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Freddy Kottulinsky 1932 -2010

Unsere Rallyehelden über den „wilden Grafen“

Freddy Kottulinsky konnte Formelautos genauso schnell bewegen wie Rallyeboliden. In Österreich hinterließ er einen bleibenden Eindruck.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: www.thomas-zeltner.com, www.pro-schleizer-dreieck.de, Ruben Zeltner

Am 4. Mai 2010 hat Freddy Kottulinsky den Kampf gegen den Krebs verloren – der am 20. Juli 1932 in München geborene Deutsche, der dem habsburgerisch-oberschlesischen Adelsgeschlecht angehörte und mit vollem Namen Winfried Philippe Adalbert Karl Graf Kottulinsky Freiherr von Kottulin hieß, hat als Motorsportler in den verschiedensten Kategorien Geschichte geschrieben. Zu Österreich hatte er einen besonderen Bezug…

Zunächst begann die Geschichte des Freddy Kottulinksy im hohen Norden, in Schweden. Dort eröffnete er eine Autowerkstatt und begann Formelrennen zu fahren. 1966 wurde er schwedischer Formel 3-Champion, vier Jahre später gewann er gemeinsam mit Ronnie Peterson und Torsten Palm für Schweden den Nationencup der Formel 3. Auch in der Formel Super V war er erfolgreich. Im deutschen Formelrennsport war er derart erfolgreich, sodass ihm VW den Rallyesport schmackhaft machte – so begann ein Kapitel an Motorsportgeschichte, das den Charakterkopf nach Österreich brachte, wo er im heimischen Rallyesport mitmischte und bei den Protagonisten einen bleibenden Eindruck hinterließ.

Ehrenmann

Der frühere ORF-Reporter Peter Klein erinnert sich: „Ich habe Freddy einmal in einem Interview gefragt, warum er viel mehr Rallyes in Österreich fährt als in Deutschland. Er hat geantwortet, dass er die österreichische Rallyeszene mag, weil sie so offen ist. Freddy Kottulinsky war ein richtiger Herr, allerdings ein sehr schneller Herr.“

Davon konnte sich auch der dreifache ÖM-Staatsmeister Georg Fischer überzeugen. Er sagt über Kottulinsky: „Er war mit Sicherheit ein Querkopf und Sturschädel, der das, was er wollte, auch durchgesetzt hat. Mit seiner Kraft und seinem Willen, nicht mit Geld.“ Was alle Zeitzeugen übereinstimmend sagen: Kottulinsky sei zwar dominant und mitunter aufbrausend und sogar cholerisch gewesen, doch habe er stets mit offenen Karten gespielt, ein so genannter „gerader Michl“ sei er gewesen. Ein Ehrenmann. „Was in diesem Sport ja nicht allzu oft vorkommt“, wie Fischer hinzufügt.

„Ehrgeizig halt – wie alle“

Franz Wittmann senior nickt: „Freddy war ein ganz toller Bursche, und immer korrekt – und er ist immer schnell Auto gefahren.“ Der zwölffache Staatsmeister erzählt: „1980 sind wir gemeinsam im Audi-Team gefahren. In Finnland hatten wir eine Stallorder. Der Demuth [Harald, ebenfalls Audi-Werkspilot, d. Red.] hat sich bereits rausgeworfen – dann hat es am zweiten Tag geheißen: ‚Wir schauen, dass wir die zwei Audis ins Ziel bringen!’ Okay, ich habe mich daran gehalten – doch auf einmal fährt der Kottulinksy wieder um 20 Sekunden schneller. Habe ich den Teamchef gefragt, was da los ist. Der antwortete: ‚Ach, das macht er immer so.’ Da habe ich gesagt: ‚Da muss ich auch wieder schneller fahren!’ Aber am Ende war alles okay – er war ein guter Teamkamerad. Sehr korrekt.“ Ob Freddy Kottulinsky so etwas wie ein schräger Vogel gewesen ist? Wittmann schüttelt den Kopf: „Nein., nein. Ehrgeizig halt - wie alle.“

