
Rallye/Motorsport: Kommentar | 18.05.2014
Wieder einmal Unangenehmes vom „Platz der Eintracht“
Warum die FIA immer noch wie das BORG-Kollektiv arbeitet: Länderübergreifende Cups wie der Mitropa Cup sind in Gefahr. Die WRC medial im Out, aber dafür streng…
Michael Noir Trawniczek
Fotos: FIA, mitropa-rally-cup.de, Marcin Wichary
Place de la Concorde. Auf Deutsch „Platz der Eintracht“. Wie wenig die Motorsport- und auch die automobile Welt von der allgemeinen Bevölkerung eigentlich wahrgenommen wird, zeigt der deutsche Wikipedia-Eintrag zu „Place de la Concorde“: Dort steht unter anderem, dass an dieser noblen Adresse auch der „Automobilclub von Frankreich“ ansässig sein würde. Wenn es denn nur so wäre! Doch leider, Sie wissen es sicher alle ganz genau: Selbstverständlich handelt es sich um die FIA, die Federation Internationale de‘l Automobile. Und diese ist weltweit nicht nur für den automobilen Straßenverkehr, sondern seit der Eingliederung der FISA im Jahr 1993 auch wieder für den weltweiten Motorsport verantwortlich.
Platz der Eintracht. Platz der Harmonie also, Platz des friedlichen Zusammenlebens, sagt Freund Duden. Synonyme zu „Eintracht“ sind Brüderlichkeit, Einigkeit, Einstimmigkeit, Einverständnis und auch Solidarität. Welch wunderbare Adresse also für einen Klub, der weltweit die Automobillenker und die Automobilsportler vertritt…
Dass dies einfach nur zynisch klingt, liegt nicht am Autor – sondern am Leser und in Wahrheit an der FIA selbst, denn ihr Image ist längst ins Gegenteil gekippt. In aller Regelmäßigkeit kommen vom „Platz der Eintracht“ neue und wieder neue Regelungen, die jene, die darunter leben sollen, ganz und gar nicht verstehen können. Und die dann auch den nationalen ASNs (in Österreich die OSK) das Leben erschweren, weil sie die von Paris kommenden Maßnahmen meist mittragen müssen…
Jüngstes Beispiel ist jene Regelung, wonach meisterschaftsähnliche Bewerbe nicht länderübergreifend stattfinden dürfen. Ein meisterschaftsähnlicher Bewerb darf maximal ein Rennen im Ausland abhalten. Es sei denn, man zahlt extrem hohe Gebühren an die FIA, dann verleibt sich diese quasi die Serie ein, denn hinter der Maßnahme steckt die Absicht: Nur wir halten internationale Rennserien ab, sonst keiner!
Ein Preis für den „Mitropa Cup“? Ja, nur anders als man denkt…
Betroffen ist davon, neben der Austrian Rallye Challenge, auch eine weitere echte Kult-Rennserie, der Mitropa Cup. Das Wort „Mitropa“ steht für „Mitteleuropäisch“ und eigentlich sollte diesem Cup am „Platz der Eintracht“ ein Preis verliehen werden, für seine länderübergreifende, völkerverbindende Art und Weise.In seiner Eigendefinition beschreibt sich der Mitropa Cup folgendermaßen: „Im Vordergrund hierbei steht sicher Rally Sport auf hohem Standard zu erleben und Kontakte zu Gleichgesinnten aus vielen verschiedenen Nationen zu pflegen, Erfahrungen auszutauschen darüber hinaus haben sich jahrelange, nationenübergreifende Freundschaften entwickelt.“
Und: „Zum 50. Jubiläum ist der Mitropa-Rally-Cup nicht nur bestrebt die Fahrer in den Modernen und Historischen Serien zu unterstützen, sondern auch die Newcomer (unter 25 Jahren) mit Pokalen und Preisgeldern zu fördern und den Einstieg in den Rally-Sport zu erleichtern.“
Und was erhält der Mitropa Cup zu seinem 50er von den Herren am „Platz der Eintracht“? Ja, einen Preis – nämlich rund 20.000 Euro. Diese müssten die Cup-Veranstalter bezahlen, damit sie den Cup weiterhin länderübergreifend betreiben können. Für einen Idealisten-Klub eine nicht aufbringbare Summe. Somit droht diesem Cup also das Ende! Weil Eigeninitiative einfach nicht sein darf – und wenn, dann muss sie teuer erkauft werden…
„Sie werden assimiliert – Widerstand ist zwecklos“
