Race of Champions 2004 | 06.12.2004
Wer ist Heikki Kovalainen?
Mit dem Sieg über Motorsport-Granden wie Michael Schumacher und Sebastien Loeb hat sich der Finne ins Rampenlicht gerückt, hier ein Portrait des Youngsters.
Es war das Bild des Abends: Im mit 60.000 begeisterten Zuschauern gefüllten weiten Rund des Pariser Stade de France steht der neue Champion of Champions, der Sieger des Race of Champions seinen Triumph sichtlich genießend und überschwänglich feiernd auf dem Dach seines rot lackierten Ferrari 360 Modena.
Nach Siegen gegen die Weltelite des Motorsportjahres und erfahrene Piloten wie David Coulthard, Jean Alesi, Michael Schumacher oder Sebastian Loeb konnte der mehr als nur heimliche und sportlich ungeschlagene Star des RoC-Abends im Mannschaftsfinale nur von einem technischen Defekt an seinem Arbeitsgerät gestoppt werden.
Der Name auf seinem weißen Rennanzug lautete jedoch nicht wie vielleicht mancher erwartete Michael Schumacher, sondern Heikki Kovalainen. Heikki Kovalainen? Genau, der 23-jährige Renault Development Driver zeigte vor beinahe ausverkauftem Haus am Ort des Fußball-WM-Finales von 1998 warum Renault auf den jungen Finnen setzt und versetzte selbst die französischen Fans mit seinen fantastischen Leistungen an jenem Abend in Ekstase.
„Ich kann es nicht fassen“, jubelte der Finne nach seinem Sieg, „besonders die Tatsache, dass ich den Rallye-Weltmeister in einem WRC-Wagen geschlagen habe. Einfach unglaublich!“ Aber nicht nur das: „Man bekommt auch nicht jeden Tag die Gelegenheit einen Michael Schumacher zu schlagen“, fügte Kovalainen strahlend hinzu.
Und obwohl die Duelle auf der einen Kilometer langen Asphaltbahn inmitten des Pariser Stade de France natürlich keine Rückschlüsse auf den „besten Motorsportler des Jahres“ zulassen, so wusste Heikki dennoch viele der anwesenden Experten nachhaltig zu beeindrucken.
Wer ist Heikki Kovalainen?
Viele der Fans im Stadion sowie vor den weltweiten Fernsehbildschirmen hörten den Namen Heikki Kovalainen an jenem triumphialen Samstagabend zum ersten Mal, ein Unbekannter ist der am 19. Oktober des Jahres 1981 geborene Finne in Motorsport- und F1-Kreisen keinesfalls.
Denn nur wenige Wochen vor dem Race of Champions in Paris wurde Kovalainen in seinem Heimatland mit der Auszeichnung zu „Finnlands Rennfahrer des Jahres“ ausgestattet, womit er unter anderem den Gewinner des Belgien GP Kimi Räikkönen oder diverse Rallye-Größen wie seinen RoC-Teamkameraden Marcus Grönholm hinter sich ließ.
Verdient hat sich der 23-jährige diese Auszeichnung, welche er vor rund 1.000 Gästen und Fans in Tampere überreicht bekam, durch seinen überlegenen Gewinn der World Series by Nissan. „Ich fühle mich geehrt und freue mich, diesen Preis bereits zu einem so frühen Zeitpunkt meiner Karriere entgegennehmen zu dürfen“, freute sich Heikki in seiner Dankesrede.
Einige Wochen danach untermauerte Kovalainen diese Auszeichnung durch seinen klaren Sieg beim Race of Champions noch einmal. „Alle berühmten finnischen Rennfahrer haben diese Auszeichnung erhalten – wie zum Beispiel die beiden Ex-Weltmeister Mika Häkkinen und Keke Rosberg. Ich bin stolz, meinen Namen in diese erlesene Liste eintragen zu können. Diese Ehrung beweist, dass 2004 nicht nur eine fantastische Saison für mich war, sondern die Öffentlichkeit davon auch Notiz genommen hat.“
Aber wer ist dieser Heikki Kovalainen nun genau? Im Jahr 1999 begann der im finnischen Suomussalmi geborene Kovalainen seine professionelle Motorsportkarriere in der Karting Formula A, welche er direkt mit einem Vizetitel abschloss. Nach einem weiteren Jahr im Kartsport und der Auszeichnung als finnischer Kartfahrer des Jahres wechselte er dann 2001 in die britische Formel Renault, die er als finnischer „Rookie of the Year“ mit zwei Siegen auf Rang vier beendete.
