USA-Serie | 16.02.2004
„Informationszeitalter“
Mit einer ebenso informativen wie erheiternden Story zum Informationszeitalter im Straßenverkehr startet unsere USA-Serie.
Hans-Jürgen Eberdorfer
Auto-Amerika für Anfänger. motorline.cc „goes west“ und blickt über den großen Teich. Dorthin, von wo aus das Automobil seinen Siegeszug um die Welt angetreten hat. Unser USA-Korrespondent Hans-Jürgen Eberdorfer berichtet von allen möglichen und unmöglichen Begebenheiten, Besonderheiten und Geschehnissen rund um das automobile Amerika.
Die erste Geschichte führt uns in den winterlichen „Big Apple“. New York stöhnt unter Kälte und Schnee, die Autofahrer unter Stau und eingefrorenen Batterien. Zwischendrin: Unser Mann und viele bunte Schilder…
Informationszeitalter
„Objects In The Rear View Mirror May Appear Closer Than They Are!“ Objekte im Rückspiegel erscheinen größer, als sie in Wirklichkeit sind, weiß nicht nur Rock-Röhre Meat Loaf in seinem gleichnamigen Song.
Das wissen wir auch, weil wir beim Drücken der Fahrschulbänke brav aufgepasst, es durch Beobachtung gelernt haben, oder - und damit sind wir schon mitten in der Geschichte – diese in liebloser Typografie gehaltenen Worte am linken Außenspiegel lesen konnten.
Nach wie vor sind diese Warnhinweise in deutschsprachigen Gefilden eher die Ausnahme, in deren Ursprungsland wurde inzwischen allerdings einiges unternommen, um noch ganz andere Situationen im Straßenverkehr durch das Anbringen von Zusatz-Informationen zu „entschärfen“.
Man kennt die Vorliebe – oder ist es eher die Angst davor, für etwas Alltägliches verklagt zu werden? – der Amerikaner, sicherheitshalber etwas mehr Information beizufügen, als wirklich notwendig ist. Die Warnhinweise, dass der gerade aufgebrühte Kaffee auch wirklich heiß ist, oder Aufkleber auf Feuerzeugen, die vor einer Zusammenführung der eigenen Augen mit der Flamme warnen, sind vermutlich allgemein bekannt.
Und als ich mich zum wiederholten Male in engen Fluren an Schildern mit der Aufschrift „Vorsicht – Nasser Boden!“ vorbeizwängen musste, stellte ich mir die Frage, wie das eigentlich an einem Ort gehandhabt wird, an dem es wirklich gefährlich werden kann.
In den Strassen von New York
Ich musste nicht lange nach einer Antwort suchen. Bereits beim Verlassen der U-Bahn (diese war passenderweise mit „Wetpaint“-Hinweisen zugepflastert) streckt mir bei der ersten Fußgängerampel ein kleines Männchen die warnende, rote Hand entgegen. Schon verstanden. Ich muss hier warten, bis das kleine Männchen weiß wird und mir zeigt, dass ich sicheren Fußes den Zebrastreifen queren kann.
Doch wir wären nicht in Amerika, wenn das schon alles gewesen wäre: Dass das Schild neben der Ampel die Ampel selbst an Größe noch weit überbietet, lässt das darauf Geschriebene nur noch eigenartiger wirken:
Wait For Walk Signal
Aha. Mittlerweile zeigt mir das Männchen, dass ich gehen darf. Und ich laufe, den Blick auf das Schild fixiert, in einen Herrn mit Hut.
Schilder ohne Ende
Die nächste Entdeckung war sozusagen eine Kopie von vorhin. Diesmal nicht derartig aufdringlich wie an der Fußgängerampel, jedoch gleichermaßen interessant.
Ein Hinweis, dass bei der Ampel das Auto nur bei grünem Licht bewegt werden sollte. Das Schild funktionierte ganz offensichtlich hervorragend, kein Lenker kam auf die Idee, die rote Ampel UND das Schild zu ignorieren.
Herren mit Hut waren diesmal vor mir sicher, als Fußgänger konnte ich dieses Schild nämlich ignorieren und musste nur auf meinen Freund, das kleine weiße Männchen, warten. Dieses Mal ohne Text-Zugabe.
Doppelt hält besser
Außerdem wurde in rührender Weise auf mich Rücksicht genommen, zumindest seitens des städtischen Verkehrsamtes. Eine weitere Zusatztafel machte die Autofahrer nämlich darauf aufmerksam, dass sie mir auf dem Zebrastreifen Vorrang zu geben haben.
Das gleiche Schild fand sich am anderen Ende des Schutzweges noch einmal, diesmal allerdings mit leicht abgeändertem Design. Es bestand aus einem saloppen Mix an Symbolen und Text. Wahrscheinlich, um die vom Lesen müden Augen der Autofahrer etwas zu schonen.
Alles nur wegen der amerikanischen Lässigkeit…
Das Strickmuster dieser manchmal gigantische Ausmaße annehmenden Hinweis-Schilder ist immer dasselbe: Etwas, das ohnehin durch das Erlernen der Verkehrsregeln klar sein sollte, wird in Zusätzen noch einmal beschrieben. All diese Taferln dürfte es eigentlich gar nicht geben.
So kommt in einem Mitteleuropäer schnell die Ahnung hoch, dass sie wirklich notwendig sind. Würden unsere amerikanischen Freunde die Verkehrszeichen und Ampeln ohne die Zusätze etwa, sagen wir, eher lässig handhaben?
Ein Zusatzschild fürs Zusatzschild?
Das „No Horn Blowing – Except For Danger“ ließe sich ohnehin noch diskutieren. In einer Diskussionsrunde würde ich die Ansicht vertreten, dass auf einem Zusatzschild die genauen Anlassfälle für gerechtfertigtes Hupen aufgezählt werden sollten. Außerdem müsste klar gemacht werden – sie haben es erraten, mittels Zusatzschild –, dass Hupen aus Ärger oder zur Blickkontakt-Herstellung mit Schönheiten des anderen Geschlechts nicht zu den gerechtfertigten Begründungen zählt.
Wenn eine Kreuzung zur Box wird
Die „Box“ übrigens, die man nicht blockieren soll, beschreibt ganz einfach das Quadrat, dass die Schnittfläche zweier sich kreuzender Strassen bildet. In verständlicheren Worten: Der Ort an einer Kreuzung, an der man weder als stehender Fußgänger noch als parkender Autofahrer etwas verloren hat, da man ansonsten den kompletten Verkehr lahm legt.
Und der Verkehr in New York kann alles brauchen, nur keine zusätzliche Behinderung. Darum gibt’s auch den Zusatz: „Fine and 2 Points“, Bußgeld und Strafpunkte also, um klarzustellen, dass es der lange Arm des Gesetzes ernst meint.
Und warum diese Geschichte nicht länger ist? Ganz einfach, weil das Lesen langer Texte am Bildschirm Ihre Sehkraft beeinträchtigen kann. Habe ich gelesen, auf der Unterseite meines Laptops…