
Formel 1-Test Barcelona | 18.11.2008
Auch Wurz beeindruckt: „Loeb ist ein Sondertalent!“
Sébastien Loeb belegte beim Formel 1-Test Platz 8 - bei 17 Piloten! Im motorline.cc-Telefonat applaudiert Alex Wurz, verweist aber auch auf Konfigurations-Unterschiede. Dennoch: Selbst nach Addition von drei Sekunden wäre Loeb noch immer nicht Letzter geworden...
Michael Noir Trawniczek
Es war ein Geschenk, eine Art „Belohnung“ – weil Sébastien Loeb unlängst zum fünften Mal in Folge die Rallye-Weltmeisterschaft gewinnen konnte, wurde er von Red Bull Racing eingeladen, den aktuellen Boliden des Formel 1-Teams zu testen. Geschehen ist das am Montag auf dem spanischen Circuit de Catalunya vor den Toren der Millionenstadt Barcelona - im Rahmen des voll besetzten ersten F1-Tests nach Saisonende. Während BMW und Williams mit ihren auf die abgespeckte 2009er-Aerodynamik umgebauten Interimsboliden für Aufmerksamkeit sorgten und bei Toro Rosso und Honda Fahrer wie Takuma Sato, Sébastien Buemi oder Bruno Senna „evaluiert“ wurden, wie man heutzutage so gerne sagt, drehte Loeb emsig seine insgesamt 82 Runden um die 4,6 Kilometer lange Paradeteststrecke der „Königsklasse“.
Loebs Befürchtung, er könnte sich aufgrund seiner mangelnden Erfahrung (erst ein Privattest mit dem Renault F1) inmitten der Formel 1-Cracks „zum Narren“ machen, war völlig unbegründet. Im Gegenteil: Loeb sorgte für hochgezogene Augenbrauen – mit rund 1,8 Sekunden Rückstand belegte der Franzose den achten Platz bei 17 Piloten! Beeindruckt, aber auch erschöpft erklärte Loeb: "Ich muss zugeben, dass es deutlich anstrengender ist, ein solches Auto zu fahren als meinen Rallyewagen.“ Damit spricht er wohl in erster Linie die Halsmuskelpartie an, die im Formel 1 aufgrund der hohen Fliehkräfte extrem beansprucht wird.
Letztlich zog „Super-Séb“ ein positives Resümee: „Gegen Ende des Tages hatte ich mich an alles gewöhnt und konnte es dann richtig genießen. Ich muss zugeben, dass der Griplevel vor allem in den schnellen Kurven sehr beeindruckend ist." Wegen der brutal späten Bremspunkte hatte sich Loeb im Vorfeld Sorgen gemacht, doch er konnte sich auch daran gewöhnen – gegenüber der offiziellen F1-Website erklärte er: „Vormittags dachte ich noch, das würde völlig unmöglich werden - aber in den letzten zehn Runden hatte ich gar keine Sorgen mehr damit. Ich habe einfach versucht, ohne Risiko schnell zu fahren. Ich hätte sicherlich noch schneller sein können."
Sensationspilot? Oder die F1 zu leicht?
Ist Loeb also der Sensationspilot schlechthin? Einer der selten gewordenen Allrounder? Loeb ist auf der Rundstrecke kein Unbekannter, schließlich konnte er bei den 24 Stunden von Le Mans als einer von drei Piloten an einem beeindruckenden zweiten Platz mitwirken. Sollte Loeb nun in die Formel 1 wechseln, anstatt in den kommenden Jahren einen Rallyetitel nach dem anderen zu erobern? Wäre er in einem konkurrenzfähigen Auto in der Lage, auch die F1-WM zu gewinnen? Wäre also das Duell Loeb gegen Hamilton der Knüller der Zukunft? Oder kann man es auch aus der konträren Position betrachten – nämlich als ein weiteres Argument für jene Kritiker, die schon beim rasanten Einstieg von Lewis Hamilton gemeint haben, dass die heutige Formel 1 zu leicht sei? Oder liegt die „Wahrheit“ wie so oft irgendwo in der Mitte?
