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Jugendjahre eines Champions

In nur zwei Wochen entwickelte das Team um Paul Rosche 1986 den Motor des BMW M3: der Beginn des erfolgreichsten Renntourenwagens aller Zeiten.

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„Herr Rosche,“ sagte der BMW-Vorstandsvorsitzende irgendwann Anfang der 80er-Jahre fast beiläufig zu seinem Motorenkonstrukteur, „wir brauchen für die Dreier-Reihe einen sportlichen Motor.“ - Das war die Geburtsstunde des M3.

Eberhard von Kuenheim wusste sehr genau, wen er damit zur Tat anstiftete; Paul Rosche war nicht nur der technische Geschäftsführer der M GmbH, sondern auch der Vater des Turbomotors, mit dem Nelson Piquet 1983 auf Brabham BMW die Weltmeisterschaft gewann. Und für Rosche musste ein sportlicher Motor vor allem eins können: gewinnen.

Basis Formel 1, Entwicklungsziel Gruppe A

Mit völlig leeren Händen standen die Konstrukteure des Sportmotors allerdings nicht da. Die richtigen Zutaten für das angestrebte Triebwerk waren vorhanden, man musste sie nur richtig zusammensetzen. So stand als Basis das Kurbelgehäuse des Vierzylinder-Motors zur Verfügung, der als braver Zweiliter im Großserieneinsatz war.

Welches Potenzial in dem Graugussgehäuse tatsächlich steckte, hatte Paul Rosche längst ausgelotet: Genau dieser Block war die Basis für den Meistermotor der Formel 1. Vier Zylinder bedeuteten nicht nur für die Königsklasse wenig Gewicht und hohes Drehvermögen, sondern boten auch ideale Voraussetzungen für den geplanten Sportmotor.

Das Regalfach mit dem leistungssteigernden Turbolader musste allerdings geschlossen bleiben: Ein Turbo kam aus Homologationsgründen nicht in Frage. Von vornherein dachten die Väter des M3 auch an einen Einsatz als Gruppe-A-Rennwagen, von dem innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten mindestens 5.000 Einheiten gebaut werden mussten. Das bedeutete, dass der M3 auch ein alltagstaugliches Straßenauto sein musste.

Rekordverdächtig: Der erste Motor nach zwei Wochen Entwicklungszeit.

Paul Rosche erinnert sich: „Wir haben uns sofort an die Arbeit gemacht. Uns kam entgegen, dass der große Sechszylinder original den gleichen Zylinderabstand hatte wie der Vierzylinder. Also sind wir hingegangen, haben am Vierventil-Zylinderkopf des M88 zwei Brennräume abgeschnitten und eine Platte über das Loch an der hinteren Stirnseite geschraubt.“ - Der M88 war der aus dem M1 und später dem M 635 CSi bekannte Reihen-Sechszylinder. Dann erhöhten die Ingenieure den Hubraum noch auf 2,3 Liter und fertig war der erste Prototyp.

Paul Rosche: „Ob man es glaubt oder nicht – wir hatten innerhalb von zwei Wochen ein ausgezeichnetes Vierzylinder-Triebwerk für die 3er-Reihe geschaffen, das unter dem Entwicklungsnamen S14 noch für Schlagzeilen im Sport und in der Serie sorgen sollte. Ich bin dann sonntags zur Wohnung von Kuenheims gefahren und habe ihm das Auto für eine Probefahrt überlassen. Als er zurückkam, sagte er: ‚Gut, der gefällt mir.’ So ist der M3 entstanden.“

Schnell und sauber

Der M3-Motor sollte auch in seinen Emissionen zukunftsweisend sein, deshalb wurde er von Anfang an für einen geregelten Katalysator entwickelt. Keine leichte Aufgabe: Mitte der 80er-Jahre waren Katalysatoren leistungsmindernd und verbrauchstreibend. Auch stand das bleifreie Benzin nicht unbedingt in dem Ruf, für Hochleistungsmotoren besonders geeignet zu sein, dafür schwankte die Qualität des neuen Kraftstoffs innerhalb Europas noch zu stark.

Um auf der sicheren Seite zu sein, passte das Team um Paul Rosche den Motor an und nahm die Verdichtung zurück. Dadurch reagierte der Motor auch auf Kraftstoff mit schwankender Oktanzahl nicht mit zerstörerischem Klopfen; andererseits kostete die Absenkung der Kompression samt Installation des Katalysators im Abgasstrang nur 5 der serienmäßigen 200 PS.

Vollgas in Nardo

Die üppige Leistung bereitete den Entwicklern zwar Freude, aber auch so manche schlaflose Nacht. Denn die Abgasanlage verdaute anfangs nicht ganz klaglos, was der Vierzylinder bei den Testfahrten vor allem auf der materialbelastenden Nordschleife des Nürburgrings in die Krümmer blies: Die Rohre rissen reihenweise.

Das Problem war schnell behoben, die Fahrer der BMW Motorsport GmbH traten den Beweis dafür umgehend an: Auf der Hochgeschwindigkeits-Teststrecke im italienischen Nardo jagten sie einen M3 gleich drei Mal mit Vollgas über die Distanz von 50.000 Kilometern. Der Auspuff hielt, das übrige Auto auch.

