
Motorline.cc-Interview | 27.07.2010
Mr. Salzburgring: Alex Rainer im Gespräch
Seit drei Jahrzehnten Intendant der Salzburger PS-Festspiele: Der Geschäftsführer erzählt von neuen Projekten rund um die Strecke.
Die österreichische Motorsportszene präsentiert sich mitunter in einem nicht sehr positiven Licht: Abseits des Asphaltes prägen teilweise blamable Zwistigkeiten das Bild, und auf Spielbergs saftigen Wiesen herrschen - apropos Blamage - mittlerweile "sieben Jahre Pech". Still und leise hat weiter westlich der Salzburgring in der Zwischenzeit seine Rolle als Österreichs größte Rennstrecke erfüllt, und das allen Widrigkeiten zum Trotz. Jetzt gibt es auch für die Hochgeschwindigkeitsstrecke im Nesselgraben Ausbaupläne.
"Zum Schluss haben wir jetzt auch die Fischer überzeugt", darf Salzburgring-Direktor Alexander Rainer vermelden, "genauer gesagt haben wir ein größeres öffentliches Interesse als die Fischerei." – Und damit ist der Weg frei für ein seit Jahrzehnten betriebenes Projekt, nämlich die Überbauung des Bachbettes, das das Areal der Strecke quasi durchtrennt und auch neben dem Boxengebäude verläuft.
"Wir können im Herbst beginnen. Als Ausgleichsmaßnahme haben wir in Oberplainfeld einen Teich angelegt, damit ist die Umweltschutzbehörde zufrieden. Nach Ende der Saison, also im November wird begonnen, bis Weihnachten wollen wir soweit sein, dass der Dach überplattet ist, damit wir im Frühjahr mit dem Asphaltieren beginnen können."
Ende März 2011 ist die Deadline für diese Arbeiten: "Dann haben wir eine Fläche von 7.000 Quadratmetern zur Verfügung, und Team-Trucks können zur Rückseite des Boxengebäudes zufahren wie überall anders auch. Die Boxen werden wir nach hinten öffnen und große Tore anbringen."
Was vorerst als großes Nadelöhr noch bleibt, ist der Tunnel unter der Fahrererlagerkurve: "Die Vergrößerung des Tunnels würde allein 400.000 Euro kosten. Für ein, zwei Rennen, bei denen die großen Trucks hereinfahren, hat das ehrlich gesagt keinen Sinn. Wir verbreitern die gesamte Straße durchs Gelände, mitsamt dem Platz hinter den Boxen sollte das als erster Schritt passen." - Die Genehmigungen dafür sind vorhanden. Der Umbau der Boxenanlagen wird rund 1,7 Millionen Euro kosten.
Strenge Rechnung
Bei der IGM Salzburgring wird streng gerechnet, was sicherlich mit ein Grund ist, dass die Strecke nach einigen schwierigen Jahren in den 1990ern heutzutage wieder wirtschaftlich solid dasteht: "Wir bekommen von nirgendwo Geld, müssen alles selbst finanzieren. Wir sind auch gottseidank in der glücklichen Lage, dass bei uns nicht wie zum Beispiel am Nürburgring Millionen in den Sand gesetzt worden sind. Andererseits muss man die Leute ja bewundern, die Politiker dazu bringen, Geld zu investieren!"Der Trägerverein des Salzburgringes bewältigt den wirtschaftlichen Aufwand aus eigener Kraft: "Ich bin stolz darauf, dass wir positiv wirtschaften. Was wir investieren, erwirtschaften wir selbst, Schulden haben wir keine, so soll es bleiben. Man muss immer überlegen: Was kostet's, was bringt's, wofür brauch ich's? Wir stehen in einer guten Beziehung zu Spielberg (d.h. zum Österreichring, Anm.), wir stimmen uns ab: Die DTM oder die Superbike-WM sind für uns kein Thema; das sind die in Spielberg geplanten Highlights. Für uns ist die WTCC das nächste Ziel, und dafür schaut es sehr gut aus."
WTCC-Promoter Marcelo Lotti weilte auch beim Europacup in Salzburg, nicht zuletzt für einige entspannende Tage vor dem nächsten WM-Lauf in Brünn. Denn auch da hat der Salzburgring seine Vorzüge: "Wir haben ringsum die geeignete Hotellerie und Gastronomie, das ist unser großer Vorteil." – Der sich auch bei anderen Veranstaltungen bezahlt macht, zu denen ein ebenso finanziell potentes wie verwöhntes Publikum seine PS-Spielzeuge nach Salzburg bringt.
