Zusammenfassung: 24h Rennen Nürburgring | 07.06.2024
24 minus 1
Das Rennen zweimal rund um die Uhr stand – mal wieder – ganz im Zeichen des Eifelwetters. Und es ging eine Stunde früher als geplant zu Ende. Der Nebel, der sich ab dem späten Samstagabend über die Strecke legte, führte gegen 23.30 Uhr zu einem Rennabbruch per roter Flagge, weil die Sichtweite sowohl auf dem Grand Prix Kurs wie der Nordschleife nur noch ungefähr 100 Meter reichte
Bernhard Schoke
Auslöser waren die teils heftigen Regenfälle in der Mitte der Woche. Am Mittwoch und Donnerstag vor dem Rennen öffnete sich die Schleusen langanhaltend und umfassend. Demzufolge standen bereits ersten beiden Quali-Sessions standen ganz im Zeichen des typischen Eifelwetters mit all seinen Begleiterscheinungen: Viele Streckenabschnitte waren mehr oder weniger nass oder unter Wasser – je nachdem wie stark Petrus seine „Himmels-Schleusen“ öffnete.
Die Folgen dieser für die Eifel charakteristischen Eigenschaften waren für die Piloten und ihre Teams mehr oder weniger ausgeprägt – oder anders ausgedrückt – arbeitsreich oder eben etwas weniger, je nachdem wie stark die Renner die Barrieren oder Leitplanken kontaktierten.
Die Rundenzeiten waren dementsprechend: Deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Erst im Top-Qualifying – ausgefahren im Trockenen – war erkennbar, „wohin die Reise geht“, sprich wer in diesem Jahr ganz vorn mit dabei sein könnte. Dabei spielte „natürlich“ auch die Balance of Performance (BoP) mit der die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte der GT3 Boliden ausgeglichen werden sollen, eine nicht zu unterschätzende Rolle:
Die ausgereiften Audi R 8 LMS waren ganz vorn mit dabei – zusammen mit den neueren Konzepten von BMW, Porsche und Lamborghini. Unter anderem brachten Zusatzgewichte das gewünschte Ergebnis. Parallel dazu standen die Teams im Fokus, die im bisherigen Verlauf der Saison zwar immer mit dabei, aber dennoch nicht so richtig im Fokus standen und Mannschaften, die man zu den diesjährigen Favoriten zählte, sich nicht mehr wie zuvor in Szene setzen konnte. Dies betraf vor allem die beiden Falken Porsche, die in der Vorbereitung auf das Saison-Highlight führend gewesen waren. Aber nicht nur, denn wenige Stunden erfolgte vom Technikausschuss des ADAC Nordrhein - wie von den Experten prognostiziert - eine überarbeitete Version der BoP für die „Großen“ in der SP9 und SP-X. Betroffen vor allem bei Porsche, denn der 911 GT3 R (992) wurden doppelt „eingebremst“. Das Mindestgewicht stieg von 1.320 auf 1.330 Kilogramm und die Luftmengenbegrenzer kleiner. Anstelle von zuvor 36,0 und einmal 37,5 Millimeter sank der Durchmesser der beiden Restriktoren auf einheitlich 36,0 Millimeter. Zudem war der Heckflügel um ein Grad flacher einzustellen. Darüber hinaus gab es nur wenige Neueinstufungen von geringem Umfang. Der Aston Martin Vantage AMR GT3 EVO (2024) bekam etwas mehr Ladedruck fahren und der Lamborghini Huracan GT3 EVO2 (2023) hatte den Heckflügel etwas flacher zu stellen. Alle anderen Boliden blieben von BoP-Veränderungen verschont. Die Startaufstellung – traditionell ein Highlight für Viele – begann mit Verzögerungen, weil es für die Renner selbst kein „durchkommen“ gab und auch die Reihenfolge nicht passte. Das Rennen selbst startete quasi mit einem heftigen Regenschauer, der in den ersten Runden das Feld durchmischte. Die Reifenwahl war einmal mehr das Thema schlechthin und die Boxencrews gefragt – insbesondere beim Wechsel zurück auf Slicks nach circa einer Stunde.
