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Stockcar Racing Cup Austria: Das Finale

Volvo-Schnuppern vor dem nächsten Abenteuer

motorline.cc-Redakteur Michael Noir Trawniczek pilotiert beim Stockcar-Finale einen der neuen GP Racing-Volvos. Als Vorbereitung gab‘s den „Rallye-Schnuppertag“.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Johann Vogl, GP Racing, Nenad Jovanovic, Johannes Gauglica, noirphone

Manchmal sind Motorsportjournalisten wie Prostituierte - im Sinne von: Gib mir eines deiner Cockpits, lass mich in deiner Rennserie einen Gasteinsatz bestreiten und ich (be)schreibe, welch unbeschreibliches Erlebnis ein solcher Einsatz ist, sodass du neue Fahrer finden mögest, die ein solches Cockpit bei dir mieten…

Natürlich: Nicht jeder Motorsportjournalist ist heiß darauf, sich selbst in ein Cockpit zu setzen und von 1.000 Formel 1-Reportern fuhr wohl erst eine Handvoll mit einem Formel 1-Auto. Mit den World Rally Cars verhält es sich nicht anders, selbst eine Mitfahrt ist nicht leicht zu bekommen. Und in der MotoGP findet man kaum Journalisten, die einschlägige Praxiserfahrungen vorweisen können. Hier ist und bleibt man zwangsläufig der „Schreibtischtäter“…

Auf einer etwas bescheideneren Ebene ist es jedoch möglich: Das „Geschäft mit der Liebe“ ist in unserem Fall das „Geschäft mit der Begeisterung“. Stellt sich die Frage: Ist diese Begeisterung dann auch real? Oder nur gespielt? Und: Wie ist das bei den Prosituierten und dem „Akt der Liebe“? Schnell wird klar, dass der Vergleich mit dem „horizontalen Gewerbe“ zum Scheitern verurteilt ist – denn: Mit einem Renngefährt zu fahren, ist in den allermeisten Fällen vor allem eines: absolut geil!

Und im speziellen Fall, wenn man berufsbedingt über Motorsport schreibt, ist es zudem auch nützlich, wenn man ab und zu von der Schreibtisch- in die Cockpitperspektive wechseln darf. Ich persönlich kann in dieser Hinsicht sicher nicht klagen…

Neben Tracktests – z.B. mit dem Porsche 911 GT3 von Richard Lietz in Oschersleben, einem alten Formel Ford auf dem Slovakiaring oder im F1-Simulator von Red Bull Racing – gab es auch Bewerbe: Weiz-Rallye 2008 (Suzuki Swift nicht ausgedreht, Katastrophenrückstand). In der BMW 325 Challenge im zweiten Rennen immerhin Platz fünf von 13 (sieben im Ziel), trotz eines Drehers mit viel Zeitverlust, als bislang bestes Ergebnis. Wahrscheinlich, weil man an so einem Rennwochenende viel zum Fahren kommt, die Strecke überschaubar ist und man jene Zeit hat, die man als Laie benötigt, um sich schrittweise vorzutasten. Viel schwieriger das Rechbergrennen (KTM X-Bow), wo man sofort die „Leistung“ bringen muss - die Anführungszeichen sind in diesem/meinem Fall bewusst gewählt ;)

„Rallye-Schnuppertag“ – der Rennvirus grassiert

Das nächste Experiment: Eine Teilnahme bei der Premiere der neuen Stockcar Volvos – im Rahmen des großen Finales des Stockcar Racing Cup Austria am Samstag, den 19. Oktober auf der Sandbahn von Natschbach. Dort werden zum ersten Mal einige von GP Racing aufgebaute „Elch-Stockcars“ in der Klasse der Saloon Cars eingesetzt. 2014 soll daraus sogar ein eigener Stockcar Volvo Cup werden.

Als Vorbereitung auf dieses neue Abenteuer eignete sich der von GP Racing und dem Volvo Racing Team Triestingtal organisierte „Volvo Rallyeschnuppertag“ auf dem WRT-Ring in Hollabrunn. Dort, wo die Autocross-Helden „zuhause“ sind, durfte ich vor einiger Zeit bereits einen Allrad- und einen heckangetriebenen Buggy ausprobieren („Das böse Insekt“). Die Strecke ist mir also vertraut. Vertraut ist auch der Fahrzeugtyp: Die letzten Jahre fuhr ich jenen Volvo 740, mit dem einst Stefan Schmudermaier einen Start in der Drift Challenge wagte – der Weiße mit der Schweden-Flagge, eigentlich schon verstorben, als Stockcar auferstanden…