Im Jahr 2003 erfolgte dann der Wechsel in die World Series by Nissan, in welcher Heikki, der als Lieblingssportler Motorrad-Ass Valentino Rossi (der ähnlich wie Kovalainen nach seinem Sieg beim Race of Champions zu spektakulären Siegerposen neigt und den der Finne für einen „Zen-Meister und fantastischen Rennfahrer“ hält) angibt, auf Anhieb mit einem Sieg und zwei Pole Positions den zweiten Meisterschaftsrang belegte. Als Belohnung durfte der RDD-Fahrer einen Formel 1-Test für Renault bestreiten.
Heikki’s Formel 1-Debüt
Am 3. Dezember 2003 war es soweit: Auf dem Circuit de Catalunya vor den Toren Barcelonas durfte Heikki Kovalainen zusammen mit seinem RDD-Kollegen Jose Maria Lopez seine ersten Meter in einem Formel 1 Boliden absolvieren.
Doch der Wettergott meinte es mit Kovalainen an seinem ersten Testtag nicht gerade gut. Denn an jenem Tag herrschten über der Paradeteststrecke das genaue Gegenteil eines Traumtestwetters vor, so dass das neunköpfige Teilnehmerfeld bei neun Grad Celsius Lufttemperatur und anhaltendem Regen auf die Strecke musste. Für Kovalainen gab es deshalb aus Sicherheits- und Schadensbegrenzungsgründen nur acht Runden im Renault. In diesen acht Runden nahm er Lopez jedoch ganze drei Zehntel ab und dies obwohl der zweite Renault-Junior 14 Umläufe drehen durfte.
„Während der kurzen Zeit die er auf der Strecke war, gewöhnte sich Heikki schnell daran und war er sofort dazu in der Lage jene Zeiten zu fahren, welche wir von ihm erwartet hatten“, lobte Renault-Chefrenningenieur Pat Symonds seinen finnischen Schützling. Am zweiten Testtag wurde das Lob nach 59 absolvierten Runden und einer Trockenzeit von 1:17.822 Minuten sogar noch größer: „Wir waren sehr beeindruckt“, urteilte Symonds.
Und was sagte der fliegende Finne selbst zu seinem F1-Debüt? „Auf einen Nenner gebracht: Es hat unheimlich Spaß gemacht.“ Einen Unterschied zu den anderen Autos die er bis dahin gefahren war, empfand er nicht. „Es steht viel mehr Leistung und Downforce zur Verfügung, aber alles steht in einem beherrschbaren Verhältnis zueinander und fühlt sich ausgewogen an. Deswegen hatte ich genug Selbstvertrauen, um bei meinem Test von Anfang an zu attackieren. Unterm Strich war der Test eine solch großartige Erfahrung, dass ich am liebsten nichts anderes mehr fahren möchte.“
Für die Zukunft nach seinem F1-Test hatte der zielstrebige Kovalainen deshalb schon vor seinem ersten Kontakt mit einem F1-Boliden genaue Pläne: „Ich könnte mir vorstellen, als Formel 1-Testfahrer zu arbeiten“, erklärte der Finne. „Falls sich diese Möglichkeit für das kommende Jahr nicht ergibt, würde ich gerne in der "World Series by Nissan" bleiben und den Titel gewinnen.“
Und genau so sollte es auch kommen. Zuvor sollte er aber schon eine Woche nach seinem Renault-Test schon wieder in einem F1-Boliden sitzen. Diesmal in einem Minardi. Und obwohl die Strecke erneut nass war, konnte Kovalainen auch bei den Italienern überzeugen. „Nach einer Handvoll Runden schaffte ich es eine vernünftige Zeit zu fahren und ich fühlte mich dabei nah am Limit. Am Nachmittag absolvierten wir unser geplantes Programm und ich glaube, dass wir einige Verbesserungen erzielen konnten. Natürlich bekam ich mit der Zeit mehr Vertrauen in die Bremsen. Insgesamt war es eine positive Erfahrung.“
