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Rallye: News

„Da denkst du nur noch an die Familie“

Patrick Winter spricht über seine kalte Nacht in den Bergen, nachdem er in Not geriet. Dazu Gedanken über den Rallyesport und die weitere Karriere.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Patrick Winter privat

In den Bergen scheint Patrick Winter jene Energie zu tanken, welche er im Rallyeauto bislang meist in Erfolge verwandeln konnte. Am letzten Freitag jedoch geriet Winter in Bergnot, als er einen Hang hinab rutschte und sich eine Schulterluxation zuzog. Winter wurde von Hubschraubern gesucht, jedoch erst am nächsten Vormittag gefunden. Im motorline.cc-Interview spricht er über die lange, kalte Nacht und macht sich Gedanken rund um den Rallyesport. Die Fotos stammen von der betreffenden Bergtour.

Patrick, wann ist dir zum ersten Mal klar geworden, dass du von dort nicht mehr weg kommst?

Als ich runter gerutscht und auf diesem Vorsprung zum Liegen kam, wusste ich bereits: Entweder komme ich wieder rauf und kann rauf klettern – oder ich bin verloren. Denn weiter runter wäre es nicht mehr gegangen, da wäre ich abgestürzt. Und als ich mir beim Raufklettern gleich die Schulter ausgekegelt habe und ich wieder auf den Vorsprung gerutscht bin, habe ich gedacht: Das war es jetzt - entweder finden sie mich oder ich bleibe für immer hier.

Da war es noch hell?

Ja, das war am Freitag um 16 Uhr.

Und da hast du registriert, dass du dein Handy nicht dabei hast?

Nein, das wusste ich schon nach einer halben Stunde – ich wollte dann aber auch nicht umkehren. Die Telefonnummer des Freundes, der mich zum Ausgangspunkt brachte wusste ich auch nicht auswendig – so habe ich die Tour eben verkürzt von 50 auf rund 25 Kilometer. Aber dann eben habe ich mich total verirrt und einfach den Weg nicht mehr gefunden.

Wie sieht es dort aus, im Toten Gebirge?

Du gehst dort einen normalen Wanderweg rauf und dann kommt das Tote Gebirge – das muss man sich vorstellen wie eine große Landschaft, wo es immer 200 Meter rauf und wieder runter geht. Du siehst dort oben irrsinnig weit. Und es heißt auch Totes Gebirge, weil dort oben einfach nichts los ist, weil dort kein Mensch wohnt.

Dann wurde es langsam dunkel – und zunächst konntest du ja nicht darauf hoffen, dass man dich sucht, weil man ja wusste, dass du länger unterwegs sein wirst, oder?

Ja. Um 19 Uhr habe ich mir gedacht: Vielleicht spürt es ja die Marlene [Lebenspartnerin von Patrick, Mutter des gemeinsamen Sohnes Noel, d. Red.], dass es mir nicht gut geht und vielleicht haben sie ja schon Alarm geschlagen. Dann habe ich um zirka 19 Uhr einen Hubschrauber gehört und gedacht, dass sie mich schon suchen. Doch dann kehrte wieder Ruhe ein…

Um zirka 22 Uhr habe ich wieder einen Hubschrauber gehört - da war mir klar, dass sie mich jetzt suchen. Dann habe ich den Fotoapparat genommen, dass ich dagegen blitzen kann, damit man mich sieht. Nur sind sie die ganze Nacht weiter oben herumgeflogen und kein einziges Mal an jener Stelle, wo ich abgestürzt bin.

Du warst die ganze Nacht über wach?

Nicht ganz. Zwei oder drei Mal bin ich eingenickt, aber immer nur für maximal 20 Minuten, dann wurde ich wieder munter.

Hat man da nicht die Angst, dass man nicht mehr aufwacht? Dass man erfriert?

Ja sicher. Denn der Freund, der mich zum Ausgangspunkt brachte, sagte noch: ‚Wenn du da oben eine Nacht im Freien verbringen musst, dann hast du sowieso keine Chance. Da erfrierst du!’

Das hatte ich die ganze Zeit vor Augen – und da war ich eigentlich darauf eingestellt, dass es ein richtiger Kampf ums Überleben wird. Im Endeffekt war es dann, das hört sich vielleicht blöd an, aber es war nicht so schlimm.

Auf einmal war es wieder hell und eigentlich war es halb so wild. Weil ich vom Kopf her auf richtig kalt eingestellt war – und ich habe es dann aber nicht als so schlimm empfunden.

Natürlich ist es schlimm, wenn du bei einer solchen Kälte eine Nacht im Freien verbringen musst, das möchte ich auch keinem empfehlen, aber ich war vom Kopf her auf noch Schlimmeres eingestellt.

Wie viel Grad hatte es dort?

Keine Ahnung. Ich hatte zwar auf der Uhr eine Temperaturanzeige – aber die Hand beziehungsweise die Schulter hat derart wehgetan, dass ich nicht einmal die Jacke über die Uhr ziehen und auf die Uhr schauen konnte. Darum ist auch die Zeit so schnell vergangen – weil ich nie auf die Uhr schauen konnte.

Was geht da in einem vor? Worüber denkt man in solchen Stunden nach?

