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"Wie David gegen Goliath"

Im Rahmen der Ennstal Classic sprach Raphael Sperrer über sein großes Abenteuer Dakar Rallye. Über die Vergangenheit und die Zukunft, die Dakar 2008.

Michael Noir Trawniczek

Raphael, du hast heuer bei der Dakar-Rallye ein knallhartes Abenteuer erlebt. Wie war das eigentlich vor deinem ersten Dakar-Einsatz 2006 - hast du das als Einzelaktion betrachtet oder war dir klar, dass du öfter in die Wüste zurückkehren wirst?

Ganz so klar war das nicht - auf mich hat die Dakar Rallye schon über die letzten Jahre hinweg einen gewissen Reiz ausgeübt, schon zu meiner aktiven Rallyezeit war das so. Aber es ist nicht so einfach, überhaupt so ein Dakar-Projekt aus der Taufe zu heben.

Für mich war aber von vornherein klar: Wenn ich das mache, dann möchte ich es länger machen. Eigentlich ist das Projekt bis 2015 angelegt - denn es macht nur dann Sinn, wenn du drei bis fünf Jahre Erfahrung sammelst, ohne besonderen Wert auf die Ergebnisse zu legen. Erst nach diesen drei bis fünf Jahren kannst du, mit einem guten Auto, auch wirklich gute Ergebnisse einfahren - da spreche ich von Plätzen unter den ersten zehn.

Du hast für 2008 neuerlich das Team gewechselt - in ein professionelleres, nehme ich an?

Professionell waren auch die anderen beiden Teams. Aber bei der Dakar ist es am wichtigsten, dass du einen ordentlichen Support vom Team hast - und der ist natürlich auch vom Budget her beschränkt. Im ersten Jahr kam ich ja bis 700 Kilometer vor Dakar, wo keiner damit gerechnet hat und wir uns nach vielen Defekten auch selber weitergeholfen haben und wir einfach auch das nötige Glück hatten.

Im letzten Jahr hatte ich ein sehr gutes Auto, wir waren anfänglich auch super dabei, waren eine Sekunde vor Schlesser und eine vor dem Robby Gordon mit dem Hummer, der auch in der Klasse des Zweiradantriebs fährt, die anderen fahren ja alle mit Allrad-Autos.

Aber ich hatte im letzten Jahr einen Franzosen als Beifahrer, der allerdings nicht aus dem Rallyesport kam - das war eigentlich im Nachhinein betrachtet das große Problem, dass der noch nie in einem so schnellen Auto saß. Der konnte sich zwar gut orientieren in der Wüste - aber er hat immer erst dann ein Hindernis angesagt, als es bereits da war.

Und mit so einem Auto fährst du natürlich schon ziemlich schnell durch die Gegend und bei einer Stelle war es so unübersichtlich und tricky, dass ich halt mit sehr, sehr hoher Geschwindigkeit zu dem Punkt gekommen bin, wo ein ausgetrocknetes, fünf Meter langes Flussbett war. Und ich kam über die Kuppe und ich sah, dass da eben ein ausgetrocknetes Flussbett ist und die Geschwindigkeit war so eingeteilt, dass eine Brücke da sein hätte müssen, es war aber keine da. Und so sind wir da halt rüber gesprungen - aber wir sind nicht mehr ganz über das Flussbett gekommen, sondern sind in der Gegenwand eingeschlagen und hatten eigentlich noch großes Glück, dass wir uns nicht überschlagen haben.

Es ist links hinten etwas abgerissen - und normalerweise ist das in einem guten Team auch kein großes Problem, weil so zirka zwei bis drei Stunden später kommen die Servicetrucks, die auch Ersatzteile mithaben und die auch ein Notservice machen sollten.

Die haben euch ja dann vergessen oder halt nicht geholt, oder?

Leider ist dieser Servicewagen schon einen Tag vorher ausgefallen und die Teamleitung hat uns das nicht mitgeteilt - denn sonst hätte ich einen anderen Servicewagen aufgehalten. Und wie es der Teufel halt haben will, sind wir dann 28 Stunden in dieser marokkanischen Steinwüste gestanden, bei minus fünf Grad. Das war ein sehr schwieriges Erlebnis.

Was hattet ihr dabei, um euch gegen die Kälte zu schützen?

Einen Overall und eine Jacke.

