MotoGP: Estoril | 31.10.2010
Turbulente Rennen in Estoril
Estoril sah actiongeladene Rennen, Lorenzo ließ Rossi keine Chance, Stefan Bradl gewinnt erstmals die Moto2, zahlreiche Stürze in der 125er-Klasse.
Das Estoril-Rennen wurde zur großen Show von Yamaha. Niemand konnte dem neuen Weltmeister Jorge Lorenzo und seinem Vorgänger Valentino Rossi auch nur annähernd Paroli bieten. Langweilig wurde es für die Zuschauer in Portugal dennoch nicht - im Gegenteil: Die beiden Yamaha-Stars biten sich wieder einmal über viele Runden einen spannenden Kampf. Das bessere Ende fand Lorenzo für sich, der seinen achten Saisonsieg feiern durfte.
Die erste Phase des Rennens gehörte jedoch Rossi. Der Italiener hatte sich schnell an seinem Landsmann Andrea Dovizioso vorbeigearbeitet, der durch einen Turbostart nach vorne gekommen war. Im Anschluss setzte sich Rossi in einem ersten Zweikampf gegen Lorenzo nach vorne ab, spürte zur Rennmitte aber schon wieder den Atem seines teaminternen Gegners im Nacken.
Rossi versuchte nach einem Lorenzo-Manöver alles, um an seinem schärfsten Rivalen vorbeizukommen, aber ihm fehlten die Mittel. Lorenzo zog mit einigen schnellen Runden unaufhaltsam davon und erarbeitete sich bis ins Ziel einen Vorsprung von satten 8,6 Sekunden. Der Spanier feierte somit nicht nur seinen dritten Estoril-Sieg in Folge, sondern auch einen ganz wichtigen Erfolg, der seinem zukünftigen Standing bei Yamaha nur zusätzlich gut tun kann.
Hinter den beiden Yamaha-Piloten an der Spitze entwickelte sich im Rennverlauf ein toller Fight um Platz drei. Phasenweise kämpften gleich sechs Fahrer um den begehrten Podestplatz: Nicky Hayden, Marco Simoncelli, Dovizioso, Daniel Pedrosa, Randy de Puniet und Colin Edwards. Zu Beginn hatte auch Casey Stoner gut mitgemischt, aber der Australier legte seine Ducati schon am Ende von Runde vier in den Kies - das Aus.
Zu jenem Zeitpunkt war Pramac-Pilot Aleix Espargaró schon lange draußen, denn der Spanier hatte bereits in der ersten Runde Bekanntschaft mit dem Asphalt gemacht. Ben Spies war erst gar nicht angetreten. Der Tech-3-Yamaha-Rookie war auf dem Weg in die Startaufstellung schwer gestürzt und hatte dabei eine Knöchelverletzung erlitten. Ob Spies beim Saisonfinale in Valencia starten kann, ist derzeit unklar.
Zurück zum Kampf um Platz drei: Als erster Pilot fiel Pedrosa zurück, der auch in Estoril noch unter den Folgen seines Sturzes litt. Auf der Ziellinie wurde es zum großen Duell zwischen Dovizioso und dem enorm stark auftrumpfenden Gresini-Piloten Simoncelli, der sich schließlich um den Hauch von 0,058 Sekunden geschlagen geben musste. Hinter dem Honda-Duo kamen Hayden, de Puniet und Edwards über die Linie.
Viel Pech hatte Carlos Checa bei seiner Rückkehr in die MotoGP. Der Spanier, der Mika Kallio bei Pramac-Ducati ersetzt, lieferte sich zu Beginn des Rennens nette Duelle mit Héctor Barbéra und Loris Capirossi, musste sein Bike aber in Runde 14 an der Box abstellen. Nach der Zieldurchfahrt markierte Lorenzo ein Estoril-Kiesbett per Flagge als "Lorenzo's Land", die Yamaha-Teammitglieder feierten den Gewinn des Herstellertitels.
Moto2
Was für ein Rennen der Moto2-Klasse in Estoril! Stefan Bradl sichert sich nach sensationellem Zweikampf gegen Alex Baldolini seinen ersten Sieg in der mittleren Grand-Prix-Kategorie. Der deutsche Kiefer-Pilot setzte sich in einem harten Duell auf der Ziellinie mit 0,068 Sekunden gegen den Italiener durch. Auf Rang drei feierte Australien-Sieger Alex de Angelis einen weiteren Podestplatz.
Die erste Hälfte des Rennens gehörte jedoch einem Neuling. Kenan Sofuoglu, der in Estoril sein erstes Rennen in der Moto2 bestritt, ließ sich von den veränderten Verhältnissen nicht aufhalten. Erstmals war der Türke auf Slicks unterwegs, dennoch zog er dem gesamten Feld unvergleichlich auf und davon. Bis zur Halbzeit hatte sich der Supersport-Weltmeister einen Vorsprung von über sieben Sekunden herausgefahren.
