
WRC, Sardinien: Nach SP12 | 07.06.2025
Ogier übersteht brutalen Sardinien-Samstag mit knapper Führung
Sebastien Ogier geht als Führender in den Schlusstag bei der Rallye Italien, nach einem chaotischen Samstag mit strauchelnden WRC-Konkurrenten
Sebastien Ogier geht mit einem hauchdünnen Vorsprung von 11,1 Sekunden in den Finaltag der Rallye Italien auf Sardinien, nachdem er einen extrem fordernden Samstag überstanden hat, der mehreren WRC-Piloten zum Verhängnis wurde.
Toyota-Pilot Ogier behielt im intensiven Duell mit Hyundais Ott Tänak die Nerven - trotz extrem schwieriger Bedingungen und hoher Reifenschaden-Gefahr. Im Wissen, dass Tänak zum Angriff blasen würde, konnte sich Ogier keine Schonung erlauben und musste Risiko in Kauf nehmen.
Tänak, der am Morgen selbst einen Reifenschaden erlitten hatte, konterte entschlossen mit zwei Bestzeiten am Nachmittag und verkürzte den Rückstand von ursprünglich 15,0 Sekunden. Ogier hielt dagegen und holte sich die letzte Tagesprüfung mit einem Vorsprung von 0,4 Sekunden auf Tänak. "Es war ein langer Tag, vor allem der Nachmittag war sehr hart. Aber es war gutes Rennmanagement", sagte Ogier.
Neben Ogier blieb nur Teamkollege Kalle Rovanperä nach zwölf von 16 Wertungsprüfungen ohne größere Probleme. Der Finne leistete sich allerdings in WP10 einen kleinen Fehler, der ihn vier Sekunden kostete, konnte die besonders rauen Prüfungen aber ansonsten souverän meistern und liegt mit 55,5 Sekunden Rückstand auf Platz 3.
Für Elfyn Evans, Takamoto Katsuta und Sami Pajari verlief der Tag deutlich turbulenter. Das führte zu einigen Verschiebungen im Klassement. Katsuta traf es zuerst: In WP10 zog er sich vorne rechts einen Reifenschaden zu und musste zum Radwechsel anhalten - ein Zeitverlust von zwei Minuten.
In der darauffolgenden Prüfung erwischte es sowohl Evans als auch Pajari, ebenfalls vorne rechts, nachdem beide über herausragende Steine fuhren. Evans kam dabei noch glimpflich davon und verlor mit Beifahrer Scott Martin lediglich 1:50 Minuten. Pajari hingegen fuhr zunächst auf dem beschädigten Reifen weiter, musste dann aber kurz vor Ende der Prüfung doch anhalten.
Dabei sorgte er beinahe für einen Zwischenfall mit Tänak, der dem stark verlangsamten Toyota ausweichen musste, während er auf dem Weg zur Bestzeit war. "Das Einzige, was ich tun konnte, war, die Steine zu treffen. Wir haben so viele Sicherheitssysteme, aber keine Warnung, kein Streckenposten, nichts", ärgerte sich Tänak.
WM-Leader Evans profitierte von den Problemen bei Katsuta und Pajari und schob sich auf Rang 4 nach vorne, 4:33.5 Minuten hinter der Spitze. Pajari liegt nun auf Platz 5 (+4:56.3), Katsuta auf Rang 7 (+6:11.4).
Hyundai fährt am Sonntag voll auf Sieg
Hyundai kündigte am Samstagabend an, bei der Rallye auf Sieg fahren zu wollen - koste es, was es wolle. Die Koreaner stehen unter Zugzwang, nach einem bislang perfekten Saisonstart für Toyota endlich den ersten Saisonsieg einzufahren. Sardinien gilt dabei als gutes Pflaster: Seit 2016 wurde Hyundai dort nur zweimal geschlagen.
Tänak hat auch am Sonntag noch eine realistische Siegchance: Vier Prüfungen stehen noch aus, der Rückstand auf Ogier beträgt lediglich 11,1 Sekunden. Nach einem Samstag, der das Rally1-Feld massiv dezimiert hat.
Der Kampf um den Sieg erinnert stark an das Vorjahr: Auch damals ging Tänak mit Rückstand auf Ogier in den Finaltag - 2023 waren es 17 Sekunden. Am Ende gewann Tänak mit einem hauchdünnen Vorsprung von 0,2 Sekunden, nachdem Ogier auf der Powerstage einen Reifenschaden erlitt.
