WTCC: Pau | 01.06.2008
Wechselbäder
Ob bei Regen, ob im Sonnenschein, BMW war auf dem Stadtkurs von Pau heuer nicht zu schlagen: Siege für Farfus (Sonne) & Priaulx (Regen).
Seit 1901 wird in Pau gefahren, der „große Bruder“ von Monte Carlo hat aber weder den Glamour noch das internationale Ansehen des monegassischen Grand Prix. Die WTCC hat sich hier an eine großartige Veranstaltung angehängt, die heuer zum 86. Mal ausgetragen wurde.
Und wie auf jedem Straßenkurs fliegen auch in Pau gelegentlich die Fetzen, denn das Überholen ist hier nur schwer möglich. Heuer war aber – untypisch für Westfrankreich – das Wetter ein entscheidender Faktor.
Qualifying: Politik im Regen
Vor dem Qualifying ging die Streiterei über die Leistungs- und Gewichtsbalance der verschiedenen Autos fröhlich weiter. Die FIA verordnete den BMW eine 15-Kilo-Diät. Das brachte die Seat-Fraktion in Rage, auf den Leon TDI fand sich der Aufkleber „Achtung Schwerfahrzeug“… - Auch Honda durfte 20 Kilo ausladen.Die Lada-Truppe hatte wiederum Autos im Gepäck, die nicht dem Homologationsblatt entsprachen. Russian Bears Motorsport darf weiter ohne Punkteberechtigung mitmachen, spätestens beim übernächsten Rennen in Spanien müssen die Mängel jedoch ausgeräumt sein, sonst heißt es endgültig „do swedanje“.
Das Training ging bei heftigem Regen über die Bühne, Augusto Farfus und Jörg Müller in den 320er-BMW waren am schnellsten unterwegs. Die beiden sind ja mit einem Sieg in der Tasche aus Deutschland angereist: gemeinsam haben sie die Diesel-Wertung bei den 24 Stunden am Nürburgring gewonnen.
Rechtzeitig zum Qualifying war es dann etwas trockener; Seat-Mann Yvan Muller sah aus wie der sichere Pole-Starter, bis Farfus ihm die Pole Position um zwei Hundertstel abluchste. Dahinter mit Muller, Gené, Tarquini und Rydell eine spanische Phalanx; der schnellste Chevy in den Händen von Rob Huff startete von Position 6.
Lauf 1: Erster Sieg für BMW…
Aufatmen in München: Man hat das Siegen noch nicht verlernt. Augusto Farfus war der Mann des Rennens, er erwischte schon den ersten Start perfekt. Es gab dann nämlich noch einen zweiten Start.Nach einer Massenkollision in der Lycee-Haarnadelkurve war die Strecke von ungefähr zwei Dutzend Autos blockiert. Alain Menu und Alex Zanardi waren die Auslöser dieses Zwischenfalls.
Im strahlenden Sonnenschein bot sich beim Neustart wieder dasselbe Bild: Farfus verabschiedete sich in aller Form von seinen Kollegen und fuhr nachschauen, ob denn der Sekt schon kalt sei. 18 Sekunden Vorsprung hatte der Brasilianer, als er sich, der Marke BMW und dem Schnitzer-Team den ersten Erfolg des Jahres holte.
„Es war bislang eine schwierige Saison, aber jetzt haben wir’s herumgedreht!“, freute sich der Mann aus Curitiba im Ziel. Yvan Muller und Jordi Gené komplettierten das Podium, während Tabellenführer Tarquini mit seinem schwer beladenen Auto (61 Kilo Erfolgs-Ballast) deutlich zu kämpfen hatte.
Er wurde aber noch Sechster und kassierte wieder ein paar Punkte. Den für Lauf 2 so wichtigen 8. Platz schnappte sich Weltmeister Andy Priaulx.
Bei den Independents gab es den Erfolg eines Lokalhelden: Laurent Cazenave war bei Wiechers Sport der Einspringer für Olivier Tielemans und holte sich in den Straßen seiner Heimatstadt gleich den Sieg der Privatfahrer.
Lauf 2: …und zweiter Sieg für BMW!
Alles anders vor dem zweiten Rennen: Ein Gewitter änderte die Voraussetzungen grundlegend. Die Teams haben zwischen den Rennen nur 15 Minuten Arbeitszeit an den Autos, es wurde hektisch auf Regen-Setups umgebaut, die Monsun-Reifen aus den Heizdecken geschält.Rings um die Strecke hatte die städtische Kanalisation mit den Wassermassen zu kämpfen, es gab „stehende Gewässer“ an einigen Stellen. Heikle Bedingungen, deshalb führte das Safety-Car das Feld durch die ersten drei Runden.
Und dann zeigte Andy Priaulx eine weltmeisterliche Leistung: Als „Insulaner“ ist er mit Motorbooten sehr vertraut, vielleicht half ihm das beim Ritt über die Stromschnellen.
An der Spitze etablierte sich eine Dreiergruppe mit Priaulx, Nicola Larini im Chevrolet Lacetti und Rickard Rydell im Seat. Nach kurzer Eingewöhnungsphase riskierten diese drei immer mehr, aber Priaulx war trotz einiger Slides nie ernsthaft in Bedrängnis.
Er wählte auch die bei weitem aggressivste Linie, die nicht nur die Randsteine, sondern auch gleich die Gehsteige mit einberechnete. Volles Risiko, aber Priaulx konstatierte dann auch „ein fehlerfreies Rennen, denn sonst hätte Nicola mich überholt“.
Vom Speed her war die Dreiergruppe eng beieinander, in dne letzten Runden baute Larinis Auto dann deutlich ab, er behauptete sich noch knapp vor Rydell auf Platz 3.Der Händedruck zwischen dem Italiener und dem Schweden im Ziel fiel eher zaghaft aus - der Rydell’sche „Dolchstoß“ in Anderstorp 2007 ist noch nicht vergessen.
Die Privatiers lieferten eine turbulente Vorstellung mit etlichen Pirouetten ab. BMW war hier dominant. Stefano d’Aste siegte vor Franz Engstler und Oscar Nogues im besten privaten Seat. Und Jaap van Lagen darf sich über Platz 18 freeen, das beste Resultat bislang für den Lada 110.
Gabriele Tarquini bleibt mit jetzt 45 Punkten weiter an der Tabellenspitze vor Yvan Muller (38) und Rickard Rydell (37), als bester BMW-Fahrer liegt jetzt Andy Priaulx mit 33 Zählern auf Platz 4. Nächstes Rennen, quasi der „Heim-Grand-Prix“ für alle Fans im östlichen Österreich: Brno am 15. Juni.