Das einzige, woran ich in diesen 19 Stunden gedachte habe, war, dass ich wieder heimkomme zu meiner Familie.

Der Rallyesport war dann nicht mehr wichtig?

Nein, da denkst du nicht einmal mehr darüber nach, was du besser oder anders machen hättest können. Nicht einmal kommt dir der Gedanke an den Rallyesport – da denkst du nur noch daran, dass du heimkommst zur Familie.

Hat dieses Erlebnis etwas verändert an deiner Herangehensweise in deiner Motorsportkarriere?

Bislang noch nicht. Da am Sonntag ohnehin alle Medien bei mir angerufen haben und heute ohnehin ein Feiertag ist, habe ich gestern eine Ruhepause eingelegt. Am Mittwoch werden wir weiter sehen – ich glaube nicht, dass sich da noch viel ändern wird.

Es ist vielleicht nicht mehr so mit Zwang verbunden, dass ich jetzt unbedingt fahren muss – weil mir einfach klar ist, dass es wichtigere Dinge gibt, als die österreichische Rallye-Staatsmeisterschaft zu fahren.

Aber der Wunsch, Staatsmeister zu werden oder internationale Rallyes zu fahren, ist natürlich weiterhin vorhanden. Darauf arbeite ich weiter hin, das ist ganz klar.

Im Waldviertel werden wir dich aber nicht fahren sehen?

Fahren kann ich dort sicher nicht. Das wäre auch kein Thema mehr gewesen. Aber ich weiß noch nicht, ob ich rauf fahren und zuschauen werde – selber fahren darf ich nicht und ob ich mir das antue, mit der kaputten Schulter zwei Stunden im Auto zu sitzen, weiß ich noch nicht. Es tut hier schon weh, wenn ich nur einkaufen fahre.

Um in der Rallye-ÖM wirklich Staatsmeister werden zu können, braucht man ein S2000-Auto – das wurde heuer sehr deutlich. Dafür braucht man jedoch Unsummen – erscheint dir das aus heutiger Sicht vielleicht sinnloser?

Sinnloser nicht – aber wie soll ich sagen? Traurig ist vielleicht auch der falsche Ausdruck. Aber wenn man sich international umschaut – da sind die S2000 wirklich um 1,4 bis 1,8 Sekunden schneller als die Mitsubishi.

In Österreich schaut der Unterschied geringer aus – darum bin ich überzeugt davon, dass der Raimund Baumschlager noch sehr Potenzial nach oben hat und er vermutlich noch schneller fahren könnte.

Im Mitsubishi wird das nicht mehr wirklich möglich sein – und das Bisschen, das er schneller ist, diese eine Sekunde oder vielleicht sind es auch mehr – aber dieses Bisschen ist eben so teuer erkauft und das macht mich ein bisschen stutzig.

Denn wie du sagst: Dafür, dass man in Österreich Staatsmeister werden will, soll man auf einmal 200.000 Euro mehr in die Hand nehmen? Da wollten sie eigentlich den Rallyesport kostengünstiger gestalten und im Endeffekt ist man fast bei den gleichen Preisen, wie es vor zehn Jahren mit den World Rally Cars war.

Wenn es jetzt aus irgendeinem Grund nicht klappen sollte mit einem Geldgeber und es würde einfach nicht genug Geld am Tisch liegen – kann man sich den Patrick Winter dann auch in einem, ich sage einmal Volvo vorstellen, der einfach aus Spaß an der Sache Rallye fährt?

Das kommt darauf an. Da kommt es immer auf das Paket an – wenn da wirklich eine vernünftige Firma oder ein Sponsor dahinter steht, der das unbedingt will, dann wäre ich sicher gesprächsbereit, dass ich mich auf so etwas einlasse.

Aber jetzt eben selber wieder von Firma zu Firma laufen und ein Budget auf die Füße zu stellen, das würde ich nicht machen. Da würde ich dann lieber versuchen, ein größeres Projekt auf die Beine zu stellen.

Der Andy Soucek im Formelsport – der Austrospanier hat sein Leben lang Geld und Sponsoren aufgestellt, damit er fahren kann. Heuer zahlte er viel Geld dafür, um in der Formel 1 bei Virgin auf der Ersatzbank sitzen zu dürfen, den ersehnten Freitagseinsatz erhielt er nicht. Dann hat es ihm quasi gereicht und er sagte sinngemäß, er wolle jetzt endlich einmal für seine Fähigkeiten bezahlt werden und würde daher auch andere Rennserien in Betracht ziehen…

Als Fahrer etwas verdienen im Rallyesport – das ist von jedem hier in Österreich der große Traum! Aber ich bin realistisch genug, dass ich sagen kann, dass es nicht so sein wird, dass wir im Rallyesport das große Geld machen können.

Ich wäre schon mal froh, wenn ich eine Saison fahren könnte, wo ich genügend Sponsoren an Bord habe, damit ich einmal ohne Kopfweh die Saison durchfahren kann. Oder dass auch einmal ein Schaden vielleicht mit einkalkuliert werden kann. Und dass man nicht aus eigener Tasche mit dem letzten Cent noch eine Rallye finanzieren muss. Wenn einmal ein Projekt stehen würde von Saisonbeginn an, dann wäre ich schon einmal überaus glücklich.

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