Rallye: Exklusiv | 26.12.2006
Peter Müller im motorline.cc-Exklusiv-Talk
Er fuhr 1995 die erste WM-Rallye mit Rudi Stohl, wurde im Jahr 2000 mit Manfred Stohl Gruppe N-Weltmeister und kümmert sich nunmehr um den heimischen Copilotennachwuchs - Peter Müller im motorline.cc-Talk.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Photo 4, Franz Kriessl Jun., Peter Eberhard, Manfred Wolf
Es ist bereits ein paar Wochen her, als Peter Müller auf dem Nordring dafür sorgte, den anwesenden Journalisten einen intensiven Einblick in das Leben des Copiloten zu verschaffen. Allein das Verfassen des Schriebs ist tückisch, es gibt hunderte Dinge, die zu beachten sind.
Im Anschluss an diesen Beifahrerschnupperlehrgang sprach Müller mit motorline.cc über das Leben als Rallye-Copilot, lesen Sie Teil 1 des zweiteiligen Gesprächs.
Peter, du hast als Co-Pilot über 50 WM-Läufe absolviert - wie ist es dazu gekommen, wie hat deine Karriere begonnen?
Ich habe mit nationalen Läufen begonnen, im Jahr 1983. Da sind wir in der 1600er-Klasse gefahren, mit einem Ford Escort.
Und dein erster Fahrer war aber kein Grünschnabel, sondern ein bereits etablierter Pilot?
Ja, das war ein alter Hase, wie man sagt - das war der Rudi Brandstätter, der war eigentlich mein Lehrmeister.
Es heißt ja, dass der Co-Pilot den Fahrer führt - in dem Fall jedoch war es wohl umgekehrt.
Er hat mir erklärt, was richtig und was falsch ist, er war ein guter Lehrmeister. Ich habe dann auch immer die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt kennen gelernt - du musst aber auf jeden Fall an dir arbeiten, das ist klar.
Du bist ja zuerst selbst am Steuer gesessen?
Ich musste irgendwann erkennen, dass es ohne Geld einfach nicht geht. Ich wusste: Wenn ich jetzt nicht weiter in das Auto investiere, dann funktioniert das nicht. Doch das Geld war nicht vorhanden, daher bin ich dann nur noch hin und wieder einen Slalom gefahren und habe dann auf Klubebene den Mechaniker gemacht, habe versucht, den Leuten anderwärtig zu helfen. Aber ich wollte vor allem in diesem Sport bleiben.
Doch der Mechanikerjob war dir dann doch zu wenig?
Mir hat das nicht gefallen, dass man nur herumsteht und zwar die Motoren hört, die Autos sieht, man aber nicht drinnen sitzt - und da sagte ich mir: Ich will wieder in einem solchen Auto sitzen.
Als du dann zum ersten Mal auf dem Beifahrersitz Platz genommen hast, hat dich dann die Angst gepackt? Schließlich bist du zuvor selbst gefahren und nicht jeder gute Pilot ist auch ein guter Beifahrer...
Nein, überhaupt nicht - dabei war es meiner Meinung sogar äußerst hilfreich, dass ich zuvor selbst gefahren bin. Und wenn man jung ist, denkt man überhaupt nicht daran, Angst zu haben. Wenn einmal Angst dabei ist, sollte man es bleiben lassen.
Du bist ja im Verlaufe deiner Karriere auch bei sehr jungen, unerfahrenen Piloten auf dem Copilotensitz gesessen - hast du dir da nie gedacht: Wieso habe ich mir das angetan?
Nein, eigentlich nicht. Im Gegenteil - mit Beppo Harrach zum Beispiel, nach dem Unfall, bei dem seine damalige Co-Pilotin Jutta gestorben ist - da haben wir von Grund auf wieder alles aufgebaut, da habe ich eigentlich ihm die Angst nehmen müssen und ihn darin unterstützen, dass er sich wieder dorthin rantasten konnte, wo er jetzt wieder steht. Ich bin damals den Rest der Saison mit ihm fertig gefahren, das war im Jahr 2002.
Dieser Unfall war ein erklärbarer Rallyeunfall und daher brauchte ich da auch keine Angst haben. Wenn ich mit einem Fahrer einen Unfall habe, und wir arbeiten das miteinander auf und wissen, wo der Fehler gelegen ist, mache ich mir da auch keine Gedanken. Auch wenn ich weiß, dass es ein Fahrfehler war - auch dann arbeitet man das auf. Nur wenn der Fahrer dann stur sein sollte und er nicht bereit ist, sich zu ändern, dann sage ich schon Nein - das interessiert mich dann nicht.
Du bist ja schon mit 30 verschiedenen Piloten gefahren - kannst du da sagen, mit wem es dir am besten gefallen hat?
Die meisten Rallyes bin ich mit dem Manfred Stohl gefahren - in der Rallye-WM, in der PWRC, wo wir im Jahr 2000 Weltmeister wurden.
Würdest du diese Zeit als den Zenit deiner Laufbahn bezeichnen?
Es ist in jedem Sport so - wer hat nicht den Traum, ganz an die Spitze zu gelangen und das höchste Ziel zu erreichen? Das war bei mir nicht anders - und auf einmal macht es Zack und du stehst dort. Das ist dann schon ein absolutes Highlight.
In der Rallye-WM kommst du zudem viel herum, lernst die Welt kennen - spielt das auch eine Rolle?
Sowieso.
Co-Piloten müssen ja oft auch organisatorische Arbeiten übernehmen wie beispielsweise die Hotelzimmer buchen und so weiter - musstest du das auch in dieser Zeit mit Manfred Stohl in der WM tun?