Seinen Willen wollte Freddy Kottulinsky durchgesetzt wissen, das sieht auch Ruben Zeltner so. Der Bruder des derzeitigen Co-Piloten von Raimund Baumschlager, Thomas Zeltner, der ebenfalls Rallyesport betreibt, erinnert sich: „Er hatte immer seinen eigenen Kopf, der Freddy war sehr bestimmend – was er sagte, war einfach so und fertig. Aber er war ehrlich und hat immer geradeaus gesagt, was er wollte. Er war von der ganz alten Schule. Ein richtiges Vollgastier, ich habe mit ihm einiges erlebt, es gab Höhen und Tiefen. Wir haben uns sehr gut verstanden, aber wir hatten doch ein hierarchisches Verhältnis – er war der Chef, ich der Untergebene. Zudem gab es einen großen Altersunterschied. Ich war ja damals noch ein junger Bursche und war froh, mit so einem im großen Quattro mitfahren zu dürfen. Er war ja doch schon um einiges älter, er war damals schon über 50 und ich hätte sein Sohn sein können. Für ihn waren Beifahrer am Anfang nicht so wichtig, die musste man eben dabei haben. Weil er nie so richtig gelernt hat, mit Schrieb zu fahren, das war auch am Anfang seine Schwäche.“

Cholerisch – doch im Auto ruhig, meistens zumindest…

Als seine Stärke nennen viele seine runde Fahrweise, die er auf der Rundstrecke erlernt hat. Thomas Zeltner, der ebenfalls bei Kottulinsky auf dem „heißen Sitz“ Platz genommen hat, erzählt: „Der Freddy war ein begnadeter Techniker – manchmal war er ein bisschen cholerisch. Das Lustige bei ihm war die Diskrepanz zwischen seinem ruhigen Autofahren und seinem cholerischem Wesen. Manchmal ist er wirklich im Stehen explodiert, aber wenn er im Auto saß, ist er immer eine irrsinnig ruhige saubere Linie gefahren, ein typischer Rundstreckenfahrer. Während hingegen sein Sohn, der Ted, das krasse Gegenteil davon ist. Der war am Start derart phlegmatisch, dass man dachte, er schläft gleich ein – im Auto ist er dann immer irrsinnig quer daher gekommen.“

Doch im Falle von Ruben Zeltner trifft das nicht zu: „In dem Jahr, 1983, als ich mit ihm gefahren bin, war es anders. Da war der Franz Wittmann derjenige, der immer sauber und rund gefahren ist – und der Freddy war derjenige, der schon richtig Linksbremsen konnte und der den Quattro richtig quer bewegt hat. Sie haben damals ‚der wilde Graf’ zu ihm gesagt. Es war ein extremer Fahrer, für ihn gab es immer 110 Prozent, es gab einige sehr heftige Abflüge. Entweder war er richtig schnell oder er hat sich auch richtig schnell rausgelegt.“

Georg Fischer nickt: „1983 war diese ominöse Jänner-Rallye, wo er geführt und sich dann irgendein Federbein ausgerissen hat. Und 1984 haben wir ihn so lange gejagt, bis er sich breitseits an einen Baum gedrückt hat.“

Aschenbecher im Quattro

Ruben Zeltner erinnert sich an eine besondere Gepflogenheit des „wilden Grafen“: „Was immer zu ihm dazugehört hat, war seine Salem-Zigarette ohne Filter. Wir hatten den einzigen Gruppe B-Quattro, der links vorne einen Aschenbecher drin hatte. Während der Sonderprüfung hat er nicht geraucht – aber bei ihm hat das dazugehört, wenn er im Ziel war, hat er sich eine angesteckt.“

Wieso kam Kottulinsky überhaupt nach Österreich? Ruben Zeltner erklärt: „Er hat damals in Tirol gewohnt, er hatte in Kösten eine Frau. Er war mit dem Wilfried Wiedner sehr eng befreundet – über ihn hat es sich auch ergeben, dass er in der ÖM gefahren ist. Da hat der Freddy das schwedische Meisterauto von Stiq Blomqvist gekauft, der wurde damit 1982 schwedischer Meister. Freddy war auch maßgeblich an dieser ganzen Quattro Entwicklung beteiligt.“ Thomas Zeltner bestätigt: „Zu uns in Österreich ist er mit diesem Gruppe B-Quattro gekommen und er war eigentlich auf Anhieb schnell. Er war eine echte Bereicherung für die österreichische Rallyeszene, er war ja damals schon älter.“

