
24h von Daytona 2011 | 30.01.2011
Doppelsieg für Ganassi beim Daytona-Thriller
Die beiden Ganassi-Teams feiern einen Doppelsieg vor Action Express und den Ex-F1-Piloten Brundle und Blundell. GT: Magnus Racing mit Lietz auf Platz vier. Ragginger out.
Chip Ganassi hat seinen vierten Daytona-Titel in den letzten sechs Jahren gewonnen. Scott Pruett, Memo Rojas, Joey Hand und Graham Rahal behielten mit ihrem Riley BMW in einem denkwürdigen Finale die Oberhand vor dem Star-Auto von Scott Dixon, Dario Franchitti, Jamie McMurray und Juan Pablo Montoya.
Denkwürdig war das 24 Stundenfinale, weil bis zur letzten der 720 Runden vier Autos eine echte Siegchance hatten.
Joao Barbosa, Terry Borcheller, Christian Fittipaldi, J.C. France und Max Papis holten für das Titelverteidigerteam von Action Express Racing einen guten dritten Platz mit V8-Porsche-Power auf Cayenne-Basis.
Geradezu sensationell war der vierte Platz der beiden Formel-1-Altstars Martin Brundle und Mark Blundell, die zusammen mit Zak Brown und Mark Patterson im besten Shank-Ford knapp am Podium vorbeischrammten.
Kaum zu glauben, aber wahr: Das Grand-Am-Finale von Daytona hatte waschechten NASCAR-Stil. Acht Minuten vor dem Rennende verteilte der weit zurückgefallene Spirit-of-Daytona-Porsche nach einem Reifenschaden diverse Wrackteile über die Strecke. Der Rennleitung blieb nichts anderes übrig, als die 23. und letzte Gelbphase auszurufen.
Damit war der Neun-Sekunden-Vorsprung von Scott Pruett dahin, den sich der nunmehr vierfache Daytona-Sieger auf seinen Teamkollegen und Vornamensvetter Scott Dixon herausgefahren hatte.
Wie so oft in der NASCAR kam es daraufhin bei einem 24 Stundenrennen (!) zu einem allerletzten Restart, bei dem die weiße Flagge gleichzeitig die 720. und letzte Runde anzeigte.
Pruett hatte das große Glück, dass sich zwischen ihm und Dixon drei überrundete Fahrzeuge einsortiert hatten. Der 50-jährige Grand-Am-Titelverteidiger ließ also nichts anbrennen und fuhr seinen einige Wagenlängen betragenden Vorsprung bombensicher nach Hause. Ganz anders gestaltete sich der Kampf um die Plätze.
Direkt hinter Dixon lauerte Barbosa im Action-Express-Porsche, direkt dahinter wiederum lag Martin Brundle (Shank-Ford). Als alle Welt mit einem Verzweiflungsangriff Barbosas auf Dixon rechnete, schoss plötzlich der Formel-1-Altstar auf der Außenbahn in Kurve eins und griff - vergeblich - nach einer Podestplatzierung.
Trotzdem kann Rang vier von MB2, wie Martin Brundle und Mark Blundell von unseren britischen Kollegen genannt werden, als die große Daytona-Sensation gewertet werden.
Dabei schien sich der Ganassi-Triumph bereits nach zwei Rennstunden in Rauch aufzulösen. Pruett berichtete schon in seinem ersten Stint von einem nicht ordnungsgemäß funktionierenden Getriebe, das an der Box zügig in Augenschein genommen wurde. Gleiches geschah später am Schwesterauto, das insgesamt drei Reifenschäden über sich ergehen lassen musste.
Beide Ganassi BMW waren also früh aus der Führungsrunde gefallen, kämpften sich jedoch rasch zurück an die Spitze.
Dort hielt sich zu Rennbeginn der Pole-Porsche von Flying Lizard Motorsports auf, der aber genauso früh um ein Haar in einen Dreher eines Konkurrenten verwickelt wurde.
Teamgründer Seth Neiman blieb nichts anderes übrig, als durch das Gras im Daytona-Infield zu ackern. Ein defekter Kühler brachte das Team um Pole-Mann Jörg Bergmeister um alle Chancen. In der letzten Rennstunde blieb das Fahrzeug dann mit leicht brennendem Heck endgültig liegen.
Gegen Halbzeit sah alles nach einem Vierkampf zwischen Ganassi und dem Action-Express-Team aus, bevor sich die Startnummer 5 nach einem Dreher aus der Spitzengruppe verabschiedete. Am Ende kam der zweite V8-Porsche mit vier Runden Rückstand als Neunter ins Ziel. Dafür setzte sich der weiße Shank-Ford mit Brundle und Blundell zusehends in Szene.
