Marken, die es nicht mehr gibt | 27.08.2024
Zehn Wege ins Aus
Es gab schon viele Marken, die in Österreich auf dem Markt waren. Manche lang, manche kurz. Viele ambitioniert, wenige erfolgreich. Und dennoch gehören sie alle der Vergangenheit an. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Kandidaten der jüngeren Vergangenheit.
Roland Scharf
Chrysler
Die Marke mit dem wohl stärksten Österreichbezug. Mit dem schlicht Minivan genannten Minivan erfand Chrysler in den 1980ern eine ganze Fahrzeugklasse mit, die vielleicht auch für Europa interessant sein könnte. Warum also nicht gleich vor Ort bauen? Bei Magna in Graz wurde man bei der Partnersuche fündig, und die 1990er wurden zum bahnbrechenden Erfolg. Verkäufer gingen dank der hohen Nachfrage selten mit weniger als 50.000 Schilling monatlich nach Hause, die Vorsteuerabzugsregelung schien dank der „Lex Chrysler“ zudem wie auf den Voyager zugeschnitten. In diesem Fahrwasser versuchten die Amis, weitere Modelle in Europa zu lancieren, doch all die Neons, Saratogas und Visions versagten klaglos. Das Ende kam in den frühen 2000ern, als die Europäer mehr und mehr Minivans auf den Markt brachten. Als die Produktion des PT Cruiser Diesel in Graz nach nur einem Monat wieder eingestellt wurde, weil es günstiger war, diese in Mexiko zu fertigen und dann zu importieren, schien das Ende besiegelt. Die Chrysler Corporation ging an Fiat, und der letzte Voyager durfte unter dem Namen Lancia noch vergeblich auf Käufer warten.
MG Rover
Das Paradebeispiel dafür, wie man eine Industrie in den Boden rammt. Zuerst wurde aus Austin und Morris die British Motor Corporation. Als der Eigentümer dann noch Pressed Steel übernahm, der Hersteller praktisch aller Karossen britischer Hersteller, war es klar, dass alle Marken unter einem Dach vereint werden mussten. Es entstand der Riese British Leyland. Geldvernichtung fand in allen Ebenen statt, der riesige Laden machte einen Überblick über die Finanzen praktisch unmöglich. Statt Einheitsmotoren wollten etwa die Triumph-Leute unbedingt selbst einen V8 entwickeln. Um Entwicklungskosten zu sparen, verwendete man bei Austin die Türen des Vorgängers, womit der Rest des Wagens unansehnlich wurde. Dazu kamen Machtspiele der Manager, massive Fertigungsprobleme und unzuverlässige Technik, zudem spielten die Gewerkschaften ein brutales Spiel mit regelmäßigen Streiks, etwa auch dann, wenn die Farbe der neuen Arbeitsmäntel nicht gefiel. Die Verstaatlichung Ende der 1970er brachte auch keine Besserung, mit Steuergeldern konnte man nur noch besser urassen. Jedenfalls spielten gerade einmal Jaguar, der Mini und Land Rover noch Geld in die Kassen, doch auch die waren wie alle anderen Modelle weit überaltet und zu teuer in der Fertigung – also stieß man diese Kronjuwelen als erstes ab. Übrig blieb MG Rover, und auch späte Modelle wie der Rover 25 oder der Rover 75 blieben über ein Jahrzehnt im Programm, was selbst den traditionell treuen Käufern von der Insel irgendwann reichte. Das Ende kam 2005 sehr brutal: Eine mögliche Partnerschaft mit chinesischen Herstellern endete in der Insolvenz, die ehemaligen Verhandlungspartner aus Fernost übernahmen den ganzen Laden und verschifften alles Brauchbare nach Hause.
Saab
An schlauen Ideen und solider Technik mangelte es bei den Schweden nie. Stets aber an einer soliden Finanzdecke. Es gab wohl nie einen Saab, der nicht robust oder langlebig war. Schon der frühe 96 aus den 1950ern war dank ausgefeilter Stromlinienform schnell und sparsam, die späteren 99, 900 und 9000 waren allesamt teuer und ewig haltbar – was einem treuen aber kleinen Kundenstamm zu ewiger Treue führte. Das Beispiel des 9000 zeigt aber, woran es bei Saab stets krankte: Am Grundverständnis für wirtschaftliches Handeln. Als Gemeinschaftsprojekt mit Fiat geplant, teilte sich der 9000 vieles mit dem Thema und dem Croma und Thema. Das reichte den Jungs aus Trollhättan aber nicht, also strickten sie erst die halbe Karosserie um, versteiften viel und beschäftigten sich intensiv mit den Motoren. So kam das Auto im Endeffekt teurer als eine komplette Eigenentwicklung. GM übernahm den Laden, womit der letzte 900 auf Basis des Vectra aber nach ähnlichem Muster konstruiert wurde – und ebenso kein Geld in die Kassen spülte. Das finanzielle Aus kam ausgerechnet aufgrund eines Entwicklungsauftrags. Für die GM-Tochter Cadillac sollte man den kompakten Kombi namens GLS – ebenfalls auf Vectra-Basis – entwickeln. Die Auftraggeber waren aber nicht ganz zufrieden, versprochene Zahlungen blieben aus – und Saab musste endgültig zusperren.
