MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Formel 1: Mosley vs NOTW

Die Frage lautet: Gibt es eine Berechtigung für eine derartige Vorführung?

1. Prozesstag im Fall Mosley gegen NotW: Der angebliche Nazi-Zusammenhang als Brückenpfeiler der Verteidigung. Und S/M auf dem Moral-Prüfstand...

Michael Noir Trawniczek

Am Montag fand in London der erste Prozesstag im Fall Max Mosley gegen News of the World (NotW) statt. Der FIA-Präsident klagt das britische Boulevardblatt wegen der Veröffentlichung eines versteckt gefilmten Videos, welches den 68-jährigen Briten beim Praktizieren von Sadomasosex zeigt. Mosley klagt zum einen das Eindringen in seine Privatsphäre an - und wehrt sich zum anderen vehement gegen die Verbindung zum Nationalsozialismus, welche die Zeitung mit Schlagzeilen wie "Max Mosley in kranker Nazi-Orgie mit fünf Prostituierten" von Beginn an herzustellen versuchte.

Mosley wurde gewarnt

Die britische Tageszeitung The Times berichtete schon im Vorfeld der Verhandlung, dass Max Mosley zwei Monate vor der Veröffentlichung des Videos gewarnt wurde, dass jemand versuchen würde, ihn aus dem Amt zu hebeln. Dean Attew, der Gründer des Geheimdienstes 'Titon International', der als Wirtschaftsberater sowohl für die kommerziellen Rechteinhaber der Formel 1, CVC, als auch für die FIA gearbeitet hat, verriet, dass er einen Anruf "von einem Freund" erhalten habe, der ihm erzählt habe, es würde ein Budget geben, um Max Mosley "auf die Knie zu zwingen, ihn aus dem Amt zu hebeln und ihn öffentlich miss zu kreditieren".

Attew wird zitiert mit den Worten: "Diese Person hat mich kontaktiert, weil er über mein Verhältnis zu Bernie [Ecclestone, d. Red.] Bescheid wusste, er aber nicht wusste, wie mein Verhältnis zu Max [Mosley, d. Red.] war. Er wollte herausfinden, ob ich irgendeine Loyalität zu Max hege oder ich etwas Wertvolles weiß."

Attew hat in der Folge Ecclestone informiert. Auf die Frage, ob Mosley ein Geheimnis haben könnte, soll Ecclestone damals geantwortet haben: "Da gibt es nichts. Max ist die Langeweile in Person." Ecclestone hat, laut Attew, daraufhin Mosley explizit gewarnt, dass jemand einen Komplott gegen ihn schmieden würde. Ecclestone soll sich deshalb nach der Veröffentlichung des Videos extrem über Mosley geärgert haben, weil er seine Warnung offensichtlich nicht ernst genug genommen hatte.

Der moderne Pranger

Soweit die, nicht uninteressante, Vorgeschichte. Mosley erklärte am Montag vor Gericht, er habe aufgrund der Warnung sehr wohl Vorsichtsmaßnahmen getroffen, er habe jedoch nicht ahnen können und auch nicht bemerkt, dass eine der an dem Sex-Rollenspiel beteiligten Frauen mit einer Videokamera ausgerüstet war.

Mosley klagt jenen Schaden ein, der aufgrund des Ausspionierens einer Wohnung im Londoner Stadtteil Chelsea entstanden ist - diese Wohnung hat Mosley einer der Damen als Gegenleistung dafür überlassen, dass sie für ihn "Group Fantasy Sessions" arrangierte. Mosley erklärte, dass er diese Art von Rollenspiel bereits seit 45 Jahren betreiben würde und es niemals den geringsten Verdacht gegeben habe, dass die Öffentlichkeit davon erfahren würde. Bekannt geworden sei es nur "aufgrund von Bestechung und illegaler Handlungen", erklärte Mosley. Der FIA-Präsident betonte noch einmal, dass die Veröffentlichung des Videos für ihn ein massives und unberechtigtes Eindringen in seine Privatsphäre gewesen sei.

Mosley erklärte: "Meine Frau und ich sind seit 48 Jahren verheiratet, zusammen sind wir seit mehr als 50 Jahren, wir haben einander als Teenager getroffen. Und sie hat nie etwas über diesen Aspekt meines Lebens gewusst. Die Schlagzeile in der Zeitung war daher total verheerend für sie und es gibt nichts, was ich zu ihr sagen könnte, was diesen Schaden wieder reparieren könnte." Mosley erwähnte auch seine beiden Söhne: "Wenn ich mich in ihre Lage versetze - meinen Vater in dieser Position, auf diesen Bildern so zu sehen, das würde ich auch verheerend finden."