In Wahrheit verhält sich die FIA wie ein ganz ähnliches Kollektiv: Star Trek-Fans kennen ganz sicher die BORG, ein Kollektiv aus ferngesteuerten Dronen, welches den unterschiedlichen Lebensformen damit begegnet, dass es sie „assimiliert“, sie also dem Ganzen hinzufügt. Das Einzelne, das Individuelle verliert seine Bedeutung, darf sich aber geehrt fühlen, dem Kollektiv hinzugefügt zu werden. Dass Leute wie ein Jean Todt oder auch ein Gerhard Berger, zu ihren aktiven Zeiten eigentlich als dem Sport zugewandte, angesehene Figuren bekannt, plötzlich, wenn sie am „Platz der Eintracht“ angelangt sind, Maßnahmen mittragen, die das Leben der Aktiven nur erschweren, ist verwunderlich – daher ist der Vergleich mit den „Borg“ nicht ganz unbeabsichtigt. Er wurde hier auch schon öfter gezogen – und die FIA wird nicht müde, dies rechtzufertigen…Gerhard Berger? Wirklich? Der nette Gerhard Berger? Fragen Sie Franz Wöss, den Betreiber des ATS Formel 3 Cups – auch im Formelsport leidet man unter der oben erwähnten Regelung für meisterschaftsähnliche Bewerbe. In der Formel 3 gab es unlängst auch die „witzige“ Regelung, dass nur noch neue Formel 3-Autos auch wirklich als „Formel 3“ bezeichnet werden dürfen - wenn das nicht die Handschrift der BORG ist, welche Handschrift sollte es dann sonst sein? Ja, leider: Für die Nachwuchsformeln ist eben Gerhard Berger bei der FIA verantwortlich, man mag es gar nicht glauben. Ob der Slapstick direkt aus seiner Feder stammt oder ob er diesen nur mittragen respektive ausbaden muss, ist jedoch nicht bekannt…
Jean Todt. Und der Rallyesport. Die Rallye-WM. Welch Sorgenkind. Unlängst hat sogar der neue Weltmeister Sebastien Ogier öffentliche Kritik an der TV- und Medien-Präsenz der WRC ausgeübt. Wofür dem sonst eher aalglatt wirkenden Franzosen herzlich zu danken ist – zumal ausgerechnet Volkswagen-Sponsor Red Bull für den armseligen Auftritt der Weltmeisterschaft verantwortlich zeichnet. Wobei: Die Verantwortung hat man in Fuschl gerne an sich gerissen, dann jedoch wurde, ganz offenbar, der Auftrag delegiert – an jemanden, der unlängst sogar dafür sorgte, dass die Werksteams den eigenen Piloten verboten haben, den TV-Teams des Promotors ein Interview zu geben. Wenn Hersteller wie VW oder Hyundai derartige Aktionen setzen, kann man sich vorstellen, wie es um die „Eintracht“ mit dem WRC-Promotor bestellt ist…
Dabei wäre es so einfach: Erst am Samstag haben die ERC und Eurosport gezeigt, wie es geht. Nicht im Pay-TV („lieber“ WEC-Promotor, auch ein Weltmeister im Zerstören der eigenen Rennserie), im Free-TV wurde jeweils eine rund 20 Kilometer lange Sonderprüfung richtig spannend inszeniert. Der Autor dieser Zeilen war damals dabei, als der verantwortliche Eurosport-Mann sich bei einem Dinner in Sanremo enttäuscht darüber zeigte, dass man den Zuschlag für die WRC nicht erhielt, dafür jedoch wollte man in der damals neu als IRC-Nachfolger erstarkten ERC kräftig Gas geben und zeigen, wozu man in der Lage ist. Wenn es einer schon vorzeigt, wie man es richtig macht – und der andere einfach nicht in die Gänge kommt – warum tut man dann nichts am Place de la Concorde? Hat die WM nicht die besten Leute verdient?
Freundlicher Gruß aus dem Jahr 2014
Ein kleines Beispiel am Rande (siehe Faksimile oben): Die FIA arbeitet seit einiger Zeit mit einem Online-Akkreditierungssystem. Und jetzt bitte anschnallen: In der WRC sind Fotographen nur für Printmedien zugelassen – eine Website also darf zwar immerhin einen Journalisten zu den WM-Rallyes entsenden (dieser muss dann aber einen Knebelvertrag mit dem WRC-Promotor unterzeichnen), einen Fotografen jedoch nicht. Die Steinzeit lässt grüßen, vielleicht auch nur passend zum Design des Akkreditierungssystems, dessen Bedienungs-Logik selbst für Querdenker nur schwer nachvollziehbar ist….Es stimmt schon, dass es viele Webseiten gibt, die lediglich dem professionellen Fotoverkauf dienen, doch zugleich wird die Rallye-WM (=WRC) von zahlreichen Webportalen unterstützt, die WRC selbst betreibt bekanntlich ebenfalls ein Webportal. Allein die zahllosen Galerien auf den verschiedenen Webseiten wie auch auf motorline.cc stellen für die WRC einen großen Werbewert dar. Offenbar gibt es nur einen Grund, warum im Jahr 2014 ein Onlineportal keinen Fotografen zu einem WRC-Lauf akkreditieren kann: Es müsste jemand selbständig denkend arbeiten, sprich, die Anträge tatsächlich einzeln selektieren. Und das wiederum war auch bei den BORG stets undenkbar: Selbständig denkend arbeiten ist nicht möglich. Und überhaupt: Widerstand ist zwecklos!