Schon im Stand ein schnelles Auto

Auf dem BMW Stand der IAA in Frankfurt im Herbst 1985 zeigte sich der M3 erstmals einer breiten Öffentlichkeit. Auch ohne Sonderlackierung war er unschwer von den übrigen Dreiern zu unterscheiden: Eine Handbreit über dem Kofferraumdeckel thronte ein wagenbreiter Flügel. Ringsum wiesen Schürzen auf die aerodynamische Feinarbeit an der Dreier Karosserie hin. Über den breiten Rädern waren dem M3 dicke Backen gewachsen, die Kotflügelverbreiterungen endeten in einer prägnanten Kante noch unterhalb der Kotflügelkanten. Der M3 sah schon im Stand schnell aus.

Die komplette Karosserie einschließlich Kotflügeln und Fronthaube bestand aus Metall; für die Stoßfänger, den Seitenschweller und den Kofferraumdeckel samt Spoiler wurde aus Gewichtsgründen leichter Kunststoff eingesetzt. Dadurch blieb der M3 mit seinen 1.165 Kilogramm, ein sportliches Leichtgewicht mit einem Leistungsgewicht von nur 5,8 Kilogramm pro PS.

M3 hält, was er verspricht

Vor einer Überprüfung all dieser Leistungwerte in der Praxis mussten sich Tester und Kunden allerdings noch mindestens ein halbes Jahr gedulden. Im Frühjahr 1986 waren die ersten Vorserienexemplare fertig und der M3 wurde der Presse vorgestellt – standesgemäß, auf der Rennstrecke von Mugello. Beeindruckt stellten die Tester fest, dass der aerodynamische Auftritt des M3 keine Über- sondern eher eine Untertreibung war: Unter der bulligen Karosserie steckte hochkarätige Renntechnik, spezielle Fahrwerksgeometrie und eine Hochleistungs-Bremsanlage mit serienmäßigem ABS.

Vmax 235 km/h

Die aerodynamische Feinarbeit zahlte sich in einem hervorragenden cW-Wert von 0,35 aus. Der Auftrieb an der Vorderachse verringerte sich gegenüber den anderen zweitürigen Dreiern um rund die Hälfte, an der Hinterachse dank des großen Heckflügels sogar um etwa zwei Drittel.

Die Fahrer spürten dies an einer deutlich gesteigerten Fahrstabilität und präziserem Lenkverhalten bei sehr hohen Geschwindigkeiten. Immerhin erreichte der serienmäßige M3 eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h mit Kat-Motor und 235 km/h ohne Kat. Dabei ging er vergleichsweise sparsam mit dem Superbenzin um: Im damaligen Drittelmix konsumierte der M3 deutlich unter 9 Liter auf 100 Kilometer.

Trotz des stolzen Preises (25% über dem Rest der 3er-Serie) war es kein Problem, die geforderte Stückzahl von 5.000 Fahrzeugen an den Kunden zu bringen. Bereits im Sommer 1986, lange bevor Beginn der Auslieferung, wurden in den einschlägigen Anzeigenseiten Kaufverträge für den M3 gegen Aufpreis angeboten. Tatsächlich wurde es aber 1987, bis alle 5.000 Exemplare des ersten M3 auf dem BMW-Parkplatz in München gemeinsam zum Familienfoto antraten, bevor sie in alle Welt aufbrachen.

300 PS für den Wettbewerbseinsatz

Eine ganze Reihe verschwand allerdings gleich wieder in Garagen und Werkstätten. Schließlich war der M3 als Rennauto konzipiert, und jetzt sollte er den Beweis antreten, dass er auch „rennen“ konnte. 1987 wurde erstmals eine Tourenwagen-Weltmeisterschaft ausgetragen. Und genau dafür war der M3 gebaut worden.

Allerdings nicht ganz so, wie er auf die Straße kam: Statt 200 PS leistete der 2,3-Liter-Motor in den Wettbewerbsautos bis zu 300 PS bei 8.200 min und lag damit auf einer Ebene mit dem Vorgänger 635 CSi. BMW ging nicht mit einem eigenen Team an den Start, sondern unterstützte eine Reihe namhafter Rennställe wie Schnitzer, Linder oder Zakspeed. Als Fahrer griffen unter anderem Roberto Ravaglia, Gerhard Berger, Dieter Quester, Christian Danner, und Winfried Vogt ins Steuer, dazu ein Damenteam mit Mercedes Stermitz und Annette Meeuvissen.

Vom Skandal zum Tourenwagen-Weltmeister

Das erste Rennen der Tourenwagen-Weltmeisterschaft 1987 startete am 22. März in Monza – und endete mit einem Eklat: Alle M3 wurden aus der Wertung ausgeschlossen. Unter chaotischen Bedingungen wurden die Fahrzeuge wegen angeblich regelwidriger Blechstärken disqualifiziert.

BMW legte Berufung ein – zu spät, wie das Sportgericht entschied; von einer Regelwidrigkeit war keine Rede mehr. Auf das Meisterschaftsergebnis hatte das freilich keinen Einfluss: Am Ende der Saison stand Roberto Ravaglia als erster Tourenwagen-Weltmeister fest.

Winfried Vogt holte sich den Titel des Europameisters, Zweiter wurde Altfrid Heger, beide auf BMW M3. Auch abseits der Rundstrecke fuhr der sportlichste 3er voraus. Ein von Prodrive vorbereiteter M3 ging bei der Rallye Korsika als erstes Auto durchs Ziel und sicherte BMW damit nach 14 Jahren Pause wieder einen Sieg in einem Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft.

Hier finden Sie die technischen Daten des BMW M3!

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