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Chevrolet testet den neuen WTCC-Motor

Total global

Zauberwort GRE: In Spanien zeigte Chevy erstmals das WTCC-Auto mit dem Motor für 2011, Motorline.cc blickte den Technikern über die Schulter.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Bitte keine Fotos vom Motor! Chevrolet und das Entwicklungsteam von RML möchten der Konkurrenz noch nicht allzu viel zeigen vom neuen 1,6l-Turbomotor für die Tourenwagen-WM 2011; außerdem wird die genaue Spezifikation erst fixiert. Auch das stand auf der umfangreichen Aufgabenliste des Teams beim dreitägigen Test in Jerez de la Frontera.

Auch ein S2000-Auto der aktuellen Generation des Chevy Cruze LT war bei dem Test dabei, und nicht nur zu Vergleichszwecken. Immerhin kämpft Chevy mit diesem Fahrzeug noch bei zwei Weekends (Okayama und Macao) um den Weltmeistertitel; auch am aktuellen Auto geht die Entwicklung weiter.

Weiters wird der Zweiliter außerhalb der WTCC auch nächstes Jahr noch in nationalen Meisterschaften quer durch Europa eingesetzt; in Großbritannen beispielsweise steht die Titelverteidigung an, in Schweden stockt man auf zwei Autos auf. Die Privatiers hätten gerne den neuen Motor, aber sie bekommen sie sicherlich nicht mehr rechtzeitig für das erste Rennen der WTCC in Brasilien:

"Wir gehen mit der Motorentwicklung hart an die zeitliche Grenze", erklärt Chevrolet-Sportchef Eric Néve, "das ganze Programm ist an den drei Werksfahrzeugen orientiert, die "just in time" fertig sein sollen; danach können wir uns um Kundenwünsche kümmern."

Just in time: Rechtzeitig bis zum Saisonbeginn 2011, und der ist für die Teams die Verladung des Materials für das Übersee-Rennen in Curitiba, müssen für das Werksteam drei brandneue Autos und sechs Motoren aufgebaut werden. Existierende Fahrzeuge werden nicht umgebaut, denn fast 70 Prozent des Gesamt-Fahrzeugers sind neu entwickelt.

Die Motoren selbst müssen in der endgültigen Form erst gebaut werden; und allein das Präparieren einer rohen Serienkarosse des Cruze für den Einbau der Rennteile dauert fünf Wochen. Daneben rennt natürlich noch die Weltmeisterschaft 2010: Yvan Muller führt in der Tabelle, Rob Huff ist Vierter, Alain Menu Sechster.

Optisch liegen die Unterschiede der beiden Fahrzeuge trotz der großen Änderungen eher im Detail, auffällig ist vor allem die modifizierte Front mit größeren Lufteinlässen. Die Vorderpartie wurde auch stabiler gemacht, um die Intercooler zu schützen; denn schon eine leichte Beschädigung der Ladeluftkühler würde zu einem großen Leistungsverlust führen.

Akustisch verhält sich die Sache schon anders, denn der 400 Kubikzentimeter kleinere Motor posaunt in einer höheren Tonlage. Trotz Turbolader ist der klangliche Eindruck der eines echten, kernigen Rennmotors. Hochfrequenz-Exzesse gibt es nicht, denn die Höchstdrehzahl liegt bei 6.500 Touren.

Global Racing Engine

GRE ist das Kürzel der Stunde in der WTCC. Der "Weltmotor" nach den neuen FIA-Regularien soll für den Einsatz in WTCC und WRC ebenso geeignet sein wie für die Anwendung in Formelserien; hier denkt man unwillkürlich an die Formel 3. Direkteinspritzung ist vorgeschrieben, variable Ventilsteuerung ist allerdings verboten.

Der Turbolader ist in seinen Dimensionen und Spezifikationen ebenfalls genau vorgegeben; momentan gibt es laut Auskunft der RLM-Techniker nur einen Hersteller, der ein solches Produkt lieferbar hat. Die Teams dürfen ihre Turbos allerdings auch anderswo bauen lassen, sofern die dann den Vorgabe nentsprechen. Der Ladedruck ist mit 2,4 bar fixiert.

Der Motor an sich muss keine Verwandtschaft zur Großserie haben, dementsprechend haben Chevrolet und RML sich zum Bau einer reinen Rennmaschine entschlossen. Es ist die erste komplett eigene Entwicklung der Rennmotorenabteilung von Ray Mallock, Ltd. unter der Leitung von Arnaud Martin.

Der Witz in den FIA-Regularien besteht darin, dass jeder Hersteller Motorblock, Zylinderkopf und Konstruktionszeichnungen käuflich anbieten muss. Als sicher gewünschter und hoffentlich ein tretender Nebeneffekt reduziert dies die Einstiegshürde für neue Marken.

Die Motoren sollen nach dem Willen der FIA nicht nur verbrauchseffizienter und sauberer sein, sondern auch langlebig: Im ersten Jahr der GRE-Zeitrechnung wird pro Auto ein Motorwechsel während der Saison gestattet sein, dazu stehen pro Fahrzeug sechs Turbolader zur Verfügung. Ab 2012 wird's dann extrahart, denn Motor und Turbo müssen die gesamte Saison halten. Die FIA sieht den Turbo in Zukunft als Teil des Motors an.