Nach circa zwei Stunden lag der Rowe-BMW (Startnummer #99) vor dem „Grello“ #911 in Führung. Beide konnten sich rund 30 Sekunden von den Verfolgern absetzen. Dahinter der BMW #72. Die erste Zwischenentscheidung brachten die ersten regulären Boxenstopps, der erst Reglement-gemäß ab der fünften Runde zulässig sind – zuvor nur reine Reifenwechsel ohne Nachtanken. Die Mehrzahl der Piloten entschieden sich für die sechste Runde – mit Ausnahme des Grello, der noch eine Weitere fuhr.
Im Nassen waren die 127 Piloten ausgesprochen diszipliniert mit kleineren Ausrutschern. Als es dann die Ideallinie abtrocknete, sah es anders aus. Mit den sprichwörtlichen Messern zwischen den Zähnen wurde gefahren und bei Überholmanövern waren nur „im Nassen“ möglich – mit den zwangsläufigen Grip-Unterschieden, die zu „sehenswerten Slides“ führten. Und zu Big Moments – wie zwischen der Döttinger Höhe und der Antoniusbuche als vier GT3-Fahrzeuge bei rund 250 km/h nebeneinander fuhren, die zuvor im Windschatten waren:
Ergebnis – zwei der Beteiligten verloren „etwas“ Zeit unter anderem durch einen High Speed Dreher.
Weniger glimpflich verlief der Überholversuch der Führenden in der #99 und aufgrund des 30 Sekunden Vorsprungs nach etwas mehr als drei Stunden im Abschnitt Fuchsröhre. Nach einer Berührung endete das Rennen in den Leitplanken.
Durch den Unfall war wieder alles offen. Der Scherer-Audi #16 und der BMW #72 profitierten und übernahmen die Spitze.
Nach sechs Stunden dann die nächsten Schrecksekunden als ausgangs des Streckenabschnitt Brünnchen der Audi RS 3 #510 in Flammen aufging. Und erneut griff auch das Wetter, sprich Regen ins Rennen ein, weil er stärker als erwartet war. Die Reifenwahl „Heavy-Wet“ war entscheidend und durchmischte das Feld. Nach 45 Runden, kurz vor Mitternacht war kam dann die rote Flagge. Auslöser: Nebel im gesamten Bereich der Grand Prix Strecke bis zum Streckenabschnitt Hatzenbach auf der Nordschleife.
Rennleiter Walter Hornung begründete den harten Schnitt: "Wir haben die Situation, dass sich die Marshalls untereinander nicht mehr sehen können und auch die Fahrer die Streckenposten teilweise nicht mehr erkennen. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als das Rennen zu unterbrechen."
Damit wiederholte sich quasi der Verlauf der Rennen von 2020 und 2021, als ebenfalls in der Nacht nicht gefahren wurde. Es gab wieder keinen Parc Ferme, sodass man an den Autos arbeiten konnte. Ein Punkt, den das Team um Franz Konrad - mit österreichischer Lizenz startend – als unfair bezeichnete, weil die großen, quasi mit Werks-Unterstützung antretenden Teams – über Nacht ihre Renner beinahe komplett neu aufbauen konnten, weil keine Parc-Ferme-Bestimmungen eingriffen. Ein für die reinen Privat-Teams wichtiger Punkt – auch wenn er in diesem Jahr keine Bedeutung mehr bekam. Denn bis in den späteren Vormittag drehte sich kein Rad. Dann entschied die Rennleitung, dass sich die Teams und Fahrer entsprechend ihrer Positionierung beim Abbruch wieder auf der Start-Ziel-Geraden aufstellen. Um 13.30 Uhr setzte sich das Feld hinter den Safety Cars in Bewegung. Begründung: Damit die Fahrer der Teams, die noch nicht ihre Pflichtrunden hatten, diese fahren konnten, denn offiziell war es kein Rennabbruch, sondern um eine vorzeitige Zielflagge.
