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„Jetzt machen wir einen Turbo drauf.“

Der 2002er war bereits von Haus aus sportlich. Als man dann auch noch einen Turbolader einbaute, war eine große Motorsport-Karriere vorprogrammiert.

  • Hier finden Sie zahlreiche Fotos der BMW 02er Reihe!

    Von Anfang an setzte BMW den 2002 auch bei Rundstreckenrennen ein. Und der erste Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Bereits beim zweiten Lauf zur Tourenwagen-Europameisterschaft setzte sich Dieter Quester gegen die Konkurrenz von Porsche und Alfa Romeo durch und stellte ganz nebenbei einen Rundenrekord auf.

    Es folgte eine fulminante Premieren-Saison, deren Krönung der EM-Titel war. Von Anfang an setzte auch eine Reihe privater Rennställe auf den schnellen Zweiliter. Zur Weihnachtszeit 1968 fällte Rennleiter Alex von Falkenhausen eine Entscheidung mit großer Tragweite: Angesichts der immer stärker werdenden Konkurrenz beschloss er „Jetzt machen wir einen Turbo drauf.“

    Der Einsatz der Abgasturbine katapultierte die Leistung des 2002 tiK von den 205 PS des Saugmotors auf aufgeladene 280 PS. Doch es war ein Wagnis – nicht nur auf dem Prüfstand explodierten die Rennmotoren des Öfteren. Maßgeblich an dem Projekt beteiligt war der Vater des späteren Formel-1-Weltmeister-Motors Paul Rosche:

    „Wir haben uns eigentlich schon bei den ersten Prüfstandsläufen des Turbos Gedanken gemacht, ob das nicht was für die Formel 1 sein könnte. Schließlich schien das Leistungspotenzial unerschöpflich zu sein. Und wir haben fortan nicht nachgelassen, diesem Traum Leben einzuhauchen.“

    Nach der Bändigung des explosiven Inneren galt es, die Kraft des Aggregats auch auf die Straße zu bringen. Die bislang für den 2002 ti verwendeten Reifen zeigten sich in den unteren Gängen hoffnungslos überfordert, so dass sie durch eine imposante Formel-2-Bereifung mit bis zu 260 Millimeter Straßenkontakt ersetzt werden mussten. Die dazu verbreiterten Radkästen wurden fortan zum Markenzeichen des kräftigen Münchners, mit dem Dieter Quester seinen Titel 1969 verteidigen konnte.

    Variationen eines Erfolgsthemas: Cabrio und touring.

    Mit vier neuen Modellen läutete 1971 die Ära 02 ihre erfolgreichsten Jahre ein: Zwischen das jetzt 1602 genannte Basismodell und den Zweiliter schob sich der 1802, während der 2002 tii (das zweite i stand für injection) mit 130 PS-Einspritzmotor den 2002 ti ablöste.

    Dazu kamen zwei neue Karosserieformen: das 2002 Cabriolet mit feststehendem Überrollbügel und der 2000 touring. In beiden waren ebenso interessante wie eigenwillige Lösungen verwirklicht: Der offene 2002 besaß ein über die gesamte Türlänge reichendes herausnehmbares Dachelement, eine nach vorn versetzte C-Säule und dahinter ein Stoffdach mit eingearbeiteter Heckscheibe. So konnte das Auto entweder nur mit einer Art vergrößertem Schiebedach gefahren werden oder als Landaulet mit offenem Fond oder aber sowohl vorne wie hinten offen.

    Der touring war die erste Kombi-Limousine aus Deutschland mit geteilter Rückbank. Das von Paul Bracq gezeichnete Modell hatte den Vorderwagen der 02er Reihe und ein deutlich verändertes Heck. Statt des konventionellen Stufenhecks hatte der Viersitzer eine schräge Heckklappe und war 12 Zentimeter kürzer als die Limousinen. Den viersitzigen touring, der dem Trend der späteren Schrägheck-Limousinen und noch späteren Sport-Kombis um Jahre vorausfuhr, gab es in allen Motorvarianten.

    Die Rakete: 2002 turbo.

    Mit einer Ausnahme: Den 170 PS starken 2002 turbo, dessen Debüt auf der IAA 1973 für Aufregung sorgte, gab es nur als Limousine. 210 km/h schnell war diese Krönung der 02-Baureihe und zehn Monate lang nur in den Farben Weiß und Silber zu haben.

    Wobei die kurze Produktionszeit des schnellsten und stärksten 02 eine Entscheidung des Schicksals und der Ölbranche war: Auf die Drohungen der Ölexportländer reagierte die westliche Welt fast panisch mit Tempolimits und Fahrverboten.

    Der Benzinpreis schoss in die Höhe, und technisch so anspruchsvolle und fortschrittliche Wagen wie der 2002 turbo fielen dem Zeitgeist zum Opfer. Denn der aufgeladene BMW war einmal mehr ein wegweisendes Modell: Es war das erste europäische Serienauto mit Abgasturbolader.

    BMW setzte 1973 freilich nicht nur mit dem turbo Zeichen. Auch in der passiven Sicherheit fuhr der 02 ganz vorn mit: Kopfstützen und Sicherheitsgurte vorn wurden Serienausrüstung, ebenso ein aufpralloptimiertes Vierspeichen-Lenkrad. Äußerlich waren die fortan produzierten 02er an den rechteckigen Rückleuchten erkennbar.