"Wir haben im Entwicklungsjahr einen Joker", erläutert Néve, "2011 dürfen wir den Motor einmal wechseln, und zwar bis zum neunten Event. Damit verhindert man, dass wir fürs Finale frische Motoren einbauen." - Deshalb ist der große Belastungstest in Spanien wichtig:

"Damit wir wissen, was die Maschine nach soundsovielen Kilometern noch leisten kann. Denn es ist für die Motorenleute frustrierend: Sie entwickeln und bauen einen neuen Motor, und dann wird alles versiegelt und man darf es bis nächsten September nicht mehr angreifen. Deshalb werden sie die Motoren aufmachen, sobald sie dürfen! Wir möchten bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt mit dem Wechsel warten, aber er könnte womöglich auch früher nötig sein."

Für den Motorwechsel gibt es ab 2012 dann Bestrafungen in Form von Zurückversetzung in der Startaufstellung: Fünf Plätze zurück, zehn Plätze zurück, und beim dritten Mal letzter Startplatz – außer man kann "höhere Gewalt" nachweisen.

Leistung, Geld, Effizienz

Mit den Turbomotoren legen die (laut FIA übrigens unverständlicherweise noch immer S2000 genannten) Fahrzeuge einiges an Leistung zu:

Vierzig PS mehr Leistung und einen Drehmoment-Zuwachs von siebzig Prozent (!) nennen die Techniker, ohne allerdings noch Zahlen herumzureichen. Von den Daten des aktuellen Autos hochgerechnet bedeutet dies eine Leistung von 320 PS und ein Drehmoment von 440 Nm.

Drehmoment ist also vorhanden, jetzt wird an der Fahrcharakteristik gearbeitet. Ein Gern gehörtes Wort in den Konversationen zwischen Fahrern und Ingenieuren war "progressive". Man feilt also noch an der perfekten Drehmomentkurve, nicht zu rabiat, aber auch keinesfalls zu flach.

Der zusätzliche Schub die Verstärkung des Getriebes nötig; außerdem war die Unterbringung des Motors samt Trockensumpfschmierung im durch die Serien-Maße fix vorgegebenen Motorraum keine leichte Übung. Die Maschine selbst ist kleiner, aber an "Drumherum" gibt es deutlich mehr. Und die diversen Kühler spielen jetzt auch eine größere Rolle in der aerodynamischen Abstimmung des Autos.

Im September 2009 begann die Budgetierung des Entwicklungsprogramms, am 15. September 2010 drehte der Motor erstmals die Räder eines Rennautos, jetzt erfolgt der erste große Test, bei dem Rob Huff und Yvan Muller das Fahrzeug kennenlernen.

"Jede Verzögerung in der Entwicklungsphase kostet Geld und Leistung. Die beiden sind verbunden, denn wenn die Leistung fehlt, muss man Geld zuschießen, um aufzuholen."

Eine Sekunde pro Runde schneller ist der neue Cruze auf dem 4,4 Kilometer langen "Circuito Permanente de Jerez" als das derzeitige Zweiliter-Auto. Die einheitlich vorgegebene Reifenmischung bleibt übrigens trotz der höheren Leistung unverändert, die auch bisher bei den Fronttrieblern schon gemarterten Antriebsräder müssen in Hinkunft noch mehr aushalten.

Auch der vorgegebene Durchmesser der Bremsen wurde nicht vergrößert, deshalb geht's hier an die Feinarbeit mit Durchmesser, Materialien und besserer Kühlung.

Die Serienentwicklung von General Motors wird längerfristig vielleicht auch von den Erfahrungen mit dem Rennmotor profitieren: "Wir wollen im Grunde dasselbe, nämlich Effizienz. Nur heißt das für uns die maximale Leistung, für Serienmotoren heißt es niedriger Verbrauch und Sauberkeit. Im Endeffekt geht es uns um dasselbe, nämlich wie man Treibstoff möglichst effizient verbrennt."

Es gibt bereits einen Brückenschlag zwischen den GM-Entwicklern und RML, man redet also miteinander; vielleicht redet man auch einmal über die Feinheiten eines Direkteinspritzer-Motors aus dem Rennsport.

Was tut die Konkurrenz?

Natürlich blickt Chevrolet in Richtung Deutschland und Spanien, wo die Hauptkonkurrenten um die Tourenwagen-WM und auch um das Rennen für Kundenautos zuhause sind: "Unsere Situation ist ist starkem Gegensatz zu der von BMW", sagt Eric Néve, "dort hat man eine fertige Lösung für Kunden, ich weiß aber nicht, was sie für nächstes Jahr als Werkseinsatz planen. Wir richten unser ganzes Programm aufs Werksteam aus, können also zu Beginn der Saison 2011 die Kunden noch nicht bedienen."

Sollten in der WTCC auch 2011 doch noch Zweiliter-Fahrzeuge auftauchen, wird es für sie wohl aussichtslos, um vordere Plätze mitfahren zu wollen. Und etwaige Turbodiesel täten sich ebenfalls schwer gegen die GRE-Autos.

Nach Einschätzung der Techniker von RML hätte Seat jedenfalls einen Vorteil beim Bau eines Autos nach neuen Regeln. Dort hat man ja bereits Erfahrung mit dem Turbo, mit der Ladeluftkühlung, dem hohen Drehmoment. Was man dort noch braucht, ist der 1,6l-Benzinmotor an sich. Wir fügen hinzu: Und das kann angesichts der WRC-Projekte im VW-Konzern ja wohl kein Problem sein.

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