Zum Staunen bringt mich zunächst jedoch etwas anderes: Satte 60 Personen wollen an diesem Herbst-Sonntag Volvo schnuppern – der Elch erlebt in Österreich seine Renaissance. Mit „schuld“ daran könnte jener Zeitungsbericht sein, den die Krone sogar auf dem Cover angepriesen hat. Weil er nicht nur die Elite anspricht, sondern Rennsportverrückte aller Gehaltsklassen. In einer Zeit, in der Motorsport für immer weniger Menschen finanzierbar ist, stellt der heckangetriebene, flotte und zugleich stabile Volvo eine kostengünstige Möglichkeit dar, einmal selbst in einem Renncockpit Gas zu geben. Als einmaliges Erlebnis, oder als Beginn einer Leidenschaft…

Am Volvo-„Rallyeschnuppertag“ kann jede/r Interessierte mit Führerschein und eigenem Helm einen Block zu fünf Runden um 47 Euro erwerben. Viele nehmen gleich zwei oder mehrere Blöcke, pausieren dazwischen, studieren die Fahrt der „Mitschnupperer“, genießen Würstel und/oder Kaffee, plaudern mit den Instruktoren des GP Racing Teams, angeführt von Mastermind Georg Gschwandner. Der felsenfest davon überzeugt ist, dass „diese Art des Motor- oder Rallyesports im Moment in Österreich die einzige ist, welche finanziell überschaubar ist und keine Angst eines Privatkonkurses nach sich trägt“.

Der Rallye-Volvo als Hochzeitsbolide

Den 25-jährigen Patrik Dunkl hat bereits an einem früheren „Schnuppertag“ der Rennvirus gepackt, ein Rallye-Volvo wurde angeschafft. Mittlerweile hat sich auch seine künftige Ehefrau Claudia Bileck „angesteckt“. Gemeinsam will das junge Paar 2014 im geplanten Volvo Classic Cup antreten. Patrik lacht: „Dann ist der Rallye-Volvo unser Hochzeitsauto – durch den Schnuppertag haben wir den Rallyesport als unser gemeinsames Hobby entdeckt, es macht uns beiden unheimlich viel Spaß und wir können uns dieses Hobby auch leisten.“

Gebrauchte „Elche“ gibt es ausreichend im Land, an diesem Sonntag wird ein rennfertiges Exemplar um 3.500 Euro angeboten. Bestreitet man mit dem eigenen Boliden einen Lauf zur Austrian Rallye Challenge, kostet das alles in allem zwischen 700 und 900 Euro, rechnet Georg Gschwandner, der vor wenigen Wochen auf der Speedway-Sandbahn in Natschbach den zündenden Funken für das jüngste Projekt von GP Racing gefunden hat: Dort fahren neben den Formel 2-Stockcars auch die Saloon Cars – mit Überrollkäfig ausgestattete Gebraucht-PKW, die preisgünstig zusammengebastelt werden können.

Mit Manfred Stohl, Österreichs bislang erfolgreichstem Export in der Rallye-WM und Stockcar-Mastermind hat Georg Gschwandner eine Kooperation beschlossen: Schon am 19. Oktober, beim großen Stockcar-Finale, werden einige Volvos das Feld der Saloon Cars bereichern. Um 680 Euro kann ein Stockcar Volvo für diesen Bewerb bei GP Racing angemietet werden, Selbstbehalt und damit verbundene Kopfschmerzen gibt es nicht. Die Nenngebühr beträgt lediglich 80 Euro. Inkludiert sind zwei Trainingseinheiten zu jeweils zehn Minuten, drei Vorläufe und bei entsprechendem Erfolg das Finale. Mit eigenem Saloon Car winken kleine Belohnungen: Der Sieger erhält 100, der Zweite 80 und der Dritte 50 Euro.

Die Fahrt im Schnupper-Volvo

Den erwähnten früheren motorline.cc-Volvo darf ich also bei seiner Wiedergeburt als Stock- bzw. Saloon Car pilotieren – hier, beim Schnuppertag, geht es darum, nähere Bekanntschaft mit einem Renn-Volvo auf losem Untergrund zu machen. An meiner Seite nimmt GP Racing-Instruktor Nenad Jovanovic Platz - früher, im ersten, seit einigen Jahren nicht mehr existierenden Volvo-Cup selbst erfolgreicher Volvo-Glüher.

Nenad erklärt: „Die Strecke wird im zweiten Gang genommen, lediglich auf der Geraden bei Start/Ziel und auf dem leicht gebogenen Gegenstück wird in den dritten Gang geschalten. Der Volvo ist eine Heckschleuder, unsanftes Runterschalten kann zur Folge haben, dass dir das Heck ausbricht.“ Nicht wenige wollen genau diesen Zustand, schließlich ist er die Basis für einen gepflegten Driftwinkel.