Mosleys Anwalt James Price erklärte: "Die Rolle von NotW als Spanner, der publiziert, um die Millionen zu amüsieren, passt nicht gut zu der selbsternannten Rolle als Richter über die Moral der Nation. Jeder weiß, dass NotW vom sexuellen Kitzel lebt. Jeder weiß, dass ihre hochtrabenden Worte scheinheilig sind. Es wäre ja sogar lustig, wenn es nicht auf so schreckliche Weise zum Schaden der NotW-Opfer passieren würde." Price fügte hinzu: "Das Sexualleben einer Person ist der intimste Teil seiner oder ihres Privatlebens. Jeder normale Mensch erwartet, dass sein Sexualleben als Privatangelegenheit akzeptiert wird. Und jeder wäre außer sich, wenn das nicht der Fall sein würde. Das Sexualleben von Menschen auszuspionieren, ist einfach nur widerlich."

Der Nazi-Zusammenhang

Einen wesentlichen Punkt der Anklage stellt der angebliche Nazi-Zusammenhang dar. Denn darauf beruft sich NotW - dieser angebliche Nazi-Beigeschmack dient dem Boulevardblatt quasi als Legitimation für die Veröffentlichung. Die Zeitung erwähnte in diesem Zusammenhang von Beginn an die Eltern von Max Mosley - dessen Vater Oswald Mosley war der Gründer einer faschistischen Bewegung, der in seiner Jugend auch Max Mosley angehörte. Mosley erklärte dazu: "Mein ganzes Leben lang hingen meine Vorfahren, meine Eltern über mir -und das letzte, was ich in einem sexuellen Kontext haben möchte, ist daran erinnert zu werden. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass meine Eltern Nazis waren, aber es gibt da natürlich eine Verbindung." Mosley sagte auch: "Ich kann mir nur wenige Dinge vorstellen, die unerotischer sind als ein Nazi-Rollenspiel."

Mark Worby, der Anwalt von NotW, erklärte: "NotW möchte geltend machen, dass es der Wahrheit entsprach zu sagen, dass die Orgie einen Nazi-Zusammenhang aufwies und dass dies nicht unabsichtlich passiert ist. Sie war danach ausgerichtet."

Worby präsentierte dem Gericht auch eine Tonbandaufnahme, welche laut dem Times-Bericht von einer weiteren Orgie stammt, welche wenige Wochen vor der ersten Orgie aufgenommen wurde. Auf dieser Aufnahme sollen Mosley und eine Dame zu hören sein, wie sie Befehle in Deutsch schreien, eine Dame soll zudem in Englisch flehen: "Aber wir sind die arische Rasse, wir sind blond."

Mosley soll die Aufnahme ruhig angehört und dann gesagt haben: "Es würde mir nicht im Traum einfallen, dass das irgendetwas mit Nationalsozialismus zu tun hat." Worby erwiderte: "Ach, kommen Sie - wie viele politische Bewegungen haben die Überlegenheit der arischen Rasse ins Zentrum ihrer Ideologie gerückt?" Mosley antwortete: "Das geschah definitiv in der Nazi-Periode. Der Fakt, dass jemand Arier erwähnt, bedeutet noch lange nicht, dass es sich um ein Nazi-Rollenspiel handelt. Das ist eine Wegwerfphrase in einem allgemeinen Szenario. Wenn das alles ist, was Sie darlegen können, dann ist das aber nicht sehr viel."

Warby sprach die Uniformen an, und die "Szenen der Erniedrigung", die auf dem Video zu sehen sind. Mosley erwiderte: "Wir wollten keine historische Szene nachspielen. Wir wollten eine moderne Gefängnisszene spielen." Die Kleidung habe keinen Bezug zu den Nationalsozialisten vorgewiesen. "Das ist Nonsens", meinte der FIA-Präsident.

Mosleys Anwalt fügte an, es sei abscheulich von NotW gewesen zu behaupten, sein Klient habe mit der Sadomaso-Aktion die Behandlung von Juden in den Konzentrationslagern verspottet.

S/M und die Moral

Der NotW-Anwalt erklärte auch: "Das Gesetz zieht eine klare Linie - der Grund dafür ist, dass sadomasochistische Grausamkeit konträr zu den Werten der Zivilisation ist und die darin involvierten Personen verdirbt." Den Umständen entsprechend würde es daher "keine berechtigte Aussicht auf Einhaltung der Privatsphäre in Relation zu der Information bezüglich dieses Falls" geben, fügte der Anwalt hinzu.

