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Günstiger per Dreijahresplan?

Heizdeckenverbot, Einheitsteile, aktive Aufhängung, längere Sperrstunden; Sparpläne als Budgetlimitersatz dürften auf Widerstand stoßen.

Die Formel 1 meint es offenbar ernst mit ihren Bemühungen, Kosten zu sparen. Am Donnerstag will die Strategiegruppe aus Teams, FIA und dem Inhaber der kommerziellen Rechte bei einem Treffen in London über das Thema diskutieren. Vorliegende Dokumente skizzieren die Eckpunkte des Plans, die sogar konkrete Reglementänderungen beinhalten. All das soll am 1. Mai in die Wege geleitet und bis 30. Juni durch den Motorsportweltrat der FIA abgesegnet werden.

Grundsätzlich gibt es ein Bekenntnis der Strategiegruppe zur Kostenreduktion, unter anderem im operativen Bereich, sowie zu mehr Chancen- und Ergebnisgleichheit im Starterfeld. Der Rotstift wird bei Dingen angesetzt, die für die Fans nicht sofort sichtbar sind; verbessert werden sollen hingegen marktfähige Aspekte des Sports. Darunter ist explizit potentielle Zukunftstechnologie zu verstehen. Um diese Ziele zu erreichen, schlagen die Verantwortlichen einen Dreijahresplan mit zahlreichen Änderungen des sportlichen und technischen Reglements vor, wie sie unter anderem Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff (Bild) und R·B·R-Teamchef Christian Horner zuletzt gefordert hatten.

Deren Umsetzung sollen spezielle Mini-Arbeitsgruppen gewährleisten. Erste Schritte erfolgen schon 2015: Heizdecken für die Reifen wird es nicht mehr geben. Die Maßnahme ist bekannt, Kritiker – darunter auch Reifenlieferant Pirelli – sehen jedoch den Verlust einer potenziellen Werbefläche (!) und eher geringes Sparpotenzial, schließlich besitzen die Teams das Equipment bereits. Hinzu kommt eine Vereinfachung des Tanksystems, indem innere Umlenkbleche verboten und die Anzahl an Pumpen begrenzt wird. Auch die Bremsschächte sind bald simpler: keine Flügelchen oder sonstige aerodynamische Teile mehr, dafür aber wieder glühende Bremsscheiben als optischer Appetithappen.

Einheitsteile bei Antrieb und Lenkung

Auch den komplizierten Frontflügeln geht es an den Kragen: weniger Aerodynamik, stattdessen mehr Werbefläche. Vorder- und Hinterradaufhängung dürfen nicht mehr verbunden sein. Das Getriebereglement soll mit dem für Antriebsstränge in Einklang werden, sodass im freien Training ausschließlich die vier vorgesehenen Einheiten straffrei verwendet werden dürfen. An einem Rennwochenende sind beide Komponenten zusammen zu nutzen, was Vorteile beim Arbeits- und Personalaufwand an der Strecke bringen soll. Die nächtliche Sperrstunde, in der an den Autos nicht gearbeitet werden darf, soll verlängert werden: donnerstags von acht auf zehn, freitags von sechs auf acht Stunden.

Ab 2016 gehen die Schritte noch weiter. Die Strategiegruppe will eine FIA-Arbeitsgruppe mit der Entwicklung diverser Teile beauftragen, die dann verbindlich zu nutzen sind. Eine einheitliche Crashstruktur im vorderen und hinteren Bereich des Autos soll die Entwicklungskosten der Teams drücken. Beim Antrieb setzt das Gremium zugunsten von mehr Chancengleichheit auf aktive Differentiale sowie Antriebsräder, Antriebswellen und Hinterachsen von der Stande. Bei der Lenkung soll die Zahnstange künftig kein Teil mehr sein, das individuell gefertigt werden muss.

Renaissance der aktiven Radaufhängung

Die finalen Schritte des Dreijahresplans sollen im Jahr 2017 Realität werden. Im Zentrum steht die aktive Radaufhängung, die seit 1994 in der Formel 1 verboten ist. Weil die technische Entwicklung aber bewirkt hat, dass viele Komponenten ohnehin in den Boliden stecken, soll deren Wiedergeburt Kosten sparen. Der Clou ist, dass es sich auch hierbei um ein Einheitsteil handeln soll. Stabilisatoren und andere Aufhängungskomponenten gehören dann genauso wie komplizierte Hydraulik der Vergangenheit an. Die Strategiegruppe verspricht sich einen technischen Schaukasten und weniger Personalaufwand, weil das gesamte Setup per Computer eingestellt werden kann.