Wurz: „Keine Nasenbohrer in der F1“
Alex Wurz erklärt dazu im Telfongespräch mit motorline.cc: „Dass die Formel 1 zu leicht geworden ist, erachte ich als einen Blödsinn – wir sind alle keine Nasenbohrer in der Formel 1. Schließlich sagte Loeb selbst, dass es für ihn im Formel 1-Auto anstrengender war als in seinem Rallyeboliden. Loeb ist zudem in Hochform, seine Reflexe sind topfit – und letztlich kommt man ja meistens recht schnell auf Touren, doch dann geht es immer um die letzten 1,5 Sekunden, wo es dann hart wird, sich zu steigern. Eines möchte ich dazu klar und deutlich sagen, damit mich ja niemand missversteht: Der Sébastien Loeb hat bei diesem Test eine wirklich beeindruckende Vorstellung gegeben - er ist mit Sicherheit ein Sondertalent, wie man es im Motorsport nicht allzu oft antrifft.“
Wurz fuhr in seiner Eigenschaft als Edeltester von Honda an diesem Montag ebenfalls in Barcelona und war als Drittschnellster rund 1,4 Sekunden schneller als Loeb. Doch aufgrund der verschiedenen Konfigurationen, die bei diesem Test zum Einsatz kamen, sind die Rundenzeiten nicht miteinander vergleichbar. So fuhren einige mit 2009er-Aerodynamikkomponenten, auch bei den Reifen waren sowohl profillose Slicks als auch die alten Rillenreifen im Einsatz. Mit oder ohne KERS ergibt einen Gewichtsunterschied, so wie bei Testfahrten stets unterschiedliche Spritmengen und Reifenmischungen im Einsatz sind. Diesmal jedoch gab es nicht nur große, sondern auch ständig wechselnde Unterschiede zwischen den Autos – weil oft ein und der selbe Fahrer im Verlauf des Tages die Konfiguration oder den Reifentyp gewechselt hat.
“2 bis 3 Sekunden müsste man hinzuaddieren“
Alex Wurz rechnet vor: „Ohne jetzt die Leistung von Sébastien Loeb schmälern zu wollen, muss man doch bedenken, dass sein Auto mit der 2008er-Downforce ausgerüstet war, während man zum Beispiel bei Toro Rosso zumindest die Zusatzflügel entfernt hat. Und man muss auch mit einbeziehen, dass er zugleich mit Slicks gefahren ist. Allein die Slicks bringen dir 1 bis 1,5 Sekunden Vorteil. Insgesamt würde ich schätzen, dass man bei Loeb zwei bis drei Sekunden dazuaddieren müsste – dann würde er zwar nicht mehr auf Rang acht liegen, er wäre aber noch immer nicht Letzter. Und deshalb sage ich noch einmal: Dieser Mann ist einfach ein Ausnahmetalent!“
Seine schnellste Runde ist Loeb mit "leerem" Tank und auf frischen Reifen gefahren. Wenn man drei Sekunden hinzuaddiert, würde Loeb Platz 17 belegen - Weltmeister Mika Häkkinen hatte bei seinem Test-Abenteuer wesentlich mehr Rückstand auf die Spitze - obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch als DTM-Pilot aktiv war. Dass noch sehr viel Potential in Sébastien Loeb stecken würde, zeigt seine eigene kritische Analyse: „Die Reifen bringen nur in der allerersten Runde den großen Vorteil - aber ich brauchte immer zwei Umläufe, um wieder in einen Rhythmus zu kommen. Ich habe also eigentlich meine Chance verschenkt, es noch besser zu machen. Ich bin trotzdem zufrieden, weil es sich im Verlauf des Tages so gut entwickelt hat."
Loeb: „Wahrscheinlich zu alt“
Wer jetzt darauf hofft, dass der 34-jährige Sébastien Loeb in die Formel 1 wechseln und dort Weltmeister Lewis Hamilton zum „Duell der Giganten“ herausfordern könnte, sollte besser nicht weiter lesen. Denn zum einen ist derzeit zumindest kein weiteres Formel 1-Gastspiel vorgesehen – obschon Loeb zumindest die Tür offen ließ, indem er erklärte, eine solche Möglichkeit würde von seinem Terminkalender und den freien Testtagen der Formel 1 abhängen. Zum anderen jedoch erteilte der Franzose einem ernsthaften Formel 1-Einstieg eine doch ziemlich klare Absage, indem er süffisant erklärte: „Wahrscheinlich bin ich zu alt für so etwas.“