Das vorläufige Ergebnis:
1. Scherer-Audi #16 (Stippler/Mies/Feller/Marschall)
2. Manthey-EMA-Porsche #911 (Vanthoor/Estre/Güven/Preining)
3. RMG-BMW #72 (Harper/Hesse/Weerts)
4. HRT-Mercedes #4 (Stolz/Juncadella/Maini/Götz)
5. Abt Lamborghini #27 (K. van der Linde/Mapelli/Pepper)
6. Frikadelli-Ferrari #1 (Fernandez Laser/Keilwitz/Ludwig/Varrone)
7. HRT-Mercedes #3 (Maini/Bird/J. Owega/Beretta)
8. Rowe-BMW #98 (Marciello/Martin/Wittmann/Farfus)
9. Falken-Porsche #33 (Andlauer/Bachler/S. Müller/Picariello)
10. Falken-Porsche #44 (Heinemann/Eriksson/Menzel/Ragginger)
Das Ergebnis ist vorläufig, weil das Rowe Team gegen das Ergebnis Protest einlegte. Hintergrund:
Laut Reglement muss bei einem Rennabbruch das bisherige Ergebnis um die absolvierten Boxenstopps bereinigt werden. Konkret: Aufgrund der Zahl der Runden jedes Renners im jeweiligen Stint wird die daraus resultierende Standzeit berechnet und diese auf die gefahrene Zeit jedes Autos addiert. Deshalb stand die #911 beim Neustart hinter dem Safety Car auf Startplatz zwei, obwohl der Porsche beim Abbruch in der Nacht auf Rang drei hinter der #72 lag. Diese Regelung wird aber bei einem endgültigen Abbruch des Rennens diese Regelung nicht angewendet. Da der eigentliche Grund bisher nicht übermittelt wurde, ist nach wie vor unklar, ob ein Abbruch oder um eine vorzeitige Beendigung des Rennens vorliegt. Diese Frage will Rowe klären lassen.
Zwar wurde im Verlauf des Abends von den Sportkommissaren zurückgewiesen, doch das Team geht in die Berufung.
Hintergrund:
Der Wortlaut des Sportlichen Reglements – konkret die Beendigung des Rennens mit der schwarz-weiß karierten Flagge und nicht mit der Roten Flagge. Das Rowe Team geht davon aus das Rennen mit dem BMW #98 gewonnen zu haben. Denn die #98 kam nach drei Runden hinter dem Safety-Car, also zwei Runden vor Schluss, zum Boxenstopp – mit Doppel-Effekt. Zum einen wäre man damit in einer idealen strategischen Situation beim potentiellen Restart, zum anderen war man damit auf der sicheren Seiten beim Abbruch per Roter Flagge.
"Wäre das Rennen gestartet worden, hätten wir mit unserer Strategie keinen Boxenstopp mehr einlegen müssen. Die Fahrzeuge vor uns hätten das unter grün machen müssen mit Zeitverlust 50-60 Sekunden gegenüber uns gehabt", erklärte Naundorf am Abend vor Journalisten wörtlich und fügte an: "Wäre das Rennen gestartet worden, hätten wir mit unserer Strategie keinen Boxenstopp mehr einlegen müssen. Die Fahrzeuge vor uns hätten das unter grün machen müssen mit Zeitverlust 50-60 Sekunden gegenüber uns gehabt"!