Pläne für die Zeit danach liegen ebenfalls auf dem Tisch: Stehende Starts nach Safety-Car-Phasen? Verbessern mehr Boxenstopps die Show? Braucht es weniger Personal an der Rennstrecke als die aktuell durch das Reglement verfügbaren 60 Mitarbeiter? Wird bald auch die Anzahl der Chassis beschränkt? Überdies sind weiterhin 18 Zoll große Niederquerschnittsreifen als Lockmittel für andere Reifenhersteller im Gespräch, und auch die teuere Novelle der Motorenformel soll auf die Agenda gesetzt werden.

Alle Änderungen sind die Antwort der Strategiegruppe auf das Aus für die fixe Budgetobergrenze. Es ist jedoch fraglich, was ihrer Einführung in Kombination mit einer Kostendeckelung im Wege steht. Es sind die Machtverhältnisse und die Interessen der großen Teams, die in diesem Gremium praktisch alleine bestimmen – das zumindest glauben diejenigen, die für den Teambetrieb und -erhalt jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Genau deshalb haben sie ihren Kampf noch nicht aufgegeben und könnten mit der Angelegenheit sogar die Organe der Europäischen Union beschäftigen.

Geht der Kampf um das Budgetlimit weiter?

Schließlich dürften die Einsparungen weit unter den rund 35 Millionen Euro liegen, die eine Obergrenze versprochen hätte. Sollten diskriminierende Entscheidungen gegen einige Teams getroffen werden (und das Aus für die Bugetobergrenze ist jurisitsch durchaus als solche zu verstehen), könnte dies den Formel-1-Mehrheitseigner CVC Capital Partners in Turbulenzen bringen. Theoretisch könnte man den Fall an die Wettbewerbshüter in Brüssel übergeben. Auch ethische Grundsätze des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dem die FIA jüngst beigetreten ist, stehen nicht im Einklang mit dem aktuellen Entscheidungsgebaren in der "Königsklasse".

Vor diesem Hintergrund bleibt auch die Frage offen, wie es mit den kommerziellen Grundsätzen und Entscheidungsstrukturen der Formel 1 überhaupt weitergeht. Die stark zugunsten der großen Teams verteilten Einnahmen aus dem Gesamttopf sind vielen ein Dorn im Auge. Ein Nachfolgeabkommen für das ausgelaufene Concorde Agreement gibt es nicht, nur eine Einigung über Rahmenbedingungen. Genau darauf fußt die Macht der Strategiegruppe. Schließlich – so argumentiert FIA-Präsident Jean Todt – hätten der Motorsport-Weltrat der FIA sowie das Formula One Management (FOM) die Sache abgenickt; nicht aber die Teams.

Strategiegruppe juristisch auf tönernen Füßen

Weil das Concorde Agreement im Falle seines Auslaufens ohne ein entsprechendes Nachfolgedokument de iure gültig bleibt, ist die Legitimität der Strategiegruppe von dieser Warte aus angreifbar. So stünde der Weg offen zurück zu den verschiedenen Arbeitsgruppen der Formel 1, in denen jedes Team im gleichen Maße Einfluss genommen hat. Befürworter sehen in dieser Lösung außerdem den Vorteil, dass die Spezialisten für diverse Bereiche selbst am Tisch sitzen und nicht die Teamchefs mit umfassender Allgemeinkompetenz, aber wenig Fachwissen, etwa im technischen Bereich.

Nicht zuletzt wird am Donnerstag also auch über die Strategiegruppe und die Verteilung der Macht debattiert werden. Wenn es dann heißt, dass Force India mit seinem aktuellen Aufwärtstrend unter Beweis stellt, dass die Phalanx der "Big Player" keine unüberwindbare Hürde darstellt, müssen Fragen erlaubt sein: Wie hat es die Mallya-Truppe geschafft, nach vorne zu kommen? Welchen Preis hat sie dafür gezahlt, und wird sie so entschädigt wie Mercedes, Ferrari oder RB Racing?

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