Aber Sofuoglu hatte ab Runde 15 immer mehr Sorgen. Der Lenker passte nicht, die Reifen bauten erheblich ab. Bradl konnte sich mit großen Schritten heranarbeiten, hatte aber schon zu jenem Zeitpunkt Baldolini jederzeit am Hinterrad. Das Duo schnappte sich den Türken schließlich in Runde 20, der beim Überholmanöver wild fluchte und anschließend zunächst weiter zurückfiel.
Vorne konnten sich Bradl und Baldolini einen kleinen Vorsprung herausfahren, dahinter entbrannte ein herber Kampf um den letzten Podestplatz. Dominique Aegerter mischte dort ebenso mit wie Polemann Gabor Talmacsi, Alex de Angelis, Scott Redding und phasenweise Andrea Iannone. Der Italiener feuerte sich und sein Bike jedoch bei der Aufholjagd auf den Asphalt.
Die stark auftrumpfenden Yonny Hernandez, Toni Elias und Racing-Team-Germany-Pilot Carmelo Morales hatten sich vorzeitig per Sturz aus der Entscheidung genommen. MZ-Pilot Anthony West arbeitete sich mit starken Runden von weit hinten auf Platz sieben nach vorne. Den Kampf um Rang drei entschied Alex de Angelis für sich, Aegerter fiel noch auf Platz neun zurück.
Der Schweizer Tom Lüthi hatte nach einem soliden Start nicht viel zu melden. Nur kurz zwischendurch belegte er einen Punkterang, fiel aber am Ende auf den undankbaren 16. Platz zurück. Bradl-Teamkollege Michael Ranseder hatte sein Bike bereits nach vier Runden abstellen müssen. "Ab der zweiten Runde hatte ich Probleme mit dem Getriebe. Leider musste ich an die Box fahren und aufgeben", berichtet der Österreicher.
125ccm
Die Zuschauer in Estoril wurden am Sonntag bestens für die Absage des Qualifyings am Vortag entschädigt. Die Fans bekamen statt drei gleich vier Rennen zu sehen, denn der Grand Prix der 125er-Klasse wurde in zwei Durchgängen entschieden. Nachdem das Rennen wegen einsetzendem Regen nach sieben Runden abgebrochen werden musste, entschied Marc Márquez den abschließenden Sprint über neun Runden für sich.
Den ersten Start konnte Nicolas Terol gewinnen. Der Aspar-Pilot hatte sich schnell an seinem Teamkollegen Bradley Smith vorbeigearbeitet, auch Marc Márquez konnte nach einem bärenstarken Start sofort am Briten vorbei. Im Schatten des Toptrios, das sich vorne absetzen konnte, zeigte Sandro Cortese eine starke Fahrt, die aber wieder einmal nicht belohnt werden sollte.
Nach fünf Runden brachten die dunklen Wolken über Estoril die nächsten Regenschauer, prompt flogen Cortese, Grotzkyj, Martin, Kent, Rabat, Vazquez und auch Marcel Schrötter in den Kies. Zwei Runden später war die Piste fast komplett nass, die Rennleitung bracht das Rennen ab. Die Teams begannen mit der Umrüstung der Bikes für den anschließenden Sprint über neun Runden, doch der Regen hörte auf.
Die große Frage lautete: Slicks oder Regenreifen? Die Toppiloten entschieden sich fast alle für die profillosen Reifen, Pol Espargaró setzte auf Regenpneus und lag damit komplett falsch. Als die Piloten sich wieder auf den Weg in die Startaufstellung machten, gab es die große Schrecksekunde. Ausgerechnet WM-Leader Márquez legte sich auf dem Weg in den Grid ab, das Bike wurde beschädigt.
Der Spanier steuerte die Ajo-Box an. Dort winkte man ihn schnell weiter, weil die Boxengasse Sekunden später schloss - zu spät, Marquez musste als Letzter aus der Boxengasse in die Formationsrunde gehen. Doch der kämpferische Youngster zündete danach ein noch nie gesehenes Feuerwerk. Beim Restart schoss er sich zunächst auf Platz vier, schob sich dann wieder an das Aspar-Duo heran.
Es folgte schließlich ein toller Dreikampf an der Spitze. Márquez rang zunächst Smith nieder, der als Bodyguard seines Teamkollegen Terol fungieren wollte. Zu Beginn der letzten Runde zog Márquez schließlich an seinem WM-Rivalen vorbei an die Spitze. Zwei Konter von Terol schlugen fehl, der Cortese-Teamkollege konnte nach all dem Chaos sensationell noch gewinnen.
Hinter Terol, der seine Titelchancen damit wahren konnte, und Smith rollte Jonas Folger nach einem starken Rennen bei schwierigen Bedingungen als Vierter über die Linie. Randy Krummenacher sorgte mit Platz sieben für Jubel in der Schweiz, Pol Espargaro verspielte seine Titelchancen mit Platz zehn. Márquez geht nun mit einem Vorsprung von 17 Punkten auf Terol in die Entscheidung in Valencia.