Lediglich eine Stopp-and-Go-Strafe störte eine ansonsten problemlose Vorstellung der beiden Veteranen, die sich heimlich, still und leise bis auf Platz vier nach vorne geschlichen hatten. Brundle fuhr den Schlussstint und wies vor der letzten gelben Flagge einen Rückstand von knapp 30 Sekunden auf. Am Ende hatte der 51-Jährige, der seit zehn Jahren kein internationales Rennen mehr gefahren war, sogar noch die Power, einen Angriff zu setzen.
Nach der langen Nebelunterbrechung am Sonntagmorgen schienen die beiden Ganassi BMW den Sieg unter sich auszufahren. Beide Autos wechselten mehrfach die Spitzenposition, dahinter lauerte der Action-Express-Porsche, der jedoch nicht permanent den Speed des Ganassi-Duos mitgehen konnte.
Etwa drei Stunden vor dem Rennende schien es dann das spätere Siegerauto zu erwischen: Beide Ganassi-Boliden waren in der Box zu einem regulären Servicestopp, als sich plötzlich ein Reifen an der Startnummer 01 verselbstständigte. Die Rennleitung brummte Joey Hand eine Stopp-and-Go-Strafe auf.
Der 31-jährige Hand, der auch in der American-Le-Mans-Series mit BMW Power unterwegs ist, konnte in seinem dritten Stint mit einem Gewaltakt die Lücke wieder schließen, als er das Auto an Scott Pruett übergab. Dessen letzter Stopp wurde etwas vorgezogen und fiel zudem sehr kurz aus, was die 01 letztlich entscheidend an der 02 vorbeibrachte.
Chip Ganassi war es herzlich egal, welches seiner beiden Teams ihm den Daytona-Sieg bescherte: "Das ist ein Mannschaftssport, ich könnte nicht glücklicher sein", gab "Mr. Daytona 24" freudestrahlend zu Protokoll.
Hand, dessen bärenstarke Leistung maßgeblich für den Sieg der 01 verantwortlich zeichnete, war überglücklich: "Was für ein verrücktes Rennen! Das ist ein unglaublicher Tag für mich! Ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen soll."
Der nunmehr vierfache Daytona-Sieger Scott Pruett gab sich da etwas abgeklärter: "Die Startnummer 01 ist in den letzten fünf Jahren immer in der Führungsrunde ins Ziel gekommen. Jetzt ein Doppelsieg. Das ist unglaublich." Für seinen Grand-Am-Dauerpartner Memo Rojas ist der Sieg bei den 24 Stunden von Daytona, dem absoluten Top-Event der Serie, "gleichbedeutend mit einer Meisterschaft."
Der vierte im Siegerbunde war Ganassi-IndyCar-Neuzugang Graham Rahal, der genau 30 Jahre nach Vater Bobby in Daytona triumphierte. Für beide war es jeweils der erste Auftritt beim 24-Stundenklassiker in Florida, beide nutzten BMW Power.
Rahals erste Analyse: "Ganassi hat die besten Piloten hierher gebracht. An beiden Autos mussten Getriebeteile gewechselt werden und trotzdem gab es einen Doppelsieg. Das sagt alles über die Qualität der Fahrer aus."
GT: Lietz und Magnus Racing auf Platz vier
In der GT-Klasse gewannen Wolf Henzler, Andy Lally, Spencer Pumpelly, Brendan Gaughan und Steve Bertheau. Ihrem TRG-Porsche wurde die GT-Pole aberkannt, weshalb sich das Team von ganz hinten im Feld nach vorne durcharbeiten musste. Am Ende hatte die Startnummer 67 eine Runde Vorsprung vor dem zweitplatzierten Miller-Porsche.
US-Schauspieler Patrick Dempsey konnte mit dem besten Mazda RX-8 als Dritter auf das GT-Podium steigen.
Nur ganz knapp verfehlte Porsche Werksfahrer Richard Lietz bei der 49. Auflage des 24 Stunden-Rennens von Daytona die Podestränge. Mit seinem Porsche Werksfahrerkollegen Marco Holzer und den Amerikanern John Potter und Craig Stanton gelang dem Niederösterreicher im Porsche 911 GT3 Cup ein ausgezeichneter vierter Platz im 35 Wagen starken Feld.