Rote oder schwarz-weiß-karierte Flagge
Bei der Roten Flagge muss zwei Runden zurückgerechnet werden, exakt wie bei der Rennunterbrechung in der Nacht. Hinzu kommt – entscheidend - ein weiterer Abschnitt im Reglement, der das Ergebnis völlig ändern würde. Ausschlaggebend ist Artikel 35.1: "Die zu dem Zeitpunkt der Wertung gültigen Mindestboxenstandzeiten (inklusiv etwaiger Zeitstrafen) werden den Fahrzeugen, im Anschluss als Zeitersatzstrafe auf die Gesamtfahrzeit (des Unterbrochenen Rennabschnitts, zur Bestimmung der Startaufstellung für die Wiederaufnahme) aufaddiert."
Denn die #911, der "Grello" stand beim Restart vor dem BMW #72, weil er seit seinem letzten Boxenstopp vor dem Renn-Abbruch in der Nacht weniger Runden gefahren hatte als der BMW.
"So ist es auch bei der Unterbrechung Samstagnacht angewendet worden", so der Rowe Team Chef Naundorf weiter und fügte an: "Analog dazu wäre, wenn das Rennen vorzeitig beendet wird, muss es nicht über eine karierte Flagge, sondern das Sportgesetz des ADAC erfolgen, die dazu führen, dass die Boxenstoppstandzeiten aufgerechnet werden müssen. Wir würden diesen Weg nicht für Platz fünf beschreiten. Es geht um den Sieg,“ so Naundorf final.
Und dann folgt ein weiteres großes wie komplexes ABER:
Denn Rowe bei dieser Strategie nur das zweitcleverste Team. Der Sieg müßte bei einer Aufrechnung der Standzeiten an den Dinamic-Porsche #54 gehen. Dieser war schon nach der zweiten Safety-Car-Runde an die Box gekommen, weil er sowieso Letzter in der Runde war. Im Anschluß kam er wieder an das Feld heran und erneut in der dritten Runde hinter dem Führungs-Fahrzeug wieder an die Box. Nach einem kurzen Stopp „tankte“ sich sogar am Rowe-BMW vorbei. Aber Dinamic „patzte“ beim ersten Stopp eine Runde zuvor, weil man nicht die Mindestboxenzeit einhielt, kam es zu einer sogenannten Zeitersatzstrafe von 53 Sekunden.
Würde Rowe Erfolg haben, würde das Resultat des Rennens völlig auf den Kopf gestellt werden. Es hängt auch davon ab, wie groß die Lücken zwischen den Fahrzeugen hinter dem Safety-Car waren.
Was war sonst noch wichtig?
Von vielen vor Ort auf der Nordschleife unbeachtet startete das Team mit der Startnummer 747 in der Klasse V4 mit einem BMW 325 i. Dabei wäre es auch geblieben, wenn man nicht konkret recherchiert hätte, um wen es sich wirklich handelte. Vorbereitet wurde der Renner von vier Schotten – auch noch nicht weiter spektakulär. Sie kommen zwar aus dem Norden der Britischen Inseln, haben aber einen ausgesprochen bekannten Arbeitgeber: Rockstar Games – die Erfinder und Macher von GTA, eines der erfolgreichsten Computer-Spiele weltweit. Und ihre Leidenschaft für Autos, den Motorsport und die Nordschleife führte das Team und die Fahrer, die gemeinsam ihr Auto mit viel Enthusiasmus aufgebaut haben, in die Eifel. Warum?
Eigentlich nachvollziehbar, wenn man auf den offiziellen Team Namen schaut: Rockstar Games by Viken Motorsport – und wie man im persönlichen Gespräch erfuhr: Die tatsächliche Erfahrung ist insbesondere auch bei der Entwicklung von Computer-Spielen kaum zu ersetzen, denn man tut sich viel leichter, wenn man die Realität, Abläufe und die Dynamik der Rennstrecken selbst – im real life – erlebt hat, um sie dann in die virtuelle Welt perfekt zu übertragen.
Und last but not least: der Termin für die 53. Ausgabe wurde auch noch definiert: Vom 19. bis 23. Juni 2025 trifft man sich wieder zum Rennen zweimal rund um die Uhr in der „Grünen Hölle“.