Daihatsu
Daihatsu gibt es noch, aber nicht mehr in Europa. Der Grund: Deren Philosophie funktioniert nicht mehr mit der hiesigen Spaßgesellschaft – und den strengen Gesetzesbestimmungen. Daihatsu sah sich selbst als Kleinwagenspezialist. Simplte Technik, simpler Preis – ein bestechendes Konzept, das vor allem in den 1980ern voll aufging. Alle zehn Sekunden lief damals ein Charade vom Band, die Cuores konnten ebenso schnell und billig gefertigt werden. Selbst die späteren Modelle wie etwa der Terios waren zwar schon solider, im Grunde aber immer noch nach der „Gut genug ist gut genug“-Philosophie gefertigt worden. Das reichte aber nicht mehr. Auch in den untersten Segmenten machte sich immer mehr Luxus breit, und für kreative Ansätze wie der Materia oder der Winz-Roadster Copen waren im Kleinwagen-verrückten Japan noch beliebt, nicht jedoch in der alten Welt. 2013 zog man sich schließlich ganz aus Europa zurück, 2016 übernahm der strategische Partner Toyota die restlichen Aktien und machte aus Daihatsu eine Hundert-Prozent-Tochter. Kein Wunder also, dass der letzte Charade von 2011 baugleich mit dem damaligen Yaris war.
NSU
NSU – eine echte Ingenieursmarke. Die Neckarsulmer waren bekannt für ihre innovativen Lösungen und hatten ein hervorragendes Image. Der Wankel Spyder, natürlich auch der Prinz – vor allem als heißer TT – hatten keine Konkurrenz weit und breit, doch manchmal kann man sich an technischen Speerspitzen selbst die Finger aufspießen. Felix Wankels Rotationskolbenmotor galt in den zukunftsverliebten 1960er-Jahren als der letzte Schrei, und NSU verschrieb sich vollends dem Konzept. Das neue Flaggschiff namens RO80 war eine Limousine, die rein optisch weit ihrer Zeit voraus war. Langer Radstand, glatte Linien, luftige Fahrerkabine, alles schien wie aus einem Guss. Da passte der Wankelmotor perfekt dazu. Leider hielt dieser aber nicht auf Dauer, da man zu schnell auf den Markt kommen wollte, ohne in Ruhe fertigzuentwickeln. Doch ist es falsch, dass die Leute von dem Wagen Abstand hielten, weil sein Image so schlecht war. Er verkaufte sich blendend, doch die zahlreichen Tauschmotoren, die man zum Schluss schon innerhalb eines Serviceaufenthalts teils heimlich verbaute (die Mechaniker waren wirklich schon so geübt), ließen die Finanzdecke schnell schrumpfen. Der wesentlich konservativere K70 mit Hubkolbenmotor hätte die nötigen Geldmittel gebracht, doch zu diesem Zeitpunkt übernahm schon Volkswagen das Ruder, und Tochter Audi profitierte von zahlreichen Innovationen der neuen Frontantriebs-NSU.
Daewoo/Chevrolet
In Europa als Hersteller Fuß zu fassen kann man auf unterschiedlichste Art und Weise. General Motors tat dies zum Beispiel, indem sie die insolvente südkoreanische Firma Daewoo schluckte und deren Modelle einfach unter neuem Label bei uns weiterverkaufte. Das passt zum wirren Auftreten in der alten Welt, mit dem Daewoo bei uns anfing. So bediente man sich zu Beginn bei FSO aus Polen, um mit Polonez-Pickups, die ihrerseits wieder auf noch älteren Fiats basierten, Fuß zu fassen. Spätere Modelle wie der Nexia, der Lacetti oder der Kalos waren allesamt preislich mehr als weit unten angesiedelt, konnten bei der Technik aber auch nicht mit der teureren Konkurrenz aus Japan oder Europa mithalten. Cool auch die Offroader Korando oder Musso, doch alle hätten sie einmal rundumerneuert werden müssen, als Chevrolet die neuen Logos draufklebte. Nachdem selbst der geliftete Matiz nicht fruchten wollte, holte man zu Beginn der 2010er-Jahre sogar den Camaro offiziell nach Europa, doch Stückzahlen konnten damit natürlich auch keine erzielt werden.