Aha. Nicht mal so eine Überlebensfolie?

Ja, so eine Folie hatten wir auch dabei, weil die ja vom Veranstalter her ein Muss ist. Es war trotzdem bitterkalt. Aber es war besser als nichts.

War das die schlimmste Nacht deines Lebens?

Eine meiner schlimmsten, ja - auf der einen Seite haben wir noch gehofft, dass die Teamleitung noch erkennt, wo wir stehen. Die wussten das ja, weil unsere Teamkollegen, unter anderen auch der Teamchef, zu uns gesagt haben: 'Wartet auf den T4, we continue' - aber die sind einfach nicht gekommen. Und für mich ist natürlich eine Welt zusammengebrochen.

Wieso ist der dann doch nicht gekommen? War das Schlamperei? Oder Mutwilligkeit?

Naja. Also wenn ein Motor bei einem Servicefahrzeug kaputt geht, das kann schon passieren - aber normalerweise muss die Teamleitung schalten und ein anderes Auto schicken. Und das haben sie nicht getan.

Der Teamchef wusste scheinbar gar nicht, dass sein Servicefahrzeug ausgefallen ist?

Ja, nur als Teamchef sollte er das schon wissen. Das waren dann so viele unglückliche Umstände - das ist bei der Dakar das Problem. Das ist wie eine Reihe von Domino-Steinen, ein Problem ergibt das andere, wenn nur ein Stein umfällt. Entweder kannst du das stoppen, wenn du gut organisiert bist - und ich bin ja zu dem Team gegangen, weil ich dachte, dass die gut sind. Doch die haben 2007 statt drei gleich acht Autos eingesetzt und waren natürlich schwer überfordert. Das hat uns dann letztendlich das Genick gebrochen.

Und wie geht es 2008 weiter?

Ich habe angedockt bei Fast & Speed - das ist ein holländisches Team, die das Auto, einen Buggy, selber bauen und auch die Serviceautos stellen sie selbst her. Die setzen zwei Autos ein, eines davon für mich. Der Teamchef, der Johnny, ist ein ganz lieber Kerl, ist schon viele Jahre in dem Sport - und ich hoffe, dass ich hier ein gutes Los gezogen habe.

Wie stark war das Team in den letzten Jahren?

Da ist der Magnaldi gefahren, der ehemalige Motorradfahrer, der hat schöne Plätze erreicht, so um Platz zehn - das war vor einigen Jahren, die Technik hat sich natürlich weiter entwickelt. Letztes Jahre fuhren der Freddy Loix und der Simon Jean-Joseph. Der Jean-Joseph hatte irgendein persönliches Problem, der ist nicht angekommen. Aber der Freddy Loix ist im Ziel angekommen.

Was erwartest du von der kommenden Dakar-Rallye? Willst du nur das Ziel erreichen oder arbeitest du bereits auf eine bestimmte Platzierung hin?

Die Devise lautet im dritten Jahr: Der Weg ist das Ziel. Es geht darum, die Dinge Tag für Tag ordentlich abzuarbeiten und das Risiko möglichst zu minimieren. Und ich habe mir auch wieder einen Kopiloten gesucht, der aus dem Rallyesport kommt. Der es versteht, das Roadbook so zu lesen, dass er die Hindernisse im Vorhinein ankündigt. So ferne sie im Roadbook stehen.

Und den Rest müssen wir ohnehin versuchen, auf der Strecke herauszufinden. Das ist bei der Dakar das große Thema - die ganzen versteckten Fouls, wenn du es so sagen willst, die dir Probleme bereiten. Da geht es darum, diese Dinge im Vorfeld zu erkennen und zu umschiffen.

Eine Besichtigung gibt es ja bei der Dakar nicht.

Du kannst gar nichts besichtigen, weil das ja zum Teil auch militärisches Sperrgebiet ist. Mit viel Aufwand kannst du schon etwas machen - VW und Mitsubishi fahren halt für drei Wochen nach Marokko. Die testen dann dort in den Gebieten, wo auch die Dakar Rallye durch führen wird. Dann gehen sie für drei Wochen nach Mauretanien - und das machen sie in zwei Monaten Rhythmus.

Klingt irgendwie unfair.

