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Rallye: Exklusivinterview

„Der Umstieg war viel schwieriger, als ich es erwartet habe“

Wie Patrick Winter ist auch Hermann Gassner junor heuer auf einen Super 2000-Boliden umgestiegen. Wie er diesen Wechsel erlebt hat, erzählte er motorline.cc.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Johann Vogl, www.motorsportphoto-hanse.at

Red Bull Skoda-Pilot Hermann Gassner junior hat in Jordanien seine erste Rallye in einem Super 2000-Boliden bestritten, auf Sardinien war es seine zweite Rallye im Skoda Fabia S2000 – gleich am ersten Tag der Jordanien-Rallye konnte der junge Bayer eine SWRC-Bestzeit markieren, er beendete seine erste SWRC-Rallye auf Platz drei.

In Österreich ist Patrick Winter in etwa zur gleichen Zeit ebenfalls auf einen S2000 umgestiegen – ein Wechsel, der von den Piloten einiges an Umstellungsarbeit abverlangt. Sie müssen ihren Fahrstil quasi neu ausrichten.

Im Rahmen der Eröffnung des Red Bull Rings hat motorline.cc bei Hermann Gassner junior nachgefragt, wie er die Umstellung auf den S2000 erlebt hat.

In dem Interview hat Gassner explizit darauf verwiesen, wie wichtig für ihn zwei ausgiebige Tests waren, die er vor dem SWRC-Debüt absolvieren konnte. Etwas, das Patrick Winter nicht möglich war…

Hermann, wie ist es dir bei der Umstellung auf den S2000 ergangen?

Bei mir war es von Anfang an klar, durch die Erzählungen von meinem Teamchef Raimund Baumschlager, dass ein S2000-Auto etwas ganz anderes ist. Und nach den ersten Tests war mir dann auch klar, dass es sehr viel schwieriger ist, als ich es erwartet habe.

Allerdings dann, wenn man einmal drinnen ist, dann ist es ein sehr angenehmes Fahren – weil man die ganze Zeit über sehr aggressiv fahren muss. Im Gegensatz zum Mitsubishi, wo man doch immer wieder auch auf der ruhigen Seite unterwegs ist.

Die Umstellung war schwierig, aber jetzt, nach zwei Rallyes, funktioniert das glaube ich schon ganz gut.

Du musst im S2000 also die ganze Zeit über voll aggressiv fahren – wie kann man sich das als Rallyefan vorstellen? Was bedeutet das im Detail?

Vor allem von der Schaltung her musst du sehr spät schalten. Du musst immer auf Drehmoment fahren. Du musst sehr präzise auf der Bremse sein und natürlich auch sehr spät bremsen.

Allerdings musst du sehr ruhig an der Lenkung arbeiten, denn die Lenkung ist deutlich direkter. Das ist dann so ein Spagat zwischen Aggression und Ruhe.

Ich sage es einmal so: In den schnellen Passagen fährt man eher auf der ruhigeren Seite und im langsamen Streckenteil fährt man eher aggressiv.

Muss man runder fahren als mit dem Evo IX?

Mit dem Evo muss man schon rund fahren, mit dem S2000 muss man darauf noch mehr achten – mit der Handbremse wenden zum Beispiel, das kostet viel Zeit. Da ist es besser, wenn man eine runde Linie fährt.

Die Rallyeautos der Gegenwart wollen also mehr in einem ‚Rundstreckenstil’ gefahren werden – rund und wie auf Schienen…

Diese Entwicklung haben wir schon seit einiger Zeit – das sehen wir auch bei den alten und den neuen World Rally Cars. Die neuen WRCS haben deutlich mehr Traktion bei weniger Leistung. Da muss man natürlich mehr auf Linie fahren.

An ein Rundstreckenauto kommt es aber trotzdem bei weitem noch nicht heran – weil es ja doch ein paar Splitstellen und ein paar Wellen auf den Sonderprüfungen gibt. Ich denke, man muss im Rallyesport trotz dieser Entwicklung noch ein bisschen mehr quer fahren als auf der Rundstrecke.

Wann ist dein nächster Einsatz in der SWRC?

Mitte Juni in Griechenland, bei der Akropolis-Rallye.

Was nimmst du dir dort vor?

Aus Erzählungen habe ich gehört, dass es so ziemlich die härteste Rallye im WM-Kalender ist – also werden wir ähnlich wie in Jordanien oder auf Sardinien auf Kilometer fahren.

Wir werden versuchen, das Auto nicht unnötig zusätzlich zu belasten, damit wir wieder schön um die Runden kommen und dann hoffe ich natürlich wieder auf eine deutliche Steigerung, wie man es auch auf Sardinien gesehen hat.

Das heißt: Du bestreitest heuer quasi ein Lehrjahr auf dem S2000, um mit diesem Auto auf den unterschiedlichen Belägen Erfahrungen zu sammeln und dich stets zu steigern?

Ja, genau, so war das Jahr von Anfang an geplant. Und es lief bislang sehr gut – wir sind die beiden Rallyes durchgefahren, zwar mit kleineren und manchmal größeren Problemen, aber das ist klar, dass so etwas dazu gehört. Aber wir sind so weit zufrieden – wir liegen auf dem fünften Platz in der SWRC-Meisterschaft, das ist schon in Ordnung.

Patrick Winter hat in der österreichischen Meisterschaft in etwa zur gleichen Zeit wie du diesen Umsteig auf das S2000-Auto begonnen. Hast du seine Rallyes mit verfolgt?

Ja, nur ist es für mich schwierig, etwas dazu zu sagen - denn ich weiß nicht, wie oft er vorher im Auto gesessen ist. Für mich war es sehr wichtig, dass ich vor der ersten Rallye zwei ausgiebige Tests hatte – die waren extrem wichtig!

Dazu die Tipps von Raimund Baumschlager, der mir immer gesagt hat: ‚So nicht! So eher! So passt es!’ Ich weiß nicht, ob der Patrick da jemanden an der Seite hat, der schon über eine Erfahrung mit einem S2000 verfügt – denn die Umstellung ist schon ein bisschen schwierig. Aber Patrick steigert sich ständig, das wird schon.

Zurück zu dir: Was ist eigentlich dein Endziel? Was strebst du an?

Endziel muss immer Werksfahrer und Weltmeister sein. Aber bis dort hin sind noch viele Schritte zu machen, ist noch vieles zu lernen. Aber schauen wir mal. Dass VW jetzt einsteigt, sehe ich sehr positiv, das ist ein sehr gutes Signal. Aber man muss trotzdem darauf hin arbeiten – denn die wollen auch nur die Besten.

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