“Wenn ich die Kurve später sehe, bremse ich auch später“

Thomas Zeltner erzählt eine Anekdote, die ein gutes Bild von Freddy Kottulinsky vermittelt: „Eine der letzten Rallyes, die ich mit ihm gefahren bin: Er wollte mit einem Gruppe B-Quattro die Drei Städte-Rallye in Deutschland fahren. Da bekam er aber vom Werk kein Auto, hat sich aber von Erich Wallner den PDA-Escort ausgeliehen und wir sitzen nach dem Training im Gasthaus beim Abendessen und auf einmal fischt sich der Freddy eine Zeitung her und setzt plötzlich eine Brille auf und liest Zeitung. Ich schaue ihn ganz entgeistert an: ‚Freddy, brauchst du eine Brille?’ Er sagt: ‚Freilich.’ Ich: „Seit wann?’ Er: ‚Ja immer schon.’ Ich: ‚Aber beim Rallyefahren setzt du die ja nicht auf.’ Antwortet er: ‚Naja, wenn ich die Kurve später sehe, bremse ich auch später.’ Da bin ich natürlich ein bisschen verfallen. Und dann haben wir leider bei dem Auto die Hinterachse ausgebaut bei einem Unfall, das war legendär – da lag im Wald auf der einen Seite die Achse, das Auto lag auf der anderen Seite. Das war das unrühmliche Ende eines wunderschönen Ford Escort, den er angemietet hatte – und eigentlich nur aus lauter Zorn heraus, weil er den Gruppe B-Quattro nicht bekommen hat.“

Thomas Zeltner war ein guter Freund der Familie, er erzählt: „Danach hat er mit seinem Sohn Ted Car-Sharing betrieben, sie haben einen Audi 80 aufgebaut, auch in gelb und sind immer abwechselnd gefahren – und ich saß halt immer bei beiden auf dem Nebensitz. Ich konnte einmal auch seine ganze Familie zusammenbringen – seine Kinder waren ja auch sehr gute Rallyefahrer, da sind wir dann einmal alle drei – Vater, Sohn Ted und Tochter Susanne - bei einer Pyrn-Eisenwurzen-Rallye gefahren. Sie sind ja in Schweden immer auf Schotter gefahren, nur der Freddy hatte ja seine Rundstreckenerfahrungen auf Asphalt – und es hat ihm immer sehr getaugt, wenn er seine Kinder dann auf Asphalt schlagen konnte.“

Der Dakar-Sieg

Weltbekannt wurde Freddy Kottulinksy mit seinem Sieg bei der Wüstenrallye Paris – Dakar, im Jahr 1980 auf einem VW Iltis. Dieser Sieg war genau genommen eine „Panne“ oder zumindest alles andere als vorgesehen. Thomas Zeltner erzählt: „VW hatte damals die Chance, an die französische Armee Modelle des VW Iltis zu verkaufen. Die haben gesagt: ‚Ihr müsst uns beweisen, was dieses Auto alles kann, nehmt an Paris – Dakar teil.’ Da wurden dann Spezialisten mit Streckenkenntnis eingesetzt. Dann hat man aber noch ein drittes Auto gebraucht, als Werkstättenauto mit einem Mechaniker an Bord. Der Freddy fuhr damals mit dem Golf Rallyes, dann hat ihn VW für dieses dritte Auto engagiert. Er hatte keine Ahnung – er ist damals zu Weihnachten mit ganz normalem Gepäck nach Paris geflogen. Da war ein Prolog in einer Schottergrube, er hat sich rein gesetzt und lag gleich einmal in Führung. Dann saß er in der Fähre und hat gefragt: „’Wo ist das Hotel?’ Die haben gelacht: ‚Welches Hotel?’ Der war so ahnungslos in Sachen Wüstenrallyes, der hatte nicht einmal ein Geschirr dabei. Er war aber dann plötzlich der schnellste von diesen drei Iltis – die waren irrsinnig sauer und haben gemeint: ‚Der muss doch hinter uns nachfahren!’ Aber letztendlich hat er sich nicht zurückpfeifen lassen.“