Das ist nicht unfair - Budgets reglementieren natürlich das Training. Die Teams fahren dann auch die Marokko Rallye, die Ägypten Rallye - um Vorbereitungen zu treffen, um Abläufe zu trainieren.

Die wissen dann aber schon sehr viel mehr.

Natürlich. Du kämpfst schon wie der David gegen den Goliath. Aber das ist so wie überall im Motorsport - du musst dich da halt schön langsam raufhanteln, sodass du dann auch einmal die Möglichkeit erhältst, in einem solchen Team unterzukommen. Wenn du geschickt bist und dich gut anstellst, wirst du auch verpflichtet werden.

Es heißt ja, wenn man kein Franzose ist, hat man bei der Dakar nahezu keine Chance.

Es ist schwierig, ja. Aber jetzt, mit VW, kommt schon auch ein bisschen eine andere Mentalität rein. Aber die Veranstaltung ist natürlich eine französische - mit internationaler Beteiligung. Die Organisation ASO, welche die Dakar veranstaltet, macht ja auch die Tour de France.

Beim Benzin ausfassen sollen die Franzosen immer zuerst drankommen.

Es hilft ungemein, wenn du ein Franzose bist. Aber auch andere haben die Möglichkeit, da ganz vorne mit dabei zu sein.

Ist dein Beifahrer Franzose?

Nein, aber er spricht französisch. Er ist ein Holländer. Harmen Scholtalbers, so heißt er, ist auch in der WRC beziehungsweise Gruppe N-Weltmeisterschaft Kopilot. Er ist selber schon mit dem Motorrad Offroad gefahren - er weiß also, worum es geht. Vor allem aber weiß er, was schnell Auto fahren bedeutet. Was mein heuriger Kopilot wie gesagt nicht wusste, weshalb er die Hindernisse zu spät angesagt hat.

Hast du das schon beim Training bemerkt, dass er das nicht kann? Konnte er das nicht mehr erlernen?

Der kam aus dem Offroad-Sport, wo ganz anders navigiert wird - die sind die Geschwindigkeiten nicht gewöhnt. Der sagt: 'Okay, das sind 20 Kilometer bis zum nächsten Point - und wenn wir dort sind, dann schauen wir weiter.' Bei der Dakar hast du aber 500 Meter, 300 Meter das nächste Hindernis - da geht es eine Stunde dahin, wo nur kleine Sachen anstehen und dann kommt eben aber von einer Sekunde auf die andere so eine Flussdurchfahrt, wo du von 180 auf 30 km/h verzögern musst, um da durchzukommen.

Das Problem war auch, dass der heurige Kopilot zum Training in Marokko keine Zeit hatte und wir bei der Rallye erstmals die ersten Kilometer gemeinsam gefahren sind. Und im Nachhinein denke ich mir, dass es mich eigentlich wundert, dass es überhaupt so lange gut gegangen ist.

Es gibt ja Leute, die finden, dass du zu riskant gefahren bist - was dann ja irgendwie nicht ganz fair ist, unter diesem Gesichtspunkt?

Man muss immer schauen, von wem so ein Vorwurf kommt. Das ist natürlich leicht gesagt. Es sind aber auch schon Nachtwächter am Tag gestorben. Das ist relativ. Natürlich passiert so etwas nur durch Schnell fahren - aber auch beim Langsam fahren kann etwas passieren. Und nachdem das ja kein Blumenkorso ist, sondern eine Veranstaltung mit einem sportlichen Anspruch...

Und natürlich habe ich auch für mich selbst ein gewisses sportliches Niveau. Aber wenn du bedenkst: Mitsubishi oder VW setzen vier Autos ein, weil sie wissen, dass sie zwei Autos verlieren werden. Dann gibt es bei einem ein technisches Gebrechen und beim anderen macht der Fahrer einen Fehler und so bleiben dann zwei oder auch nur ein Auto über.

Und bei 9.000 Offroad-Kilometern kannst du dir vorstellen, wie viele versteckte Fouls es da gibt. Aber ich habe ja auch im ersten Jahr bewiesen, dass ich sehr wohl ein Durchhaltevermögen und auch den Kopf dafür habe. Und auch das nötige Gefühl, sodass ich mir das einteilen kann. Im Nachhinein ist es natürlich leicht, das zu analysieren - aber mein Fehler war, dass ich zu sehr auf diese Ansagen vertraut habe.