Eine Erfahrung welche er „liebend gerne in der Formel 1“ fortsetzen wollte. Aber Heikki ist nicht nur schnell, sondern auch vernünftig: „Nach dieser Woche weiß ich, dass ich eine gute Figur abgeben würde, aber vielleicht ist es klüger, noch ein Jahr zu warten. Ich muss noch viel an meinem technischen Verständnis arbeiten, ganz zu schweigen vom Fitnesstraining.“
Zugute kommt Heikki dabei, dass er auch in seiner Freizeit sportliche Hobbies pflegt. „Ich fahre viel Fahrrad. Daneben mag ich viele andere Sportarten wie Skifahren, Laufen Rudern, Schwimmen.“ Vor dem Fernseher gefallen Kovalainen dann eher die typisch nordischen Sportarten: „Ich schaue mir gern Biathlon und Skilanglauf an – und natürlich Formel 1.“
Der Aufstieg des Heikki Kovalainen
Nach seinem starken Testdebüt durfte Kovalainen im Laufe der Saison 2004 auch noch einige weitere Testfahrten für das Renault Team bestreiten, wobei er neben den Rennpiloten gemeinsam mit Stammtester und Ex-Nissan-Champion Franck Montagny auch für die Weiterentwicklung des R24 verantwortlich zeichnete.
Als Hauptaufgabe verfolgte Heikki im Jahr 2004 jedoch das bereits im Vorjahr gesetzte Ziel die Nissan World Series zu gewinnen, was ihm zwei Tage vor seinem 23. Geburtstag auch überlegen gelang. Die Unterschiede zwischen einem F1-Auto und einem World Series Boliden waren dennoch enorm.
„Zum Beispiel präsentiert sich das Lenkrad des Renault R24 mit zahlreichen Reglern und Knöpfen versehen, die ich aus meinem Auto nicht kenne“, erläutert der Finne. „Zudem ist da natürlich der enorme Leistungsunterschied. Während der Testfahrten ging es für mich darum, die wichtigsten Eigenschaften des Autos kennen zu lernen. Da gibt es noch eine Menge, die ich lernen muss.“
Dennoch bezeichnet er das Jahr 2004 als das „mit Sicherheit beste Jahr“ seiner Karriere. „Mich freut besonders, dass ich sehr gut mit dem Druck meiner Favoritenrolle umgehen konnte und die Meisterschaft gewann. Und es war natürlich phantastisch, den Renault R24 zu testen.“
Die Krone setzte der Helicopter-Pilot, der auch gerne einmal eine Linienmaschine fliegen würde, seiner Saison dann mit seinem herausragenden Leistungen beim Race of Champions auf.
Und wie würde Heikki Kovalainen sich selbst beschreiben? „Ich verfüge über eine sehr gute Grundschnelligkeit. In den vergangenen Jahren habe ich zudem stetig Fortschritte in puncto körperliche Fitness gemacht“, beschreibt sich der Finne selbst. „Zudem bin ich während eines Rennen nicht nur schnell, sondern auch konstant. Meine Leistungen im Qualifying sind noch verbesserungswürdig. Ich habe immer wieder Probleme, das richtige Setup für eine schnelle Runde zu finden. Ich weiß, dass ich mein persönliches Maximum noch lange nicht erreicht habe und noch viel lernen muss. Dazu gehören Geduld und harte Arbeit.“
Aber das gehört zum Motorsport einfach dazu. Und diesen Motorsport mag Heikki einfach wie sonst nichts auf der Welt. „Ich mag es gegen andere zu fahren, sie zu besiegen und manchmal eben auch zu verlieren“, gesteht er ein. „Ich lerne auch aus Niederlagen jedes Mal etwas. Außerdem mag ich es, in die Fahrzeugentwicklung eingebunden zu sein und das Auto Schritt für Schritt zu verbessern.“
Und was gehört abseits der Rennstrecke zu seinen Schwächen? „Ich spreche manchmal zu schnell.“ Zu schnell fahren gibt es für ihn allerdings nicht. Dafür überrascht er bei seiner größten Stärke, welche für ihn nämlich nicht sein Speed, seine Konstanz oder seine Konzentrationsfähigkeit ist. „Ich glaube, keiner kann ein Mädchen besser zum Lächeln bringen...“