
WTCC: Sears Point | 08.09.2013
Vorteil Muller
Nachdem Michel Nykjaer ans Ende der Startaufstellung versetzt wurde, hat Yvan Muller die besten Karten - er steht neben Polesetter und Teamkollege Tom Chilton in Reihe eins.
Tom Chilton strahlt mit der kalifornischen Sonne um die Wette. Und das völlig zu Recht. Denn er hat das scheinbar Unmöglich geschafft und seinen Teamkollegen Yvan Muller davon abgehalten, wieder einmal auf die Pole-Position zu fahren.
Chilton statt Muller - übrigens zum ersten Mal geht das teaminterne Qualifikations-Duell damit nicht an den souveränen WM-Spitzenreiter der WTCC.
"Natürlich bin ich enttäuscht", sagt Muller, der 2013 bereits siebenmal von ganz vorn losgefahren ist. "Dieses Mal war Tom einfach schneller als ich. Er hat die Pole-Position verdient." Mit harter Arbeit, wie Chilton betont. Bei heißen 35 Grad Celsius kam er erst im letzten Anlauf mit der Bestzeit über die Linie, damit jedoch zum genau richtigen Zeitpunkt. "Endlich habe ich es mal auf den Punkt gebracht", meint er.
Und Chilton gesteht: "Mein Herz schlägt noch immer bis zum Hals. Man schlägt ja schließlich nicht jeden Tag einen mehrfachen Weltmeister. Und wir alle wissen: Yvan wird bald vier WM-Titel haben."
Chilton selbst hat sich auch ein bestimmtes Ziel gesetzt. Seiner ersten Pole-Position in der WTCC soll schon am Sonntag sein erster Laufsieg folgen. Er witzelt: "Ich werde mein Auto entsprechend breit machen."
Muller legt vor, keiner hält mit
Doch zurück zum Geschehen im Qualifying, das in Q1 noch "nach Fahrplan" für Muller begonnen hatte - mit der deutlichen Bestzeit. An Mullers besten Versuch, gemessen in 1:45.941 Minuten, kam nämlich kein anderer Fahrer auch nur ansatzweise heran. Tiago Monteiro (Honda) hatte als Zweiter bereits 0,399 Sekunden Rückstand, Norbert Michelisz (Zengö-Honda) als Dritter 0,405 Sekunden.
Sie alle schafften aber locker den Einzug in die zweite Runde des Zeittrainings, genau wie Marc Basseng (Münnich-SEAT) und Mehdi Bennani (Proteam-BMW), die in allerletzter Sekunde das "Ticket" zum Weiterkommen lösten. Sehr zum Leidwesen von Tom Coronel (ROAL-BMW) und Fredy Barth (Wiechers-BMW), die deshalb noch auf die Positionen 13 und 14 durchgereicht wurden und ausschieden.
Bitter vor allem für Coronel, der sich für Sonoma einiges ausgrechnet hatte. Er spricht von einer "Katastrophe" und erklärt: "Dieses Ergebnis entspricht sicher nicht unseren Erwartungen. Denn mit dem BMW hätten wir hier wirklich etwas erreichen können. Schade, wirklich schade", so Coronel. Auch für Franz Engstler (Engstler-BMW/17.) und Rene Münnich (Münnich-SEAT/23.) war vorzeitig Schluss.
Gleiches galt für James Thompson (Lada). Im Gegensatz zu vielen seiner Konkurrenten blieb der Brite im Qualifying zwar fehlerfrei, kam aber nicht über Position 18 hinaus. Ein Rückschlag für Lada, die zuletzt eine aufstrebende Form bewiesen hatte. Eine eben solche stellte Chilton dann in Q2 unter Beweis, nachdem er am Ende von Q1 bei einem Abflug in Kurve zwei nur knapp nicht gecrasht war.