Wenn du darauf nicht vertraut hättest, hättest du ja die ganze Zeit auf Sicht fahren müssen.

Du musst zum Teil ohnehin auf Sicht fahren. Aber wenn die Roadbookaufzeichnungen da sind, dann verlasse ich mich schon zu 90 Prozent darauf. Weil die stimmen zu 90 Prozent ganz gut, teilweise auch zu 100 Prozent. Aber es gibt schon kleine Schwankungen.

Das Roadbook kommt vom Veranstalter. Oder?

Ja. Jeder erhält das gleiche Roadbook, du hast am Abend die Ausgabe für den nächsten Tag. Aber Leute wie Peterhansel oder Schlesser, die fahren schon so lange, die wissen ganz genau: Aha, in der Etappe gibt es diese Probleme, in der anderen jene Probleme...

Aber die Etappen ändern sich ja auch Jahr für Jahr?

Die ändern sich Jahr für Jahr - aber sie müssen trotzdem von Norden nach Südosten fahren.

Du hast von den Werksteams gesprochen, die dort testen - die wissen aber nicht die genauen Strecken, oder?

Nein, die wissen sie nicht. Aber die haben schon Mittel und Möglichkeiten, da noch genauere Aufzeichnungen zu bekommen. Da gibt es zum Beispiel Leute, die sind das ganze Jahr über nur dafür angestellt, dass sie sich Satellitenbilder ansehen, diese Satellitenbilder in die alten Streckenpläne eintragen und diese Informationen erhalten dann die Beifahrer.

Schaust du auch auf Google Earth oder so?

Das geht nicht mit Google Earth, das wäre zu ungenau. Da brauchst du schonen einen Zugang zu Militärsatelliten.

Hast du da Connections?

Nein. Das ist bei mir auch nicht notwendig. Das brauchst du, wenn du in die Top 5 fährst. Bei uns ist schon noch ein gewisser Abenteuercharakter dabei. Du musst halt Sekundenentscheidungen treffen. Und du musst dir halt ein bisschen zu helfen wissen.

Und die Rallye selbst geht dir nicht ab? Die Rallye-ÖM zum Beispiel?

Nein. Ich muss sagen: Wenn mir jetzt einer ein WRC herstellt, würde ich gerne fahren. Als Nullerfahrzeug, für den Spaß. Aber ich bin in meinem Leben viele Jahre auf der Rasierklinge durch die Gegend geritten - es war eine wunderschöne Zeit, ich habe auch sehr viele Erfolge erzielt und auch sehr schöne Erinnerungen daran. Ich freue mich, wenn ich zurückdenke, aber es gibt Dinge, die haben ihre Zeit - und für mich ist diese Zeit vorüber.

Fährst du andere Offroad-Rallyes auch oder nur die Dakar-Rallye?

Ein Ziel wäre natürlich, die Marokko Rallye oder ähnliches als Vorbereitung zu fahren - aber das hängt natürlich meistens mit dem Budget zusammen und ich bin schon froh, wenn ich mein Dakar-Budget so halbwegs ausfinanziert habe, ohne großes persönliches Risiko.

Aber das Ziel wäre ein Werksteam?

Ja, mit einem Werksteam die drei, vier Worldcup Rallyes zu fahren als Vorbereitung für die Dakar Rallye - und Dakar als Jahres-Highlight.

Die ja viel Zeit in Anspruch nimmt...

In punkto Marketing ist es ein Jahresjob, vom Körper her ist es ein halbes Jahr an Vorbereitung - intensiv sind es dann drei Monate. Auch mit dem Team zusammen. Wo man dann entscheidet, wo man trainieren geht. Die Buggys sind ja schon fertig entwickelt, da kann man nicht mehr viel umstellen. Mit meinem neuen Kopiloten möchte ich - nicht mit dem Buggy, aber mit irgendeinem anderen Offroad-Auto - eine kleine Veranstaltung absolvieren, als kleine Vorbereitung, um eben diese Fehlerquellen, die wir vorhin besprochen haben, möglichst zu minimieren. Ausschalten kannst du sie ohnehin nicht. Es kann nächstes Jahr wieder das Gleiche passieren - ich kann aber auch ins Ziel fahren.

Na dann hoffen wir letzteres...

Du, das kann man bei einer Dakar Rallye nie vorher sagen.

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