bei den Händlern stand, griff die Kundschaft zu.

Die Rückkehr in die höheren Sphären des Marktes war gelungen, und ein echter Konkurrent für die etablierten deutschen Oberklasse-Vertreter fand seinen Platz.

Zum ersten Mal seit den 1930er Jahren arbeitete wieder ein Sechszylinder unter der Haube eines Peugeot, und damit ließ man vor allem die innerfranzösische Konkurrenz von Citroen hinter sich. Ab 1976 musste man unter einem gemeinsamen Konzerndach leben - doch davon war ein Jahr vorher noch keine Rede.

Dass man sich den Antrieb mit Volvo und (ausgerechnet) Renault teilen musste, war nebensächlich - endlich fuhr die Marke wieder mit den Premium-Herstellern aus Deutschland auf Augenhöhe. Ursprünglich war sogar ein V8-Zylinder geplant, doch dann fielen zwei Zylinder der Energiekrise zum Opfer.

Dabei war es durchaus hilfreich, dass Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing die neue Limousine als Staatskarosse (Bild unten) wählte und damit für Präsenz auf höchster Ebene sorgte. Seine Nachfolger wechselten dann später allerdings wieder zu Citroen.

Während sich Monsieur Le Président nicht mit Dingen wie Katalogen und Austattungsdetails beschäftigen musste, registrierten die bürgerlichen Kunden erfreut das Fehlen langer Aufpreislisten, was wiederum der deutschen Konkurrenz zu Denken gab. Lediglich eine Getriebeautomatik, ein elektrisches Schiebedach und Ledersitze konnten anfangs als Extras geordert werden.

Der 604 hielt weitgehend, was die Werbung versprach. Zwar machte der Sechszylinder mit seinen 100 kW/136 PS aus dem 604 keine Sportlimousine, doch dafür war es vor allem der Komfort der 4,72 Meter langen Stufenheck-Limousine, der die Kundschaft überzeugte.

Damals verkündete die Werbung: "Fachleute sind fest davon überzeugt, dass er in seiner Klasse der Komfortabelste ist". Tatsächlich konnte sich der 604 immer wieder in Vergleichstests behaupten und wurde zu einem Botschafter des "Fahrens wie Gott in Frankreich".

Fahrer und Passagiere versanken in den bequemen Velourssitzen und genossen auch dank des "französisch" abgestimmten Fahrwerks die Fahrt. Unter der Haube summte der Sechszylinder und verschonte die Insassen mit akustischen Belästigungen.

Dank der Karosserie-Firma Heuliez ließ sich der Radstand um bis zu 62 Zentimeter verlängern (Bild links) und so entstand Platz für zusätzliche Klappsitze, Fernseher, Bar und eine für damalige Verhältnisse vollständige Ausstattung mit Büro-Kommunikation.

Keine Frage, Peugeot hatte sich in der Premium-Liga etabliert. Insgesamt mehr als 153.000 Exemplare liefen von den Bändern, und machten die Limousine zu einem weltweiten Botschafter der französischen Traditionsmarke.

In Korea lief der 604 als Lizenzproduktion vom Band, und auch in den USA, wo Peter Falk alias Lieutenant Columbo mit einem klapprigen 403-Cabriolet auf Mörderjagd ging, war der 604 erfolgreich, konnte aber am Ende den Abschied der Marke nicht verhindern.

Damals war sogar die Diesel-Version in den USA erfolgreich. Möglicherweise lag das Scheitern auch an der Unfähigkeit der Amerikaner, Peugeot korrekt auszusprechen - mehr als "Piugot" brachten die meisten nicht zustande.

Im Laufe der Jahre legte der 604 kontinuierlich an Leistung zu, bis er am Ende 110 kW/150 PS leistete. Mit der 1979 vorgestellten Turbo-Diesel-Variante (59 kW/80 PS) rollte zudem erstmals ein Turbodiesel auf den europäischen Markt. Mit dem Ende der Produktionszeit 1986 für den 604 endete auch die erfolgreiche Ära Peugeots in der gehobenen Klasse.

Die Nachfolger 605 (unterstes Bild links) und 607 konnten an die Erfolge der großen Peugeot-Limousinen nicht mehr anschließen, und schließlich verabschiedete sich die Marke ganz aus diesem Segment.

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Geliebter Fremdkörper

Helden auf Rädern: VW 1500 Rural

Ein Auto, das nach mehreren Umbenennungen, Joint Ventures, Pleiten, Übernahmen und Facelifts nach wie vor durch seine Qualitäten überzeugen konnte, kann ja nicht so schlecht sein. Die Geschichte des VW 1500 Rural zeigt, worauf es eigentlich ankommt.

Gleich, aber nicht

Helden auf Rädern: VW Mitra

Dieser VW Transporter ist kein VW Transporter. Oder zumindest nur teilweise. Jedenfalls nicht so, wie man es anhand der Optik vermuten würde. Eine wirre Geschichte, die nicht lange gutgehen konnte.

Es bleibt in der Familie

Mit dem neuen Rabbit im Golf-Museum

Ein runder Geburtstag ist immer ein guter Grund, seine Vorfahren zu besuchen. Zum 50-jährigen Jubiläum ging es mit dem neuen Rabbit auf Spurensuche, wie viel sich im Laufe von acht Generationen Golf geändert hat. Und was alles gleichblieb.

Zweierlei Reibwerte

Helden auf Rädern: VW Öko-Polo

Viele technische Neuerungen sind älter als sie scheinen. Oft ist die Zeit aber einfach noch nicht reif dafür, weswegen ambitionierte Technik oftmals in der Schublade verschwindet. Der Öko-Polo zeigt aber, dass ein wenig Abwarten auch Vorteile haben kann.

Die Schnellladefläche

Helden auf Rädern: Chevrolet S-10 EV

Noch seltener als der Chevy EV-1 war sein praktischerer und weit patriotischer Ableger. Der S-10 EV war ein Frühversuch elektrischer Nutzfahrzeuge, bei denen den Machern ein entscheidender Fehler passierte.

Gerade in Zeiten der Krisen muss man in die Vollen gehen. So hätte der Pontiac Tojan der erste Supersportwagen überhaupt werden können. Aber irgendwie fehlte es dann doch am notwendigen Mut.