Wir rollen zur Pisteneinfahrt – und schon geht es los. Der Schotter, der wegen der Staubentwicklung immer wieder bewässert wird, hat gerade seinen optimalen Zustand erreicht, er ist griffig und bietet viel Grip. Ich habe das Gefühl, dass sich der im Sommer absolvierte Schotterkurs bei der Drift Company, der Rallyeschule von Ernst und Beppo Harrach bezahlt macht und fühle mich auf Anhieb wohl. Das liegt sicher auch an der Gutmütigkeit des Fahrzeugs, denn der Volvo meint es prinzipiell gut mit einem – das Fenster, in dem er ausbricht ist gut kalkulierbar. Nenad erklärt: „Das liegt wohl auch an der Gewichtsverteilung – der Motor ist vorne, das Getriebe hinten. Der Volvo ist kein unberechenbares Fahrzeug.“

Für die „Erstschnupperer“ ein großer Vorteil – so kann die Fahrt genossen werden. Weil wir manchmal auf langsamere Fahrzeuge auflaufen und wir die Windschutzscheibe des Rallye-Volvo keinem Steinschlag aussetzen wollen, verlangsamen wir, warten, bis die Bahn wieder frei ist. Der Stockcar Volvo ist wie alle Saloon Cars ohne Windschutzscheibe, dafür mit einem Gitternetz ausgerüstet, weshalb mit Visier oder Brille gefahren wird.

Ich steigere mich mit jeder Runde - es gelingt mir auch, mit dem Gasfuß ein wenig mitzusteuern, das Heck gezielt ausbrechen zu lassen, den Wagen im richtigen Winkel quer zu stellen, um wieder herzhaft aufs Gas zu steigen. Ich könnte noch schneller fahren, doch in den engen Kurven wirbelt es auf dem welligen Boden das Lenkrad in meinen Händen, sodass ich immer wieder nachgreifen muss. „Das ist ganz normal“, sagt Georg Gschwandner. „Du bist noch zu langsam beim Lenken, doch das kommt mit der Routine von ganz allein.“ Da es beim Schnuppertag ausschließlich um die Freude am Fahren geht, gibt es keine Rundenzeiten. Nach den fünf Runden biegen wir ab ins Fahrerlager…

Die Renaissance des Elches

Dort warten bereits die nächsten „Schnupperer“. Sie alle tragen ein Lächeln im Gesicht – sei es, weil sie den Schnuppertag als originelles Geschenk erhalten haben oder weil sie gar vom Rennvirus erfasst wurden und bereits „Karrierepläne“ schmieden. Denn Möglichkeiten, günstigen Motorsport zu betreiben, gibt es im kommenden Jahr genug. Die Nachfrage ist deutlich gestiegen.

Der „Elch-Cup“ wird 2014 ein Comeback auf Österreichs Rallyepisten feiern – bereits eingeplant sind der Rallyesprint sowie Thayaland-, Leiben- und Waldviertel-Rallye, weitere Veranstaltungen sind im Gespräch.

Die Stockcar Volvos könnten 2014 wie beim bevorstehenden Finale gemeinsam mit den Saloon Cars antreten oder sogar eigene Läufe abhalten.

Starpiloten lieben Stockcar Racing

Ein samstäglicher Ausflug nach Natschbach ist immer empfehlenswert - in der Formel 2 und bei den Saloon Cars wird Racing vom Feinsten geboten. Britische Stockcar-Cracks treffen auf heimische Superstars.

Heuer wurden bereits PWRC-Weltmeister Andi Aigner, Ryan Sharp, Christian und Philipp Lietz, Rudi Stohl, Martin Kalteis oder auch TV-Star Christian Clerici in einem der Cockpits gesichtet.

Im Vorjahr brillierte Formel 1-Kommentator Ernst Hausleitner im F2-Boliden - und auch Hermann Neubauer, Lukas Lichtner-Hoyer, Kris Rosenberger, Christian Petrakovits, Michael Böhm, Walter Grubmüller junior, Kerstin Taus, Sven Förster und viele andere bereicherten bereits im Geburtsjahr 2012 den Stockcar Racing Cup Austria.

Sogar die Funktionäre sind bekannte Größen des heimischen Motorsports: Als Rennleiter fungiert Austrian Rallye Challenge-Boss Folkrad Payrich, der Sicherheitschef heißt Peter Müller - jener Co-Pilot also, der mit Manfred Stohl im Jahr 2000 Gruppe N-Weltmeister wurde.

Übrigens: Hausherr Manfred Stohl, stets für rasante Manöver und flotte Sprüche gut, kommt als Tabellenleader zum Finale. Das Fahrerlager ist offen, den Abend können die Fans in geselliger Runde mit den Piloten verbringen. Die Trainingsläufe beginnen um 13.45 Uhr. Die Finalläufe steigen ab 17.30 Uhr.

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