Am Anfang, als wir selber mit dem Audi die Weltmeisterschaft gefahren sind, musste ich das schon noch tun. Da hat auch die Mama Stohl noch kräftig mitgeholfen, die ja in Sachen Weltmeisterschaft auch mehr Erfahrung aufweisen konnte, weil ja ihr Mann Rudi so viel gefahren ist. Aber im Werksteam hat sich das dann erübrigt. Obwohl - ein bisschen bleibst du trotzdem dabei, weil man einfach wissen will, was läuft. Man sollte nie etwas ganz aus der Hand geben.
Welche Eigenschaften sollte ein Co-Pilot aufweisen?
Er sollte Teamgeist haben, er sollte sich anpassen können.
Woran?
Eine generelle Anpassung. Und er sollte mit Menschen umgehen können. Es ist ja nicht so, dass man im Auto sitzt und der Feind des Piloten ist - da sollte schon eine gewisse Harmonie vorhanden sein. Und es ist der beste Fall, wenn der Fahrer dann ein guter Freund von dir wird. Dann weiß man auch: Geht es ihm heute gut? Geht es ihm heute schlecht? Wie ist er drauf? Wie hat er geschlafen?
Das sind alles Faktoren, die man, wenn man wirklich an der Spitze mitfährt, in Betracht ziehen muss. Man muss sich nur den Sébastien Loeb anschauen - der fährt schon seit langem mit seinem Beifahrer. Die beiden kennen einander in- und auswendig. Das war auch bei mir und Manfred nicht anders - ich habe ihn einmal kurz angesehen und habe gewusst, was los ist.
Warum seid ihr dann eigentlich auseinander gegangen?
Da war einmal die Super 1600-Geschichte, wo eine leichtere Co-Pilotin von Vorteil war.
Das Körpergewicht spielt eine derart große Rolle?
Man glaubt es gar nicht, aber es ist so. Ich bin dann ja einmal eingesprungen für Ilka in der Super 1600er-Klasse - und man merkt es wirklich. Die 1600er sind eben nicht ganz so stark. Und jetzt sind Manfred und Ilka eben bereits wieder aufeinander eingespielt, die fahren jetzt auch schon wieder lang genug zusammen. Und ich habe dann eben eine andere Aufgabe übernommen, indem ich mich eben um junge Fahrer kümmere. Jung nicht vom Alter, sondern von der Erfahrung her - wo ich eben versuche, die Herrschaften aufzubauen.
Gibt es da einen, wo du sagst, auf den muss man ganz besonders Acht geben? Wo du sagst, dass man in Zukunft von ihm hören wird?
Es sind einige da, die sich aber sicher noch ihre Hörner abstoßen müssen.
Wenn du im Auto sitzt - schaust du da überhaupt noch aus dem Fenster?
Wenn ich Zeit habe, schaue ich aus dem Fenster. Andererseits gibt es Sonderprüfungen, wo ich die Hälfte der Zeit nicht hinaus sehe, sondern einfach nur aus dem Gebetsbuch lese. Mit der Zeit wird auch das zur Routine - wie bei einem Fließbandarbeiter. Obwohl: Ich möchte das jetzt nicht mit Fließbandarbeit vergleichen, weil du ja doch immer wieder neue Situationen erlebst. Aber mit der Zeit spürst du es dann über den Hintern, was auf der Strecke los ist.
Spürst du da auch wenn es brenzlig wird?
Man merkt es an der Reaktion des Piloten. Es gibt schon auch Situationen, wo ich selber spüre, dass es brenzlig wird. Wo ich dann zum Beispiel sage: 'Gas! Gas! Gas!' Und wo der Pilot dann mit einem Tritt aufs Gaspedal den Wagen wieder auf Spur bringt.
Fast wie ein Fahrlehrer...
Mit einem Fahrlehrer würde ich es nicht vergleichen - obwohl, ich bin immer alles: Freund, Psychologe, Mutter.
Mutter? (lacht)
Ja, jetzt stell dir vor, dein Fahrer steigt ohne Jacke aus dem Auto, er ist verschwitzt, es bläst der Wind. Da sage ich ihm dann eben: 'Geh komm, zieh deine Jacke an!' Vielleicht klingt das jetzt blöd, aber es ist irgendwie so, als würdest du auf einen kleinen Hund aufpassen. Oder auf ein Kind. Das mit dem kleinen Hund soll man bitte nicht falsch verstehen.
Ich kann mir vorstellen was du meinst - und kleine beziehungsweise junge Hunde sind ja auch wild. Und diese Betreuung ist ja ein wichtiges Element, der Fahrer braucht das ja auch.
Ich habe es mir eben so angewöhnt im Laufe der Jahre, dass ich einen Fahrer eben so behandle, dass er sich wirklich nur noch auf das Fahren konzentrieren muss.
Würdest du das als gängige Praxis bezeichnen oder machst du mehr als die anderen?
Ich würde meine Betreuung als 'ausgeprägt' bezeichnen. Die Frage ist gut. Ich hoffe, dass die anderen auch in etwa so denken wie ich es tue und dass sie auch entsprechend handeln. Die anderen Copiloten und ich - wir haben zwar Kontakt, aber wir haben nicht über diese Dinge gesprochen, wir haben nicht darüber gesprochen, wie sie ihre Fahrer behandeln.
Die Psychologie wird also noch nicht wirklich thematisiert unter den Copiloten der österreichischen Rallye-Szene?
Eigentlich nicht.
Lesen Sie am Donnerstag, den 28. Dezember, den zweiten Teil des Gesprächs mit Peter Müller - über die Vernachlässigung der Copiloten durch Medien und sogar die Sportbehörde FIA, über Naturtalente, kapitale Fahrfehler und vieles mehr.