Veränderungen am 4,3 Kilometer langen Kurs selbst gestalten sich schon diffiziler: "Wir könnten überlegen, eine Schikane einzubauen; Aber alle Rennfahrer, sei es Lauda, Berger oder die Jüngeren, raten uns davon ab, die Strecke so zu verändern. Denn dann ist der Charakter weg! Die Fahrerlagerkurve ist schnell und gefährlich, aber man muss nicht immer Vollgas fahren. Wenn die Kurve nur mit 300 geht, kann man nicht mit 340 fahren. Außerdem müssten wir zwei Bremsschikanen einbauen, dann haben wir "stop & go". Wir sind eine Traditionsstrecke, und diese Spannung ist nun einmal da. Wir haben es bei der IDM gesehen, das waren Super-Rennen. Wenn da ein Schnitt von 190 km/h gefahren wird, ist das schon etwas Besonderes. Eine Rennstrecke soll auch ein bisschen so sein, dass der Fahrer selbst sein Hirn einschalten muss. Man hat es auch gestern (am völlig verregneten 24. Juli, Anm.) bei diesen schwierigen Bedingungen gesehen: wenn sie ihr Hirn einschalten, passiert nichts."
In Salzburg darf nicht alles fahren, aber das meiste: "Wir haben die Grade-4-Lizenz; wenn wir bei der Einfahrt zur Start-Ziel-Gerade und bei der Boxeneinfahrt etwas modifizieren, können wir auf Grade 3 kommen. Das werden wir uns überlegen; ob wir es wollen, ist eine andere Frage. Jetzt können wir Formel 3 fahren, Formel 2 national fahren, Ferrari-Challenge, alle Tourenwagen – was im Moment mit Prädikat bei uns gefahren wird, habe ich alles. Ob ich zum Beispiel GT1 fahren will, ist eine andere Frage. Wir sind mit Reiter Engineering in Kontakt, die hier ihre Teststrecke haben und ungefähr zehn Tage im Jahr da sind."
Hans Reiter ist auch die treibende Kraft hinter der Corrida de Lamborghini am 4. und 5. September, für die bis zu 200 keinesfalls finanzschwache Fans der Marke aus aller Welt anreisen.
Zur Verfügung stehen pro Jahr sieben Rennveranstaltungen (Freitag bis Sonntag) und sechzehn Testtage: "An Testtagen kann man nach dem FIA-Reglement fahren, mit den dort freigegebenen dB-Grenzen. Im Sommer, also von Juni bis September, müssen wir zwei Sonntage im Monat freihalten. Da machen wir andere Veranstaltungen, und ich bin darüber nicht unglücklich, denn irgendwann brauchen meine Burschen ja auch einmal ein freies Wochenende. Denn wir sind von Mitte April bis Ende Oktober jeden Tag ausgebucht."
Der Nesselgraben, eine Goldgrube?
"Ich bin jetzt bald dreißig Jahre in diesem Geschäft da am Ring, und die ersten Jahre war es so, dass wir über den Winter nicht gewusst haben, wie wir das finanzieren. Aber wir haben es durchgestanden. Mit den Veranstaltungen war es immer hart, wobei wir bis 1994 die Motorrad-WM gehabt haben. Durch die Beteiligung an den Zuschauer-Einnahmen haben wir immer ein bissl Geld zum Investieren gehabt." – Die Kostenexplosion nach Übernahme der WM durch den Promoter Dorna war der Grund für das Ende der Motorrad-WM-Tradition in Salzburg."Aber es war viel zu machen: Als wir übernommen haben, waren keine Boxen da, es war eine G'stettn. Wir haben das Fahrerlager asphaltiert. Wir haben Mittel aufgenommen, die wir zurückzahlen mussten, Anfang der 2000er-Jahre war das dann erledigt. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der keinen Gewinn macht; was wir verdienen, investieren wir wieder. Darum können wir uns diese Investition leisten."
Mit dem Motorsport an sich macht ein Streckenbetreiber heute kein Geld mehr, aber er gehört immer noch untrennbar zum Gesamtbild: "In Wirklichkeit lebt eine Rennstrecke von der Industrie, von den Fahrerlehrgängen und den Produktpräsentationen. Geld macht man bei einem Rennen keines, sondern man verliert! Aber man hat, so wie jetzt bei der ETCC, vielleicht ein paar Stunden Fernsehübertragung; und als Rennstrecke muss man Rennen haben! Das gehört einfach dazu. Je höher das Prädikat ist, desto teurer wird's! Dann muss man eine "weiße" Rennstrecke übergeben, die Fernsehrechte hat der jeweilige Promoter auch; einen nationalen Helden, der mitfährt, gibt es womöglich auch keinen..." – was sich auf die verkauften Eintrittskarten auswirken wird.