Wieder legte Muller vor, doch die zehnminütige Session gab einen zweiten Anlauf her. Den nutzte Chilton eiskalt zu seinen Gunsten. Während sich Muller ausgehend von 1:45.708 Minuten nicht mehr steigern konnte, knallte Chilton 1:45.583 Minuten auf die US-amerikanische Bahn und fuhr mit 0,125 Sekunden Vorsprung auf Platz eins. Muller geschlagen, erst zum dritten Mal in dieser Rennsaison!
Positiv überraschte indes auch Tiago Monteiro (Honda) auf Platz drei. Er sprengte damit eine wahre Chevrolet-Phalanx: Vor ihm das RML-Duo, hinter ihm Pepe Oriola (Tuenti-Chevrolet), Alex MacDowall (Bamboo-Chevrolet) als bester Privatier und James Nash (Bamboo-Chevrolet), dann Michelisz, Weltmeister Rob Huff (Münnich-SEAT), Michel Nykjaer (Nika-Chevrolet) und Gabriele Tarquini (Honda).
Letzterer hatte seine schnellen Runden in Q2 glatt verhauen, darf aufgrund der umgedrehten Startaufstellung für Lauf zwei aber trotzdem zufrieden und optimistisch sein: Er startet im zweiten Rennen von der Pole-Position. Und nicht vergessen: Im Optimalfall können Honda und auch Muller schon nach dem Rennsonntag in Sonoma vorzeitig als neue Tourenwagen-Weltmeister feststehen.
Vor allem nach der Entscheidung der Rennleitung...
Strafe für Nykjaer
Ausgerechnet der aktuelle WM-Zweite. Also just der Fahrer, der Yvan Muller (RML-Chevrolet) davon abhalten kann, schon in den USA alles klarzumachen und rechnerisch den WM-Titel unter Dach und Fach zu bringen. Doch die Rennleitung am Sonoma Raceway kannte keine Gnade: Weil die Sitzposition am Auto von Michel Nykjaer (Nika-Chevrolet) nicht den Regeln entspricht, wurden ihm sämtliche Quali-Zeiten gestrichen.Das bedeutet: Nykjaer verliert seinen neunten Startplatz für das erste Rennen und seinen zweiten Startplatz für das zweite Rennen, muss in beiden Läufen vom drittletzten Startplatz aus losfahren. Hinter ihm stehen dann die beiden weiteren "Sitzpositions-Sünder", Hugo Valente (Campos-SEAT) und Fernando Monje (Campos-SEAT), die gemäß der ursprünglichen Qualifying-Reihenfolge noch hinter Nykjaer losfahren werden.
Und warum das Ganze? Weil ein Verstoß gegen Artikel 263.6.2 vorliegt. Dieser Paragraph im Technischen Reglement der WTCC regelt, wie weit der Fahrersitz im Auto nach hinten orientiert sein darf. Bei Monje, Nykjaer und Valente ist jeweils die zulässige Marke dieser Sicherheits-Vorschrift überschritten worden, sodass die Rennleitung keine andere Wahl hatte, also nachträglich einzuschreiten.
Mit Folgen für den WM-Titelkampf: Weil Muller derzeit 136 Punkte vor seinem schärfsten Verfolger Nykjaer liegt, braucht er nun lediglich noch 29 Zähler mehr als Nykjaer, um rechnerisch zum vierten Mal Tourenwagen-Weltmeister zu sein - und Nykjaer hat am Sonntag einen weiten Weg in die Top 10, wohingegen Muller einmal aus Reihe eins und einmal aus Reihe fünf losfährt. Ein Riesenvorteil!
Holt also Muller diese 29 Punkte, ist er durch? Nein, nicht ganz: Es kommt am Sonntag in Sonoma nämlich auch darauf an, wie Gabriele Tarquini (Honda), der aktuelle WM-Dritte, abschneidet. Sichert sich Muller auch 15 Punkte mehr als Tarquini, ist der Fall erledigt. Tarquini wiederum startet von den Positionen zehn und eins, hat also vor allem im zweiten Rennen gute Chancen, reichlich zu punkten...