„Da gab es eine Kante, da hat man ihn gewarnt, dass es lange geradeaus geht und dann bricht eine Düne senkrecht vier Meter ab und dass er dort aufpassen soll, dass er dort ja nicht voll drüber jumpen soll – sein Beifahrer hat aber den Kompass verloren und sich nicht getraut, das zu sagen. So waren beide ahnungslos, wo sie sich befanden. Bei dieser Kante haben sich dann die Kameras formiert und dann kam der Freddy und er ist volle Kanne über diese Kante gesprungen und so auf der Schnauze gelandet, dass man geglaubt hat, er überschlägt sich mehrmals nach vorne über. Er ist dann aber auf den Rädern gelandet, hatte aber einen massiven Aufprall, hatte auch eine leichte Gehirnerschütterung, ist aber trotzdem weitergefahren und am Schluss hat er gewonnen. Gegen alle Planungen, das war eigentlich nie vorgesehen.“

Zeltner lacht: „Man wollte ihn nachher noch für Paris – Dakar engagieren, auch andere Werke haben angefragt, doch er sagte: ‚Nie wieder!’

Die Wahrheit ins Gesicht

Für Audi hat Kottulinsky bis in seine späten Jahre als Fahrinstruktor gearbeitet – auch hier war er konsequent und bedingungslos: „Die Audi-Fahrsicherheitstechnik hat der Freddy als einer der ersten mit aufgebaut. Der Wilfried Wiedner und der Sepp Haider sind dann dazu gestoßen, auch seine Tochter Susanne. Doch sie hat ein Kind bekommen und ist deshalb wieder zurück nach Schweden, auch sein Sohn Ted kam nur zum Rallyefahren runter nach Österreich. Dem Freddy waren auch die Meinungen anderer nicht wichtig, er war er. Und zwar ganz gerade er. Als Fahrinstruktor hat er, wenn einer nicht Auto fahren konnte, das dem ganz direkt ins Gesicht gesagt, das würde ein Fahrinstruktor heute niemals machen.“

Schleizer Dreieck

Aus einer Leidenschaft heraus hat sich Freddy Kottulinsky für den Erhalt der Naturrennstrecke Schleizer Dreieck eingesetzt. Ruben Zeltner erzählt: „Im Schleizer Dreieck ist er zu Formel 3-Zeiten gefahren, da hat er ein Mädchen kennen gelernt, es hat sich eine kurze Romanze entwickelt. Die hat er später bei einem Veteranentreffen in Schleiz wieder getroffen, es hat sich wieder eine große Romanze entwickelt und die beiden haben geheiratet, sodass er nach Schleiz gezogen ist und sich sehr für die Erhaltung dieser Naturrennstrecke eingesetzt hat.“

Gekämpft wie ein Löwe

Rubens Zeltner fügt hinzu: „Diese Frau, eine hübsche und tolle Frau, ist dann leider gestorben – das war dann der Punkt, als man gemerkt hat, dass er plötzlich richtig gealtert ist. Davor hat der Freddy für nie alt ausgesehen, obwohl er immer viele Falten hatte. Er hat dann klassisch den Lebensabend bei seiner Tochter Susanne und seinen Enkeln verbracht.“

Thomas Zeltner wusste als Freund der Familie über die schwere Krankheit des Freddy Kottulinsky Bescheid: „Über ein Jahr lang war er schon schwer krank – er hat sich immer wieder gefangen, war noch ein paar Mal in Schleiz, wo er am Schluss zuhause war. Man hat befürchtet, dass es schon zu Weihnachten so weit sein wird, aber er hat dann noch einmal gekämpft wie ein Löwe.“

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