Völlig "weiß" übergeben möchte Alex Rainer die Rennstrecke generell nicht, aus Loyalität gegenüber einem langjährigen Sponsor: "Der Red-Bull-Bogen bleibt, da fährt die Eisenbahn drüber! Herr Mateschitz hat uns in einer Zeit, wo wir finanziell wirklich am Sand gewesen sind, geholfen - da mach' ich lieber ein Rennen nicht."
Neben den in Bayern angesiedelten Herstellern hat auch ein nicht völlig unbekanntes Rennteam den Salzburgring im Einzugsgebiet: "Herbert Schnitzer war heute da, er wäre bei der ETCC auch gern dabeigewesen; es ist ja seine Hausstrecke. Schnitzer hat im Motorsport einen guten Namen. Für uns ist es sehr stark, wenn wir sagen können, Schnitzer ist mit dabei."
Die Aussichten auf einen WTCC-Lauf schon 2011 sind "vielleicht fünfzig-fünfzig. Für 2012 sind es neunzig Prozent. Man muss natürlich immer die Entwicklungen abwarten." – Inmitten einer schnellebigen Szene spielen Veranstalter wie zum Beispiel der Histo-Cup-Magier Michael Steffny deshalb für Streckenbetreiber eine wichtige Rolle: "Ich muss sagen: Hut ab vor dem Histo-Cup! Michael Steffny kann nirgends mehr mitfahren, wenn er mit allen seinen Serien antritt, denn da hat er allein 260 Starter! Das macht er sehr gut."
Freunde und Mitbürger
Ein wichtiges Bauvorhaben auf der 1968 eröffneten Anlage muss derzeit noch warten: "Unser großes Handicap ist nach wie vor, dass wir keine überdachte Tribüne haben. Wir haben Projekte in der Schublade liegen, dass wir im Außenbereich der Fahrerlagerkurve eine Tribüne für ca. 3.000 Leute mit Überdachung bauen." – Damit würde dann auch bei unsicherem Wetter (Stichwort: Schnürlregen) Publikum in den Nesselgraben gelockt.Aber nicht unbedingt aus Salzburg-Stadt, denn: "Unser Publikum kommt aus Oberösterreich und Süddeutschland bis Nürnberg und Augsburg, auch die Italiener sehr stark. Salzburger bringt man nicht her. Das ist aber im Winter genau so: Wenn wir einen Schi-Weltcuplauf haben, schaut sich's unser Salzburger Publikum im Fernsehen an..."
Mehr Rennen wird es auf keinen Fall geben: "Wir haben immer wieder Anfragen von Rennserien. Aber da ist immer wieder die Frage: Wer ist der Veranstalter?" – Denn in dieser Branche gibt es nicht nur vertrauenswürdige Persönlichkeiten. Außerdem müsste man die eine oder andere der bestehenden Veranstaltungen absagen.
Das anderswo so strapazierte Verhältnis zwischen Rennstrecke und Anrainern hat sich in Salzburg mittlerweile entspannt: "Wir sind mit unserne Anrainern mittlerweile so gut, dass es keine Probleme gibt. Wir halten uns natürlich hundertprozentig an die Betriebszeiten, aber bei den Testtagen sind wir ein bisschen großzügig. Beim Ferrari-Maserati-Treffen beispielsweise, eine super schöne Veranstaltung mit siebzig oder achtzig Ferrari und Maserati, ist man natürlich mitunter über 98 dB. Daraus machen wir ienen Testtag. Dadurch kommen wir über die sechzehn Testtage etwas drüber."
Die Zeiten, in denen dann sofort die Anwälte mobilisiert wurden, sind vorbei: "Das haben wir gehabt! In den 1990ern haben wir jahrelang damit gerkämpft, bis es eine Volksbefragung in den Gemeinden gegeben hat: Wollen wir den Ring oder nicht? Wenn wir uns bemühen und niemand das will, dann hat es keinen Sinn. Die Landesregierung hat auch zugesagt, sich dem Ergebnis zu beugen. Das Ergebnis der Befragung waren neunzig Prozent Beteiligung in dne Gemeinden – das hat man nicht einmal bei der Gemeinderatswahl – und fast hundert Prozent Zustimmung. Das war ausschlaggebend dafür, dass man dann eingesehen hat, wie wichtig der Ring auch als Einnahmequelle für die Umgebung ist."