Für den Schlusstag 2025 hat Hyundai einen klaren Plan. Die vier Prüfungen am Sonntag sind neu im Rallyekalender und daher unbekanntes Terrain für die Teams. "Wir sind weiterhin im Rennen. Ott hat in WP9 durch einen Reifenschaden 10,5 Sekunden verloren und liegt trotzdem nur 11,1 Sekunden zurück", erklärt Hyundais Technikchef Francois-Xavier Demaison.
"Natürlich ist das frustrierend, aber morgen ist alles möglich. Letztes Jahr lagen wir sogar 17,1 Sekunden zurück und haben gewonnen. Wir sind in einer Situation, in der wir voll attackieren müssen. Und wir nehmen die Konsequenzen in Kauf."
Tänak selbst will am Sonntag den Rhythmus vom Samstag beibehalten: "Ich denke, wir müssen einfach den gleichen Rhythmus wie heute fahren. Jeder Tag ist anders und Rallye lässt sich schwer vorhersagen. Wir werden unser Bestes geben und sehen, wo wir am Ende stehen."
Latvala von Ogiers Management begeistert
Ogier rechnet damit, dass Tänak angreifen wird, statt auf Nummer sicherzugehen, und will daher ebenfalls einen Balanceakt zwischen Risiko und Vorsicht meistern: "Ich denke, wir haben das gut gemanagt. Wie erwartet hat Ott ordentlich Druck gemacht. Es geht darum, das Risiko zu managen, und ich habe mein Bestes gegeben. In beiden Fällen haben wir ein paar Sekunden hinter Adrien verloren - einmal bei seinem Reifenschaden in WP8, dann beim Überschlag in WP11. Vielleicht bekomme ich die Zeit zurück, ich werde mal bei den Veranstaltern nachfragen."
Mit Blick auf Sonntag ergänzt Ogier: "Die Prüfungen sind sehr anspruchsvoll, besonders die lange Prüfung sowie die Powerstage, die alles andere als einfach ist. Ich weiß, dass die erste WP schwierig ist. Wir müssen genauso hart pushen wie heute Nachmittag. Das ist klar."
Toyota-Teamchef Jari-Matti Latvala lobt Ogiers Fähigkeit, in schwierigem Terrain kühlen Kopf zu bewahren, warnt jedoch vor weiteren Herausforderungen: "Sebastien ist unglaublich stark auf rauem Untergrund und in technischen Abschnitten. Man sieht, dass er sich auf extrem schnellen Straßen nicht am wohlsten fühlt. Aber was er auf der letzten WP geleistet hat, war wirklich großartig. Ich habe zu meinen Ingenieuren gesagt: 'Ich wünschte, ich wäre so klug.'"
"Es kann noch alles passieren, und solche Risiken zu minimieren, ist schwierig. Der erste Durchgang durch die Sonntagsprüfungen wird entscheidend sein. Und hoffentlich kann man den zweiten Durchgang dann besser kontrollieren", sagt Latvala.
Unterdessen war Fourmaux am Samstagmorgen mit nur 2,1 Sekunden Rückstand auf Ogier noch Hyundais größte Hoffnung auf den Sieg. Doch sein Tag endete im Chaos. Erst verlor er durch einen Reifenschaden in WP8 fast vier Minuten, dann verpasste er in WP9 eine Bremsstelle wegen Staub im Cockpit und rutschte von der Strecke. In WP11 war endgültig Schluss: Fourmaux überschlug sich bei langsamer Geschwindigkeit und musste aufgeben.
"Ich habe zwei Bäume verwechselt. Es kam eine Kurve, die sich verengte, aber der Bremspunkt lag hinter dem ersten Baum - und ich bremste erst nach dem zweiten. Das reichte, um zu weit rauszukommen, ich traf einen Stein. Das genügte für einen kleinen Überschlag", erklärt Fourmaux. Ob das Auto bis Sonntag repariert werden kann, ist unklar: "Ich denke schon, aber genau wissen wir das erst nach einer eingehenden Untersuchung."
Teamkollege Thierry Neuville sowie die M-Sport-Piloten Josh McErlean und Gregoire Munster kamen nach ihren Ausfällen am Freitag am Samstag ohne größere Zwischenfälle durch. Bester Rally2-Pilot war am Samstagabend Nikolay Gryazin auf Rang 6. Der Skoda-Pilot ist allerdings an diesem Wochenende nicht für WRC2-Punkte eingeschrieben. Die Führung in der WRC2-Wertung liegt bei Emil Lindholm.
Am Sonntag warten vier Wertungsprüfungen. Der Schlussspurt einer denkwürdigen Rallye.