Lancia
Manche meinen, Lancia wäre schon mit der Übernahme durch Fiat zu Grabe getragen worden. Fakt ist, dass die Neuausrichtung nach der Diktion aus Turin nur begrenzt von Erfolg gekrönt war. In der Vor- und Nachkriegszeit galt Lancia als innovative Technikermarke mit bestechendem Design. Die Aurelia zum Beispiel, oder auch die Fulvia und Flaminia – alles Modelle, die in den obersten Ligen mitspielten. Leider verlor man bei all der technischen Verliebtheit die Finanzen aus den Augen, sodass Ende der 1960er ein Käufer gesucht werden musste. Sogar der Vatikan hatte ein Wörtchen mitzureden, so hoch im Kurs stand Lancia bei den Tifosi. Nachdem man sich mit BMW und Mercedes aber nicht einigen konnte, bekam Fiat den Zuschlag für einen lächerlichen Betrag. Anfangs lief es noch vielversprechend: Mit dem Stratos wollte man mit Rallyeerfolgen das Image boosten, und die Beta-Plattform versprach viele neue Modelle mit gleicher Technik – und endlich einmal Profit. Horrende Fertigungsprobleme und Rost an allen Ecken und Enden verpassten den Italienern aber ein Image, von dem sie sich nie mehr erholen sollten. Zudem waren alle späteren Lancias nur mehr Derivate vergleichsweise schnöder Fiat-Technik und die Neuausrichtung der Marke – weg von Sportlichkeit, hin zu Luxus – kam beim Publikum überhaupt nicht gut an. Der Thesis von 2001 fand entsprechend kaum Käufer und aus reiner Not brachte man nach der Übernahme von Chrysler durch Fiat US-Modelle unter Lancia-Label auf den Markt. Der Thema etwa war nichts weiter als ein Chrylser 300 C. 2015 zog man die Reißleine, nur mehr der überaltete Kleinwagen Ypsilon läuft für den Heimmarkt noch von den Bändern.
Infiniti
Ungefähr zur gleichen Zeit wie Toyota brachte auch Nissan seinen Nobelableger heraus: Infiniti. In Übersee-Märkten genießen deren Modelle einen hervorragenden Ruf, gelten in den USA zum Beispiel als ähnlich hochwertig wie deutsche Nobelmarken. Doch in Europa wollte das Konzept nicht greifen. Sowohl die Limousine G37 als auch die SUV EX oder FX waren sowohl vom Namen als auch von der Designsprache zu weit weg von den Geschmäckern am alten Kontinent, an der hochwertigen und langlebigen Technik sowie den fairen Preisen lag es definitiv nicht. Mitte der 10er-Jahre versuchte man noch mit Dieselmotoren und dem glücklosen Q30 – eine qualvoll umgemodelte Mercedes B-Klasse – Modelle und Versionen zu lancieren, die bei uns beliebt sind und waren. Für die Kehrtwendung war die Marke aber noch zu unbekannt und die Formgebung zu bizarr, sodass man 2020 die Reißleine zog, als die Stückzahlen sich bei uns im Bereich von plusminus zehn bewegten.
Dodge
Im Vergleich zu anderen Marken ist der Auftritt von Dodge in Österreich nur eine Fußnote – aber eine ambitionierte. Die Strategie der Chrysler-Tochter in den 2000er-Jahren: Leistbare Modelle aus den USA nicht einfach nur importieren, sondern für den EU-Markt entsprechend adaptieren. Daher auch der für unsere Gefielde noch unbekannte Name. Als Partner wählte man VW und übernahm deren Pumpedüse-TDI, die bei den Wolfsburgern zu dem Zeitpunkt durch modernere Commonrail-Motore abgelöst wurden. Auch Österreich profitierte von dem Deal, da die Abstimmung der Technik bei Bosch in Wien passierte. So oder so trafen weder Nitro, Avenger noch Caliber den Geschmack der heimischen Käuferschaft. Wenn Ami, dann auch mit Ami-Technik, könnte man sagen, zumal man ja wie gesagt beim Mitbewerb deutlich leisere Selbstzünder bekam. Das Ende kam spontan nach der Übernahme der Chrysler Corporation durch Fiat. Um interne Konkurrenz gleich auszuschalten, beendete man das Dodge-Engagement in Europa 2010.
Xedos
Die Idee, luxuriösere Modelle unter einem eigenen Namen auf Exportmärkte zu etablieren, war in den 1990ern ein kleiner Boom. Toyota machte es mit Lexus vor, und Mazda wollte es mit Xedos gleichtun. Es gab UFO-mäßig gezeichnete Modelle wie den Xedos 6 oder den Xedos 9, Händler wurden weltweit mit vollmundigen Versprechen ins Boot geholt, die für gutes Geld schicke Schauräume aus dem Boden stampften. Der Plan ging aber nicht auf. Die Zielgruppen – durchwegs pragmatisch orientierte Käufer, die Mazdas wegen des guten Preis/Leistungsverhältnisses schätzten – dürften nicht verstanden haben, warum man mehr Geld für die gleiche Technik ausgeben sollte. 1992 gestartet, probierte man mit preiswerteren Versionen immer wieder, Boden gutzumachen, doch beide Modelle wollten einfach nicht in ausreichenden Stückzahlen gekauft werden. Somit beließ man es 2002 endgültig – just zu dem Zeitpunkt, als der damals neue Mazda6 nicht nur die Nomenklatur sondern auch viele Design-Elemente der ehemaligen Nobeltochter übernahm.