Schon im Qualifying war der weiss-grüne Porsche des Magnus Teams immer im Vorderfeld zu finden gewesen, obwohl man in erster Linie auf Longruns gearbeitet hatte. Oberstes Gebot war, ein ausgeglichenes Renn-Setup zu finden. Trotzdem startete der 44er Porsche von Startplatz drei in den Langstreckenklassiker.
Teamchef Craig Stanton fuhr den Startturn und lag nach einer halben Stunde Renndauer sogar in Führung. Teamkollege John Potter übergab auf P2 liegend an Richard Lietz. Richard Lietz fuhr die schnellsten Zeiten des gesamten GT-Feldes und machte Druck auf den Führenden. Leider erwischte der Ybbsitzer im Infield einige Trümmerteile. Dabei wurde der Stabi beschädigt und die Reparatur kostete 2 Runden.
In der Nacht dann ein weiteres Problem mit der Benzinzufuhr, das 10 Runden auf die Spitze kostete. Der Magnus Porsche fand sich in den hinteren Regionen der Rundentabelle wieder. Bei der folgenden Aufholjagd war es leider nicht sehr hilfreich, dass in den Morgenstunden eine 2:47 Stunden lange Safetycar-Phase, ausgelöst durch starken Nebel, den Vorwärtsdrang bremste. Das gesamte Team kämpfte aber aufopfernd und der Elfer lief von diesem Zeitpunkt an bis in Ziel annähernd problemlos. Dadurch gelang es, das Auto noch bis auf Platz 4 in der GT-Wertung nach vorne zu bringen.
Richard Lietz: “Wie sagt man so schön, knapp daneben ist auch vorbei. Wir hätten den Magnus-Elfer natürlich gerne noch auf das Podest gebracht, dennoch können wir mit Platz vier zufrieden sein.“
Pech für Ragginger
Nichts wurde es aus der Rolex, die auf die Sieger der 49. Auflage des Motorsportklassikers "Rolex 24 Hour Race" wartet. Nach 15 Stunden musste das Burtin Racing-Team um Martin Ragginger, Nicolas Armindo, Nick Tandy und Claudio Burtin aufgeben.
Nach einer Aufholjagd in der ersten Rennhälfte wurde die Aufhängung in den Morgenstunden durch zwei Fremdkontakte instabil.
Das große Motorsportfest bei Volksfeststimmung war angerichtet. Tausende Fans feierten im Motodrome von Daytona Beach die Prototypen und GT-Fahrer bei Steak und Bier an.
Doch für das Burtin Racing-Team, das mit großen Ambitionen in das Rennen ging, begannen die 24 Stunden von Daytona Beach, Florida, nicht nach Plan: Von Platz vier gingen sie in die 24 Stunden, doch der Porsche 911 S Cup sprang nicht an. Grund war:
Der Schalter der Benzinpumpe stand auf der falschen Position.
Schließlich startete Nick Tandy von der letzten Position und machte bereits in seinem Stint einige Plätze gut. Nach und nach kämpften sie sich auf die Positionen zehn bis 15 unter 35 Autos vor.
Ragginger ohne krankheitsbedingte Probleme - noch am Donnerstag klagte der 22-jährige Salzburger über Grippebeschwerden, die er bis zum Rennstart gut in den Griff bekam.
"Die erste halbe Stunde des ersten Stints war aber richtig hart. Ich war noch nicht im Rhythmus und spürte die Wirkung der Medikamente. Ab dann lief es wie am Schnürchen. Die Rundenzeiten waren sehr gut und das Auto lief souverän."
In den Nachtstunden, wo durch Nebel eine zweistündige Safety-Car-Phase nötig war, absolvierte der gebürtige Salzburger Ragginger zwei Läufe, "ich saß ca. 4,5 Stunden im Auto". Dann passierte es: Um halb sechs in der Früh übergab er an Armindo, der innerhalb eines Stints gleich zwei Fremdkontakte hatte: "Der letzte Crash war so hart, dass die Aufhängung vorne lose wurde. Unsere Mechaniker brauchten 50 Minuten, um den Schaden zu beheben. Doch es resultierten daraus eine Reihe von Folgeschäden und wir bekamen unser Auto gerade noch in die Box."
Die Bilanz von Martin Ragginger: "Wir hatten alle Chancen und waren bis in die Morgenstunden voll im Rennen. Das Auto ist bis dahin super gelaufen, aber zwei Unfälle in einem Stint sind bei so einem Hochgeschwindigkeitsrennen wie hier einfach zu viel."