    Rallye-As mit Formel-2-Motor.

    Sportlich setzte BMW mit dem 2002 wie in den Jahren zuvor auch auf die Rallye-Karte. Der exakt 1990 Kubikzentimeter große 2002 für die Schotterpisten hatte den Formel-2-Motor unter der Haube, mit Vierventil-Zylinderkopf und Benzineinspritzung.

    Mit einer Bohrung von 89 Millimetern und einem Hub von 80 Millimetern war der Vierzylinder extrem kurzhubig ausgelegt und mit 11 : 1 hoch verdichtet. Damit konnte die Vierzylinder-Kurbelwelle hohe Drehgeschwindigkeiten erreichen: Die Nennleistung von 240 PS gab das Triebwerk bei 9 000 min–1 ab, was eine Literleistung von 120,6 PS/Liter ergab.

    Bei einem Leergewicht von 950 Kilogramm ging der Rallye-2002 damit hervorragend, wie die Piloten Jean Todt und Achim Warmbold eindrucksvoll bewiesen. An sechs Läufen zur Rallyewelt- und -europameisterschaft beteiligte sich das BMW Team mit diesem 2002.

    Darüber hinaus war der 02 ein ideales Instrument für motorsportliche Amateure. In ungezählten Rennen setzten die Privatfahrer 02-Fahrzeuge der unterschiedlichsten Leistungsstufen ein, gefördert von BMW. So hieß es damals in einer Broschüre der BMW Motorsport GmbH:

    „Einer der wichtigsten Ansatzpunkte des BMW Motorsport-Programms ist der Breitensport. Mit der Zielvorstellung, möglichst viele Autofahrer für den Breitensport zu gewinnen, übernimmt BMW gleichzeitig eine verkehrserzieherische Verpflichtung: Der Wunsch und die Freude am sportlichen Fahren nimmt stark zu."

    "Die heutige Verkehrssituation mit ihrer ständig wachsenden Dichte machen ein sportliches Fahren auf normalen Straßen nahezu unmöglich. Mit dem Breitensport, so hofft man in München, entzieht man dem Straßenverkehr die „sportliche Brisanz“, schafft aber gleichzeitig für den sportlichen Fahrer ein Betätigungsfeld auf vorgeschriebenen und teilweise abgesperrten Straßen und Plätzen.“

    Ende einer Ära: Der erste 3er kommt.

    1972 war unmittelbar nach den Olympischen Spielen, die von 02ern mit Batterieantrieb begleitet wurden, die erste 5er Reihe vorgestellt worden, die optisch eine neue Ära einleitete. Auch die Ablösung der kleinen Klasse wurde damit absehbar.

    Dabei war der 02 beileibe noch kein Auslaufmodell: 1974, ein Jahr vor der Ablösung durch die 3er Reihe erreichte die 02-Produktion mit 111.239 Einheiten ihren Zenit. Deshalb erlaubte sich BMW 1975 eine selbstbewusste Art des Modellwechsels: Die erste 3er Reihe wurde vorgestellt – und gleichzeitig der 1502 als neues, letztes und dann auch einziges Modell der 02-Reihe.

    Er wurde von einer niedriger verdichteten 1602 Maschine angetrieben und war deshalb zusammen mit dem 518 der erste BMW, der sich mit Normalbenzin begnügte. Und er hatte Erfolg damit: 71.564 Exemplare des 11.900,- DM teuren Wagens verließen die Münchner Werkshallen bis 1977.

    Der Vorstandsvorsitzende Eberhard von Kuenheim freute sich in einem Interview im Frühjahr 1976: „80 Prozent der Käufer des 1502 sind vorher im Besitz fremder Automarken gewesen.“ 1977 bewies der Nullzweier noch einmal, dass er auch auf den Rennstrecken durchaus noch konkurrenzfähig war: Auf einem 2002 turbo des Schnitzer Rennteams gewann Klaus Ludwig überlegen das letzte Rennen zur deutschen Rennsportmeisterschaft.

    Das war der letzte große Sieg des 2002 in seiner aktiven Zeit. Heute fährt er wieder um Ruhm und Ehre, jetzt allerdings bei den Rennen für historische Fahrzeuge.

    „Sportliche Limousinen mit langer Lebensdauer.“

    Der 02-Erfolg war und ist bis heute ein Phänomen, wie es nur wenige in der Automobilgeschichte gibt. Selbst viele Jahre nach Produktionsende behielten die 02 ihre Faszination für die Freunde spritziger Automobile. Auch als Gebrauchtwagen attestierte man den „sportlichen Limousinen mit langer Lebensdauer“ in einem namhaften Gebrauchtwagen-Sonderheft des Jahres 1978:

    „Die kleinen BMW Modelle der 02-Baureihe galten, solange sie noch gebaut wurden, als Inbegriff der kompakten Sportlimousine, und daran hat auch die Tatsache, dass inzwischen die Produktion eingestellt wurde, nur wenig geändert. Den zweitürigen BMW geht ein guter Ruf voraus – nicht nur wegen der erfreulich guten Fahrleistungen, sondern auch wegen seiner Zuverlässigkeit im Alltag.“

    Den ersten Teil der 02er-Story finden Sie in der rechten Navigation!

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