Die von Worby angesprochene Moral in Bezug auf Sadomasochismus machte auch Mosley zum Thema: "Ich widerspreche grundsätzlich gegen die Behauptung, dass irgendeine dieser Spielarten entartet, verdorben oder unmoralisch ist. Ich denke, es ist eine vollkommen harmlose Aktivität - vorausgesetzt dass daran Erwachsene beteiligt sind, die das auch wollen und über einen klaren Verstand verfügen und es in einem privaten Umfeld stattfindet." Mosleys Anwalt fügte hinzu: "Die meisten Menschen denken, dass S/M-Spielarten - also Spanking, Bondage, Rollenspiele und ähnliches - harmlos sind, manche finden sie sogar lustig."

Max Mosley erklärte dem Gericht auch, was es damit auf sich haben würde, wenn er sich blutig peitschen lassen würde: "Man muss dabei verstehen, dass Menschen, die diese Spielart betreiben sehr empfindlich werden und sie sehr leicht zu bluten beginnen - doch der Schmerz, der damit verbunden ist, ist vergleichsweise harmlos. Mir persönlich ist das lieber als in ein kaltes Schwimmbecken zu springen. Das Maß an Gewalt ist minimal - die blutenden Wunden entsprechen jenen, die man sich auch beim Rasieren zufügt. Wenn Sie an Tatoos oder Piercings denken - nicht zu vergessen auch gewalttätige Sportarten - dann ist es lächerlich. Es ist lächerlich zu sagen, dass es sich um kriminelle Verwundungen handelt - das ist abstrus und lächerlich."

Im Kreuzverhör erklärte Max Mosley: "Ich glaube nicht, dass jemand, der ein bewusst lebender moderner Mensch ist, ernsthaft glauben wird, dass diese Aktivitäten krankhaft sind."

Grenzen

Max Mosley und sein Anwalt streben hohe Schadenersatzforderungen an, diese Summe soll einem wohltätigen Zweck zugute kommen. In dem Prozess geht es aber vor allem darum, ob eine Verletzung der Privatsphäre wie im Falle Mosley gerechtfertigt war - diese Berechtigung würde es nur dann geben, wenn es eindeutige Beweise für eine Gutheißung oder Widerbetätigung im strafrechtlichen Sinne geben würde und diese Information daher dem Interesse der Öffentlichkeit gedient hätte.

Für die Medienwelt bedeutet dieser Prozess auch eine Definition von Grenzen: Ab wann ist ein "Zwangsouting" in Form eines modernen Video-Prangers gerechtfertigt? Zudem geht es um Dinge wie sexuelle Freiheit und Moral. Aus diesen Gründen verfolgt die Öffentlichkeit den Prozess mit regem Interesse. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

News aus anderen Motorline-Channels:

Formel 1: Mosley vs NOTW

Weitere Artikel:

DTM-Rennen Oschersleben 2

Güven feiert seinen ersten DTM-Sieg

Ayhancan Güven feiert im spannenden Strategie-Poker in Oschersleben den ersten DTM-Sieg vor Mercedes-Pilot Jules Gounon & Manthey-Teamkollege Thomas Preining

"Unprofessionell und respektlos"

Verstappen ein schlechter Verlierer?

Johnny Herbert legt mal wieder gegen Max Verstappen nach: Welches Verhalten er kritisiert und warum dessen Strafe nicht ungerecht, sondern sogar noch zu milde war

Ferrari-Zirkus in Miami

Positionschaos statt Angriff nach vorn

Ferrari hat in der Formel 1 wieder einmal die Lacher auf seiner Seite - Statt Kimi Antonelli anzugreifen, wird über die teaminterne Reihenfolge debattiert

Lewis Hamiltons Zorn auf Ferrari ist in Miami 2025 das Thema des Grand Prix, das den Sieg von Oscar Piastri nach packendem Fight gegen Max Verstappen überlagert

Rallycross Wachauring: Bericht

Harte Zweikämpfe

Mit hochklassigen Rennen ging das AV-NÖ Rallycross von Melk über die Bühne. Dank der harten internationalen Konkurrenz der FIA Zentraleuropa-Meisterschaft hatten es die Österreicher schwer, Gerald Woldrich holte dennoch einen umjubelten Heimsieg.